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Ortsteilverbindung Remchingen

Umgehungsstraße wird freigegeben: Wird es ruhig im Nöttinger Ortskern?

Am Freitag wird die neue Ortsumfahrung um Nöttingen herum eröffnet. Nach zehn Jahren Planung, Bau und vielen Diskussionen. Bauamtsleiter Markus Becker, Kritiker und Befürworter aus Nöttingen blicken zurück.

Freie Fahrt: Planer Michael Bauch (links) und Remchingens Bauamtsleiter Markus Becker freuen sich auf die Freigabe der Ortsteilverbindungsstraße um Nöttingen herum.
Planer Michael Bauch (links) und Remchingens Bauamtsleiter Markus Becker freuen sich auf die Freigabe der Ortsteilverbindungsstraße um Nöttingen herum. Foto: Zachmann

Auf einen Wecker konnte Heike Ratz aus Nöttingen bisher dank der Brummis vor ihrem Fenster getrost verzichten. Die Kaffeetasse wackelte ihr im Schrank förmlich entgegen. Das könnte sich nun endlich ändern: Am Freitagnachmittag gibt die Gemeinde Remchingen den dritten und entscheidenden Abschnitt der Ortsteilverbindungsstraße für den Verkehr frei.

Das soll insbesondere bei den Anwohnern der verkehrsgeplagten Karlsbader Straße für Aufatmen sorgen. Etwa 10.000 Fahrzeuge schlängeln sich momentan täglich durch den Ort – gut 6.000 davon (und insbesondere der Schwerlastverkehr) sollen künftig über die neue Trasse westlich um Nöttingen herum rollen.

Bisher geht es in der Nöttinger Ortsdurchfahrt eng zu.
Bisher geht es in der Nöttinger Ortsdurchfahrt eng zu. Foto: ArZachmann

Schon in den 1990ern forderten die Anwohner eine Umgehung, erste Pläne diskutierte der Gemeinderat 2003 und konkretisierte sie 2010. Nach langen Verhandlungen erfolgte der Bau der ersten Abschnitte zeitgleich zum Autobahnausbau.

Im März 2021 startete der dritte Abschnitt. Alleine dafür bewegten die Baumaschinen 41.000 Kubikmeter Erde, da die Trasse von der Lailingstraße her kommend in einer bis zu sechs Meter tiefen Schneise im Gelände liegt, wie Planer Michael Bauch verdeutlicht.

Lärmschutz: Erdwälle, Schutzmauer und Flüsterasphalt

Die dadurch entstandene Entschärfung für den Verkehr hat einen positiven Nebeneffekt: Erdwälle sorgen Bauamtsleiter Markus Becker zufolge gleichzeitig für den Lärmschutz, den die Gemeinde über die Vorgaben hinaus durch bis zu zweieinhalb Meter hohe, hochabsorbierende Lärmschutzwände sowie einen lärmmindernden Asphalt gewährleistet. Für Fußgänger und Radfahrer gibt es vier markierte Querungshilfen.

Neben der Anbindung des Striesterwegs führt eine Zufahrt bereits in das als Bauerwartungsland ausgewiesene Gelände zwischen Ortsrand und der neuen Straße. Ob, wann und in welchem Umfang es zur Bebauung kommt, obliegt dem neuen Flächennutzungsplan.

Trotz der zuletzt in der Branche schwierigen Umstände sind wir im Kostenrahmen geblieben.
Michael Bauch, Planer

„Trotz der zuletzt in der Branche schwierigen Umstände sind wir im Kostenrahmen geblieben“, freut sich Michael Bauch. Die Baukosten des dritten Abschnitts betragen vorläufig rund 2,25 Millionen Euro, hinzu kommt die gut 2.500 Tonnen schwere Auerbachbrücke für 1,25 Millionen Euro und Lärmminderungen für rund 300.000 Euro. Inklusive der ersten Abschnitte und Planungsleistungen betragen die vorläufigen Gesamtkosten rund zehn Millionen Euro, von denen das Land Baden-Württemberg etwa die Hälfte bezuschussen werde, wie es heißt.

Straßenbau löste Diskussionen aus – stirbt der Ortskern ohne den Verkehr?

Prominenten Besuch bekam die Baustelle im Februar von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne), der sich ein Bild von der eingesetzten Digitalisierung machte – ein landesweites Pilotprojekt.

Doch nicht immer lief der Straßenbau so glatt: 2017 legte eine Petition der IG „Alternativen zur Ortsumfahrung“ das Projekt lahm, indem der Landtagsbeschluss anderthalb Jahre auf sich warten ließ. Ein weiteres Jahr zog wegen Erschwernissen beim Flächenerwerb ins Land. Kritiker bemängelten immer wieder den hohen Flächenverbrauch zu Lasten von Landwirtschaft und Naturschutz, eine Verlagerung des Lärm-Problems zu anderen Wohngebieten, aber auch vollends das Aussterben der Läden.

Baustellenfortschritt 2021.
Baustellenfortschritt 2021. Foto: Archiv Julian Zachmann

„Wo Verkehr ist, ist auch Geschäft – und wo nicht, da nicht“, erinnert Gemeinderat Felix Casper an die Befürchtung eines der verbleibenden Ortshändler. Casper selbst hat lange für die Petition der IG gekämpft – die Ablehnung des Landtags aber anerkannt: „Wir gehen konstruktiv damit um, freuen uns über den nachgelegten Lärmschutz und warten ab, was die Straße bringt oder auch nicht.“

Wir leben einfach auf dem Beschleunigungsstreifen und hoffen, dass es jetzt endlich ruhiger wird.
Heike Ratz, Anwohnerin

Auch Anwohnerin Heike Ratz bedauere zwar den Fläschenverbrauch: „Aber es gab einfach keine andere Lösung.“ Selbst ans Tempo 30 halte sich im Ort kaum jemand, findet sie – weder Schilder, Kontrollen noch die selbstgeschnitzten 30er-Kürbisse vor ihrer Haustür würden da helfen: „Wir leben einfach auf dem Beschleunigungsstreifen und hoffen, dass es jetzt endlich ruhiger und vor allem weniger brenzlig für die Kinder wird.“

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