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Kreative Lösungen

Wiedereinstieg nach Corona wird schwer: Ein Berufsmusiker aus Pforzheim sorgt sich um Vereine

Berufsmusiker haben es coronabedingt aktuell sehr schwer, so geht es auch Florian Hartmann aus Pforzheim. Trotzdem macht er sich mehr Sorgen um Gesangsvereine und deren Mitgliederzahlen.

Mit einer mobilen Chorprobe erfreuten der Nöttinger Gesangvereinsvorsitzende Gerhard Siebler (von rechts), Chorleiter Florian Hartmann und die Musiker Maria Kalmbach, Moritz Kallenberg und Mariann Grieshaber ihre Chorkameraden und deren Nachbarn im Mai 2020.
Mit einer mobilen Chorprobe erfreuten der Nöttinger Gesangvereinsvorsitzende Gerhard Siebler (von rechts), Chorleiter Florian Hartmann und die Musiker Maria Kalmbach, Moritz Kallenberg und Mariann Grieshaber ihre Chorkameraden und deren Nachbarn im Mai 2020. Foto: Archiv: Julian Zachmann

Während es um einige Gesangvereine in der Region schon lange vor der Pandemie immer ruhiger wurde, droht auch mancher eigentlich vitale Traditionschor nach einem Jahr ohne Proben, Auftritte und Gemeinschaft ganz und gar zu verstummen, befürchtet Florian Hartmann – wohl wissend, dass dies noch lange nicht das Ende der Pandemie und ihrer Folgen ist.

Aus gesundheitlicher Sicht kann er die Auflagen nachvollziehen: „Aber mit kreativen Wegen können wir etwas tun, um das Singen und Musizieren trotzdem aufrechtzuerhalten“, unterstreicht der professionelle Bass, der nach seinem Musikstudium weiter in Karlsruhe wohnt.

Als Berufsmusiker ist Hartmann Chorleiter beim Liederkranz Nöttingen, Stimmbildner des Pforzheimer Oratien- und des Karlsruher Knabenchors Cantus Juventum und lebt darüber hinaus von vielfältigen Engagements an Opern und Theatern.

Leben von Pforzheimer Musiker steht Kopf

Die Pandemie hat sein komplettes Berufsleben auf den Kopf gestellt – dennoch mache er sich noch viel größere Sorgen um den Vereinsbereich: „Wir Berufsmusiker haben Überbrückungsmöglichkeiten, können finanzielle Hilfen beantragen oder durch regelmäßige Testungen mittlerweile manche Formate wieder durchführen und haben vor allem die Hoffnung, dass es irgendwann weiter geht. Was aber im Amateurbereich einmal verloren ist, ist schwer wieder aufzuholen.“

Das sind Muskulaturen, die genauso gepflegt werden müssen wie bei einem Fußballspieler.
Florian Hartmann, Berufsmusiker

In Jugendchören fehlten ganze Jahrgänge und den über 80-jährigen Sängern auf der anderen Seite falle es schon rein körperlich nach ein oder zwei Jahren schwer, wieder einzusteigen: „Da ist das gesamte Training weg.“ Schließlich gehe es nicht nur ums Dahin-Trällern: „Das sind Muskulaturen, die genauso gepflegt werden müssen wie bei einem Fußballspieler.“

Vom Auswendiglernen ganz zu schweigen: „Wenn man in zwei Jahren wieder komplett bei null anfängt, gehört viel Durchhaltevermögen und Motivation dazu.“

Damit es gar nicht erst so weit kommt, hat der 29-Jährige beim Nöttinger Liederkranz früh kreative Wege eingeschlagen: Bereits im Mai vergangenen Jahres besuchte er die Sängerinnen und Sänger des Traditionschores einzeln im Garten oder auf dem Gehweg vor den Häusern, um mit ihnen und ihren Nachbarn durch mobile Chorproben die Stimme zu ölen.

Gemeinsam mit den befreundeten Profis Mariann Grieshaber, Maria Kalmbach und Moritz Kallenberg sowie den Vereinsvorsitzenden Günter Seemann und Gerhard Siebler stärkte er damit auch die Gemeinschaft – schließlich waren im darauffolgenden Sommer kaum zwei Handvoll Treffen in großen Hallen möglich.

Weihnachtsüberraschung mit Baden TV

Das motivierte Hartmann, sich gemeinsam mit seinen Kollegen als Weihnachtsüberraschung über den Regionalsender „Baden TV“ bei den Vereinsmitgliedern zu melden: „Übers Internet erreicht man viele Senioren nicht wirklich und digitale Chorproben funktionieren kaum – deshalb haben wir das Fernsehen gewählt. Ich muss ja etwas machen für die Chorsänger, das bin ich ihnen schuldig“, findet Hartmann.

Der hat kürzlich ein weiteres Corona-Projekt startete: Das Quartett nahm 15 deutsche Volkslieder auf CD auf – gewidmet dem Nöttinger Liederkranz und verteilt an alle, die Spaß am Singen haben: „So bleibt die Musik präsent – und wir verbunden“, erklärt der gebürtige Schwabe, der das in Straubenhardt entstandene Volkslied „Im schönsten Wiesengrunde“ als Titel wählte.

Das Miteinander müsse künftig noch größer geschrieben werden, das Singen dürfe keine elitäre Blase bleiben: „Jedem muss es möglich sein, mitzumachen – so wie beim Fußball“, erklärt der FC Bayern-Fan, der neben einem gemeinsamen Remchinger Kinderchor auch die rechtzeitige Zusammenlegung der drei örtlichen Gesangvereine vorgeschlagen hatte.

Mit diesem Vorschlag stieß Hartmann allerdings keineswegs auf offene Ohren: „Aber das sollten wir tun, bevor es zu spät ist.“

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