Remchingen hat gewählt – und sich mit fast 70 Prozent der Stimmen klar für Julia Wieland als neue Bürgermeisterin entschieden, die die Gemeinde in die Zukunft führen soll. Doch zuvor will der Gemeinderat zurückzublicken, wie die jüngste Ratssitzung am Donnerstagabend verdeutlichte.
Aufarbeitung ist gefordert
Sowohl ein Bürger als auch alle Fraktionen mit Ausnahme der Bürgerliste forderten eine Aufarbeitung der von Einwohnern öffentlich geäußerten Kritik, die weite Kreise gezogen hatte.
Sind diese Vorwürfe gegen den leitenden Mitarbeiter der Gemeinde berechtigt?Joachim Geffken, Bürger
Kurz vor der Wahl landete in zahlreichen Briefkästen ein offener Brief mit von Einzelpersonen unterzeichneten Fragen an den Kämmerer und Kandidaten Gerd Kunzmann. Die Fragen kritisierten nicht nur dessen Arbeit, sondern auch die des Gemeinderats.
Von kommunaler Seite blieb es ruhig um das Schreiben, das dem Kämmerer unter anderem angebliche Gesetzesverstöße, Falschangaben und gar die Bedrohung von Bürgern vorgeworfen habe, wie der Nöttinger Joachim Geffken nun feststellte.
Gleich zu Beginn der Gemeinderatsitzung äußerte er daher einige Fragen an das Gremium: „Sind diese Vorwürfe gegen den leitenden Mitarbeiter der Gemeinde berechtigt? Falls ja, wieso hat die Aufsichtspflicht von Bürgermeister und Gemeinderat nicht zu einer Korrektur geführt? Falls nein, wie gedenken Bürgermeister und Gemeinderat die Öffentlichkeit darüber zu informieren?“
Wie steht die Gemeinde zu den Vorwürfen gegen ihren Mitarbeiter?
Wenn die Vorwürfe zutreffend seien, müsse umgehend arbeits- und dienstrechtlich reagiert werden – wenn jedoch nicht, müsse der Arbeitgeber seinen Mitarbeiter sofort schützen, erklärte Geffken und wollte wissen, wie die Gemeinde als Arbeitgeber reagiere.
„Natürlich haben wir uns als Verwaltung beim Auftreten entsprechender Briefe Gedanken gemacht, die in diese Richtung gehen“, antwortete Bürgermeister-Stellvertreter Kurt Ebel. Die Gemeinde habe die Kommunalaufsicht eingeschaltet: „Diese hat den Aufschluss gegeben, dass sich die Darstellungen und Äußerungen noch im Rahmen der freien Meinungsäußerung bewegen. Deshalb sind wir nicht durch eine eigene Kommentierung in den Wahlkampf eingetreten“, antwortete Ebel.
Natürlich haben wir uns als Verwaltung beim Auftreten entsprechender Briefe Gedanken gemacht.Kurt Ebel, Bürgermeister-Stellvertreter
Ein Wahlkampf sei naturgemäß immer eine Zuspitzung – aber natürlich werde der Gemeinderat die in den Schreiben aufgeworfenen Fragen politisch bewerten müssen. Damit verwies Ebel auf einen Antrag aller Räte mit Ausnahme der Bürgerliste, den Klaus Fingerhut (Grüne) zum Ende der Sitzung stellte.
Rückschau für kommende Sitzung vorgesehen
Die neue Bürgermeisterin Wieland – die nach der Sitzung des Huchenfelder Ortschaftsrats selbst noch zur Remchinger nachkam – sei mit einem bemerkenswerten Ergebnis gewählt worden und alle Kandidaten hätten einen guten, interessanten und fairen Wahlkampf geführt, unterstreichen die Antragsteller von CDU, FWV, Grünen und SPD.
Auch aus der Bürgerschaft seien vielfältige Themen zur Sprache gekommen: „Teilweise leider aber auch in einer Art und Weise, über die wir noch diskutieren müssen.“
Anregungen und Kritik hätten gerade auch die Arbeit des Gemeinderats betroffen, deshalb solle man sich nach der öffentlichen Bekanntgabe des Wahlergebnisses Zeit nehmen, „den Wahlkampf und die dabei von der Bürgerschaft angesprochenen Punkte mit Blick auf die Arbeit des Gemeinderats und seiner Mitglieder zu betrachten und zu gewichten“. Das sei notwendige Grundlage eventueller Konsequenzen. Die Rückschau solle bei der nächsten Sitzung am 20. Juli erfolgen.
Oechsle berichtet von Streit um Wasser
Die Bürgerliste, die wie berichtet Kritik an Kunzmann geäußert und für Wieland geworben hatte, sorgte derweil mit einem ganz anderen Antrag für Aufsehen: Altbürgermeister Wolfgang Oechsle berichtete, wie er sich mit der Gießkanne jungen trockenheitsgefährdeten Straßenbäumen in Singen angenommen habe.
Das Wasser für 40 Gießkannen habe er nach Rücksprache mit dem Bauhofleiter am Friedhof entnommen – woraufhin der Leichenbestatter lauthals protestiert habe. Obwohl er sich inzwischen beim Ordnungsamtsleiter abgesichert habe, sei er des Wasserdiebstahls verleumdet worden, dabei habe er nur dem Bauhof unter die Arme greifen und den Bäumen etwas Gutes tun wollen, so Oechsle.
Er stellte den Antrag, zu klären, ob dem Bauhofleiter die Zuständigkeit erteilt werden könne, in Notfällen anfragenden Bürgern ehrenamtlich die Genehmigung zu erteilen, vom Absterben bedrohte Bäume aus nahegelegenen Wasserabgabestellen zu gießen. „Erst recht, wenn diese sogar bereit sind, das verbrauchte Wasser zu bezahlen“, so Oechsle, der Kurt Ebel kurzerhand 100 Euro in die Hände drückte, was für 3.000 Wasserkannen-Füllungen der Bürger reiche.