
Noch hängen die Wahlplakate mit dem Gesicht von Heiko De Vita in Remchingen. Genug Zeit, um sie alle abzuhängen, war bislang nicht. Ebenso wenig war es genug Zeit für die Fraktionen der CDU, FWV und BL, sich neu zu sortieren. Seit Montag, 16.55 Uhr, ist klar: De Vita möchte nicht mehr Bürgermeister in der Enzkreisgemeinde werden. Nun herrscht Ungläubigkeit, Staunen und teilweise auch Wut über den Rückzug des Kandidaten, der als Kandidat des Gemeinderates galt.
Nur sah sich De Vita anscheinend nicht so. In einer von ihm unterzeichneten Mitteilung heißt es: „Um positive Veränderungen in Remchingen zu bewirken und die anstehenden Aufgaben stemmen zu können, benötige ich einen breiten Rückhalt aus allen Bereichen. Nach vielen Gesprächen in der vergangenen Zeit konnte ich diesen notwendigen Rückhalt jedoch nicht überall ausreichend erkennen.“
Zudem kritisierte er die jüngsten Entscheidungen des Gemeinderats, insbesondere die Verabschiedung des Kinder- und Jugendcampus für geplante 13,9 Millionen Euro – zu viel Geld, das an anderen Orten fehle. De Vita nannte unter anderem die Sanierung von Hallenbad und öffentlichen Gebäuden neben politischen Großwetterlagen wie der Flüchtlingsthematik und Digitalisierung als Aufgaben. „Um all diese Herausforderungen erfolgreich anzugehen, wäre eine strikte Haushaltspolitik notwendig. Diese steht jedoch im krassen Gegensatz zu aktuell beschlossenen Projekten“, teilte De Vita mit.
Er war der Kandidat, der im Gemeinderat die größten Sympathien hatte.Dieter Walch, CDU-Fraktionsvorsitzender
Dessen Vorwürfe weist der CDU-Fraktionsvorsitzende Dieter Walch zurück. „Er war der Kandidat, der im Gemeinderat die größten Sympathien hatte“, beteuert Walch, der sich selbst für De Vita ausgesprochen hatte – allerdings nicht im Namen der gesamten Fraktion. „Das kann ich nicht akzeptieren, was er da sagt.“ Auch sehe er die Finanzlage Remchingens nicht so schlecht wie der Kandidat. „Remchingen steht noch gut da!“ Wenn sich De Vita das nicht zutraue, dann „ist die Entscheidung auch richtig, nicht anzutreten“, stichelt Walch.
Dabei spielte die CDU eine besondere Rolle, auch was den Beschluss zum Kinder- und Jugendcampus betrifft. Der hatte eigentlich im Gemeinderat vertagt werden sollen. Doch schließlich hatte der scheidende Bürgermeister Luca Wilhelm Prayon (CDU) ein Machtwort gesprochen, inklusive einer „Vertrauensfrage“, wenngleich es diese auf Kommunalebene formell gar nicht gibt. Schließlich schwenkte die CDU um. Das war Ende März, allerdings noch vor De Vitas Kandidatur. Entsprechend gab es zwar Unterstützung für De Vita aus den CDU-Reihen – aber nicht geschlossen und nicht von allen Gemeinderäten.
Das war ein Schlag in die Vollen für uns.Markus Gartner, FWV-Fraktionsvorsitzender
Völlig vor den Kopf gestoßen durch den Rückzug ist Markus Gartner, Fraktionsvorsitzender der FWV. „Das war ein Schlag in die Vollen für uns.“ Die FWV hätte sich zwar als Fraktion offiziell nicht zu Wort gemeldet, „aber inoffiziell standen wir alle hinter ihm“. Er wisse auch nicht, „dass wir uns irgendwas zu Schulden haben kommen lassen“. Noch am Montagmorgen habe es Gespräche zwischen seiner politischen Seite und De Vita gegeben, „da war das nicht rauszuhören“.
Allerdings bezweifelt Gartner im Rückblick, dass De Vitas Entscheidung spontan war, verweist auf dessen Abwesenheit bei Vatertag und Fischfest. „Er sagte, er habe Straßenwahlkampf gemacht“, so Gartner. Seit Montag, 16.55 Uhr, bewerte er diese Aussagen etwas anders. Einen neuen Wunschkandidaten habe die FWV nicht. „Wir haben aufs falsche Pferd gesetzt.“
De Vita hatte bereits im Oktober eine Kandidatur zurückgezogen
Auch Wolfgang Oechsle vermutet, De Vita habe seit geraumer Zeit mit einem Rückzug geliebäugelt. Der einst langjährige Bürgermeister Remchingens und Fraktionsvorsitzende der Bürgerliste für Umwelt, Transparenz und Fortschritt (BL) galt als einer der engsten Unterstützer De Vitas. Anders als CDU und FWV sieht er die Finanzen Remchingens in deutlicher Schieflage. „Ich habe es irgendwie vorausgeahnt“, sagt Oechsle.
Er hat mit seinem Rückzug einige Menschen schwer enttäuscht.Wolfgang Oechsle, BL-Fraktionsvorsitzender
De Vita habe die Haushaltszahlen der vergangenen Jahre akribisch durchforstet. Gerade die 14 Millionen Kosten für den Kinder- und Jugendcampus „haben ihm große Sorgen gemacht, da hat er einige Tage dran zu kauen gehabt“. Ob es auch die Sorge gab, De Vita könne sich in Remchingen verbrennen? „Ja, sicherlich. Sein Rückzug ist auch ein Warnruf, dass wir in Remchingen keine überzogenen Projekte angehen sollten.“ Und doch kritisiert auch Oechsle: „Er hat mit seinem Rückzug einige Menschen schwer enttäuscht. Aber ich verstehe das und sehe diese Dinge eigentlich ähnlich.“ Oechsle selbst wolle sich nun bei der Wahl neutral verhalten.
Es ist nicht der erste Rückzug des gegenwärtigen Amtsleiters des Bürgermeisterbüros von Oberderdingen. Erst im Oktober 2022 hatte De Vita seine Kandidatur als Bürgermeister in Gaienhofen (Landkreis Konstanz) vor dem zweiten Wahlgang zurückgezogen. Damals war eine schwere Erkrankung seiner Frau die Ursache. Nun hängen seine Wahlplakate wieder sinnlos herum. Wie lange ist unklar. „Für diesen Fall haben wir den Bewerbern keine Regelung mitgegeben. Das ist auch für uns Neuland“, sagt der stellvertretende Hauptamtsleiter Udo Stöckle.