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Rüge für die Kreisverwaltung

Enzkreis-Landrat räumt Fehler bei Buslinien-Vergabe ein

Ist es das letzte Kapitel in der langen Geschichte um die geplatzte Ausschreibung und die verpatzte Buslinien-Vergabe im westlichen Enzkreis? Ein Ausschuss hat im Frühjahr Akten gewälzt, um herauszufinden, was bei der Vergabe der Buslinien in Birkenfeld, Straubenhardt und Neuenbürg 2020 schief gelaufen ist. Das Ergebnis stellten sie am Mittwochnachmittag im Kreistag vor.

Tausende Seiten gelesen: Der Akteneinsichtsausschuss hat über 400 Stunden investiert, um herauszufinden, warum die Vergabe der Buslinien im westlichen Enzkreis schiefgelaufen sind. Von links: Steffen Bochinger, Helge Viehweg, Erik Schweickert, Joachim Wildenmann und Christoph Wichardt. Auf dem Bild fehlt Günter Bächle.
Tausende Seiten gelesen: Der Akteneinsichtsausschuss hat über 400 Stunden investiert, um herauszufinden, warum die Vergabe der Buslinien im westlichen Enzkreis schiefgelaufen sind. Von links: Steffen Bochinger, Helge Viehweg, Erik Schweickert, Joachim Wildenmann und Christoph Wichardt. Auf dem Bild fehlt Günter Bächle. Foto: Torsten Ochs

Angefangen hatte alles damit, dass Müller Reisen aus Birkenfeld die Buslinien in Neuenbürg, Straubenhardt und Birkenfeld aus wirtschaftlichen Gründen abgab. Anschließend übernahmen die Firmen Richard Eberhardt und RVS Regionalbusverkehr Südwest im März 2020 die Linien.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe urteilte im November, das Vergabeverfahren sei nicht ordnungsgemäß ausgeführt worden, weil mindestens drei Bewerber gefragt werden müssen. Müller Reisen war nicht gefragt worden, hatte sich übergangen gefühlt, geklagt und Recht erhalten. Die Aufgabenträger, also Enzkreis, Calw und Pforzheim, legten beim Oberlandesgericht Beschwerde ein. Das Gericht wies die Beschwerde jedoch ab.

Nach einer Notvergabe im Dezember betrieben Eberhardt und RVS die Linien bis 31. Januar 2021. Die erneute Ausschreibung, bei der es um den Betrieb der Linien bis Ende 2022 ging, platzte am 13. Januar wegen eines Formfehlers: Die vom Enzkreis beauftragte Anwaltskanzlei hatte die Ausschreibungsfrist um 13 Stunden falsch berechnet. Die Ausschreibung musste wiederholt werden. Den Zuschlag erhielten schließlich Eberhardt und die Firma Omnibusverkehr Engel aus Mühlacker.

Ausschuss stellt „problematisches Verhalten“ fest

Der Akteneinsichtsausschuss, der sich gegründet hat, um festzustellen, was bei der Linien-Vergabe schief gelaufen ist, stellte bei der Studie der Akten fest, dass das Verhalten aller am Verfahren Beteiligter, also Enzkreis, Calw, Pforzheim und VPE, gegenüber der Firma Müller „problematisch“ war.

Die beauftragte Rechtsanwaltskanzlei habe darauf hingewiesen, dass es wirtschaftliche Probleme geben könne, wenn Müller berücksichtigt werde. Das Landratsamt habe daraufhin den Schluss gezogen, dass das Unternehmen nicht an der Vergabe beteiligt werden dürfe. Auch Pforzheim und Calw hätten sich früh gegen die Beteiligung von Müller ausgesprochen. Außerdem sei die Dokumentation mangelhaft gewesen und der Kreistag vom Landratsamt über viele wichtige Umstände nicht informiert worden.

Ich bedaure es sehr.
Bastian Rosenau, Landrat

Landrat Bastian Rosenau räumte in seiner persönlichen Erklärung Fehler ein, und entschuldigte sich beim Kreisrat. „Ich bedaure es sehr“, sagte der Kreischef. Die Kritik nehme er sehr ernst. Er schlug vor, eine zentrale Vergabestelle beim Landratsamt einzurichten.

Grüne beklagen schwerwiegende Gesetzesverstöße

Deutliche Worte fanden in ihren Reden auch die Mitglieder des Akteneinsichtsausschusses: Kreisrat Erik Schweickert (FDP) würdigte die Unterstützung und den Aufklärungswillen der Verwaltungsspitze. Beim Lesen der Akten habe er schlucken müssen wegen der Wortwahl mancher beteiligter Verwaltungsmitarbeiter und Äußerungen über Busunternehmen. Joachim Wildenmann (Grüne) betonte, es seien schwerwiegende Gesetzesverstöße begangen und Firma Müller bewusst ausgeschlossen worden. Durch rechtswidrige Handlungen sei ein Schaden in siebenstelliger Höhe für den Steuerzahler entstanden.

Es gehe nicht darum, Recht zu haben und nichtöffentliches öffentlich zu machen, sondern um Kritik und gemeinsam nach vorne zu schauen, sagte Helge Viehweg (SPD).

Einen Schaden in siebenstelliger Höhe bezweifelte Christoph Wichardt (AfD). Es sei aber ganz sicher ein Schaden im Vertrauen zwischen Kreistag und Verwaltung entstanden. Dieses sprach Werner Henle (Freie Wähler) der Verwaltung aus. Er lobte die „uneingeschränkte Kooperation“.

Die Beziehung zwischen Kreistag und Verwaltung sei nicht belastet und es liege keine Dienstaufsichtsverletzung vor. Regressansprüche seien keine möglich. Günter Bächle (CDU) wunderte sich, dass der Ausschuss für Akteneinsicht der Stadt Pforzheim so „sang- und klanglos endete“, schließlich sei auch die Stadt an der Vergabe beteiligt gewesen.

Kreisverwaltung wegen unwahrer Angaben gerügt

Der Ausschuss regte zwei Dinge an: Die Kreisverwaltung wird dafür gerügt, dass sie unwahre Angaben vor der Eilentscheidung zur Anrufung des Oberlandesgerichts gemacht und dem Kreistag Informationen vorenthalten habe. Außerdem soll sie die Folgekosten nach der Anrufung des Oberlandesgerichts nach der Entscheidung der Vergabekammer ermitteln und prüfen, ob sich der Enzkreis seine Kosten im Rahmen der Amtshaftung ersetzen lassen kann. Der Kreistag stimmte den beiden Punkten mehrheitlich zu. Die Freien Wähler stimmten dagegen.

Die von Landrat Rosenau eingebrachte Anregung, für Themen des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) ein Gremium zu bilden, wurde auf Antrag von Erik Schweickert zurückgestellt, nachdem es einige Kreisräte für unnötig hielten, ein weiteres Gremium zu bilden.

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