
An der Finanzlage Remchingens scheiden sich im Wahlkampf um das Bürgermeisteramt die Geister. Für einen Paukenschlag sorgte der Rückzieher von Beinahe-Kandidat Heiko De Vita und seine Erklärung. Die finanziellen Spielräume seien gering, der Kinder- und Jugendcampus mit derzeit rund 14 Millionen Euro geplanten Kosten zu teuer. Nachhaltige Politik in Remchingen sei kaum möglich.
In dasselbe Horn blies De-Vita-Unterstützer, Altbürgermeister Wolfgang Oechsle (Bürgerliste) und zuletzt eine Briefkasten-Aktion mit unklarem Strippenzieher. Die Kandidaten selbst sehen diese finanzielle Not allerdings nicht und haben selbst Ideen, wie sie Remchingen gestalten würden.
Allen voran ist da natürlich Gerd Kunzmann, derzeitiger Kämmerer der Gemeinde. „Die Finanzierung ist gesichert“, stellt er klar. Im Jahr 2022 befanden sich nach seinen Angaben 13 Millionen Euro in der Gemeindekasse, „bei meinem Amtsantritt waren es zwei Millionen“. Bis 2027 seien zudem 80 Millionen Euro für Investitionen vorgesehen.
Gerd Kunzmann berichtet von ungeplanten Einnahmen
Von Geldknappheit könne also keine Rede sein. Zumal er sehr defensiv geplant habe. „Wir erhalten noch eine Einkommenssteuernachzahlung von 500.000 Euro.“ Außerdem seien die Energiekosten nach Worst Case geplant worden. „Wir konnten hier einen guten Abschluss erzielen und 1,2 Millionen Euro sparen.“
Man dürfe auch nicht Kosten mit Belastungen verwechseln. Die Kunst sei, Fördermittel zu bekommen. Für den Kinder- und Jugendcampus, für das Hallenbad. Allein für das Bad stehen vier Millionen Euro im Raum. Durch die gestiegenen Baukosten könne man allerdings nachverhandeln.
Ähnlich sieht es auch Julia Wieland. Sie nannte zuletzt Kunzmann trotz der Konkurrenz einen „sehr guten Kämmerer“. Die Oechsle-Sicht könne sie nicht teilen. „Es sieht relativ gut aus.“
Beim Kinder- und Jugendcampus möchte ich gerne die Bürgerinnen und Bürger beteiligen.Julia Wieland, Bürgermeisterkandidatin
Und doch möchte sie einige Dinge anders machen als Kunzmann. „Beim Kinder- und Jugendcampus möchte ich gerne die Bürgerinnen und Bürger beteiligen“, sagt sie. Und zwar auch, was die konkrete Planung und entsprechend die endgültigen Kosten angeht. „Es geht darum, ein Stimmungsbild einzuholen.“
Am Beschluss an sich aber sei „nicht zu rütteln“. Vor allem betont auch sie, wie wichtig es sei, über Bundes- und Landesförderung an Geldtöpfe zu kommen, um die Kosten für die Gemeinde in Grenzen zu halten.
Überhaupt ist Bürgerbeteiligung eines der Schlagwörter, mit denen die Ortsvorsteherin aus Pforzheim-Huchenfeld in den Wahlkampf gegangen ist. „Es muss uns allen bewusst sein, dass das Steuergeld ist und man damit verantwortungsvoll umgehen muss.“ Beim Hallenbad etwa würde sie prüfen lassen, ob eine Sanierung oder ein Neubau mehr Sinn ergebe.
Bei der Kalkulation für die Kosten rund um den Komplex altes Rathaus in Singen und mögliche Neubauten sieht sie „eine schwierige Basis zum Kalkulieren. Das kann schnell zu einer Eskalation der Preise führen“, sagt sie. „Das ist ein riesiger Batzen Geld, den wir sinnvoll investieren müssen.“
Julia Wieland kritisiert scheidenden Bürgermeister Prayon
Einen Seitenhieb auf den scheidenden Bürgermeister Luca Wilhelm Prayon (CDU) gibt es dann doch noch. Das Feuerwehrgerätehaus sei zwar beschlossen, aber nicht zugewiesen und immer weiter geschoben worden. „Die Sachen, die man beschließt, sollte man auch umsetzen, bevor der Nachfolger kommt.“
Noch besser schätzt Philipp Hildinger die Finanzlage in Remchingen ein. Zumindest, wenn man denn will. „Ich sehe nicht, dass man das Hallenbad nur bauen kann, wenn es dafür Fördergelder gibt“, sagt er. Das sei schlicht auch eine Frage der Prioritäten. „Es gibt einen Trend dazu, dass Wasserflächen verschwinden. Dem möchte ich entgegenwirken“, sagt Hildinger.
Viele Gemeinden haben den Blick auf Nachhaltigkeit verloren.Philipp Hildinger, Bürgermeisterkandidat
Allerdings äußert er eine generelle Kritik an der Remchinger Verwaltung und damit auch an Kunzmann: „Viele Gemeinden haben den Blick auf Nachhaltigkeit verloren und bauen zu viel zu überzogenen Preisen“, kritisiert er. Das gelte auch für den Kinder- und Jugendcampus. Nur: „Da jetzt das Rad zurückzudrehen würde die Gemeinde noch teurer kommen.“
Kandidat Andreas Wagner war für ein spontanes Statement am Freitagabend nicht erreichbar. Auch er gilt nicht gerade als großer Kritiker des Kämmerers. „Man muss das Rad hier nicht neu erfinden – es läuft hier schon“, hatte er zuletzt gegenüber dieser Redaktion gesagt.