Um den Auszug der Mieterin zu beschleunigen, ließ der Angeklagte die 80-Jährige vor verschlossenem Tor stehen und zwang sie so im März 2020 in Quarantäne. Einen schlüssigen Beweis für das Gegenteil blieb der Hausbesitzer am Montag Richter Patrick Stemler in Pforzheim schuldig. Es blieb bei einer Geldstrafe von 4.200 Euro.
Das erste Schlüsselerlebnis traf die Seniorin bei der Rückkehr vom Weihnachts-Familienbesuch am 1. Januar 2020. Das Gartentor – sonst immer eine offene Tür - war zu. Der Vermieter ließ seine Mieterin zwar herein, verweigerte aber die Herausgabe eines Schlüssels.
„Er hat gesagt, dass ich keinen mehr brauche, da ich hier sowieso nicht mehr lange wohnen würde“, ärgerte sich die 80-Jährige am Montag im Zeugenstand. Ihrer Anzeige wegen Nötigung folgte ein erster Strafbefehl über 750 Euro, den der Angeklagte bezahlte – versehentlich, wie er betonte. Das Tor blieb unverschlossen – vorerst.
Zum Schlüssel-Eklat kam es vom 9. März bis 16. März 2020, mittlerweile war das Gartentor mit neuem Schließzylinder und elektrischem Türöffner hochgerüstet worden, als die Rentnerin auf einmal nur noch raus- aber nicht mehr reinkonnte, ohne über den Zaun zu klettern.
Ich habe die Wohnung eine Woche nicht verlassen. Eine Freundin hat eingekauft und die Post geholt.80-jährige Mieterin
„Ich habe die Wohnung eine Woche nicht verlassen. Eine Freundin hat eingekauft und die Post geholt“, erinnerte sich die Mieterin an eine Zeit des Eingesperrtseins, die erst mit Schlüssel-Fund im Briefkasten endete. Der zweite Strafbefehl wegen Nötigung, folgte auf den Fuß.
Dieses Mal legte der Angeklagte aus dem Enzkreis Einspruch ein, wähnte er sich doch ungerecht behandelt, wenn nicht gar von einer angriffslustigen Rentnerin verfolgt. „Sie hat versucht, mich ins Gefängnis zu bringen. Ich stand zehnmal ihretwegen vor Gericht.“ Sogar ein Kontaktverbot habe sie schon gegen ihn erwirkt.
Deshalb habe er den neuen Schlüssel am Tag des Elektrik-Anschlusses am 24. Februar 2020 nur eingeworfen – selbstredend im Beisein des Handwerkers und dokumentiert durch Fotos auf seinem Handy, das er vor Gericht immer zückte und als Beweismittel in die Runde der Prozessbeteiligten hielt.
Wobei es laut dem 43-Jährigen im Januar weder Schloss noch Schlüssel gegeben habe. Sein Vater habe im Herbst 2019 ein neues Tor eingebaut, so schief, dass es immer wieder hakte. Einem Heimhandwerker-Malheur, bei dem ein Seil aus dem Baumarkt half.
80-Jährige erhält im Prozess gegen ihren Vermieter Recht
Alles ein Missverständnis? Reichte die Muskelkraft der 80-Jährigen nicht, um den Klemmmechanismus zu überwinden?
Zum Bumerang für die Beteuerungen des Angeklagten wurde schließlich die Freundin der Eingesperrten, die im Zeugenstand auf Servicegänge nebst Waren-Übergabe am Gartentor beharrte.
„Ich war jeden Tag da, weil meine Freundin keinen Schlüssel hatte. Haben Sie das jetzt verstanden?“, konterte die 79-Jährige genervt-rigoros die Versuche von Verteidiger Giuseppe Olivio, sie aufs Glatteis zu führen.
Auch von einer Kameraüberwachung, die der Angeklagte urplötzlich aus dem Hut zauberte, ließ sie sich nicht beirren. Zu Recht: So schnell wie die Videoaufzeichnungen, die ihre Aussagen zu Besuchen widerlegen sollten, aufgetaucht waren, so schnell verschwanden diese auch wieder in „Ich muss mal gucken“-Unwägbarkeit.
Für Staatsanwalt Lothar Drautz der Schlüsselfaktor, um dem 43-Jährigen zur Rücknahme seines Einspruches zu raten. Ein Rat, den der Angeklagte annahm.