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Viele Bürger haben Erklärungsbedarf

Überall gepunktete Insekten: Gibt es eine Marienkäferplage im Enzkreis?

Derzeit fallen vor allem an Hauswänden oder auf Fensterscheiben immer wieder größere Ansammlungen von Marienkäfern auf. Ist es da angemessen, von einer Plage zu sprechen? Eher nicht, finden zwei Experten. Die Sache sei eigentlich ganz normal.

Asiatische Marienkäfer suchen Schutz vor Winter in Gartenhütte
Asiatische Marienkäfer suchen Schutz vor Winter in Gartenhütte. Gibt es in der Region eine regelrechte Plage? Foto: Franz Lechner

Manche Plagen sind nicht neu. „Marienkäfer haben sich schon immer in den Herbstmonaten in großen Mengen an geschützten Stellen versammelt, um dort gemeinsam den Winter zu überleben“ erklärt der Geschäftsführer des Landschaftserhaltungsverbandes Enzkreis, Thomas Köberle.

Der Biologe wundert sich, dass es neuerdings immer mehr Menschen zu geben scheint, die selbst die kleinen Glücksbringer als Plage empfinden. „Marienkäfer sind doch Nützlinge für uns Menschen“, mahnt Köberle zu mehr Verständnis für die kleinen Käfern. Allerdings scheinen die Marienkäferversammlungen in diesem Herbst rund um Mühlacker und im gesamten Enzkreis tatsächlich größer zu sein als in anderen Jahren.

Ein Sommer voller Blattläuse

„Wir hatten ungewöhnlich viele Blattläuse in diesem Sommer und das ist ja die Lieblingsspeise der meisten Marienkäferarten“, nennt Frank Hemsing, Landschaftsökologe in der Unteren Naturschutzbehörde des Enzkreis- Landratsamtes einen Grund für die großen Marienkäferansammlungen.

Der amtliche Naturschützer, der wie sein Kollege Köberle in Mühlacker wohnt, hat selbst kürzlich so eine Massenansammlung gesehen. „In einem Winzerhäuschen in den Weinbergen von Sternenfels-Diefenbach saßen hunderte Tiere dicht zu einem bunten Haufen versammelt an der Wand“, erzählt Hemsing.

Asiatischer Marienkäfer auf Jagd nach Blattläusen
Asiatischer Marienkäfer auf Jagd nach Blattläusen Foto: Franz Lechner

Solche großen Ansammlungen sind es dann auch die viele Enzkreis-Bewohner zum Telefon greifen lassen, um bei ihm anzurufen. „Die meisten Anrufer wollen aber einfach nur eine Erklärung für die ungewöhnlich viele Marienkäfer, die sich plötzlich an ihren Hauswänden oder in ihren Garagen oder Gartenschuppen versammeln“, berichtet Hemsing und ergänzt „nach meinen Beobachtungen handelt es sich bei solchen Massenansammlungen zwar nicht immer aber doch sehr oft um den Asiatischen Marienkäfer“.

Und damit um eine Art, die wie ihr Name schon vermuten lässt, ursprünglich nicht in Europa zu Hause war, sondern die als biologische Waffe gegen Blattläuse von Gärtnern und Winzern nach Europa eingeführt wurden. „Der asiatische Marienkäfer vertilgt fünfmal so viele Blattläuse und er produziert deutlich mehr Nachwuchs wie unsere heimischen Arten“, erklären Hemsing und Köberle, warum der wegen seiner Farbenvielfalt auch Harlekinkäfer genannte Asiatische Marienkäfer schon seit Jahrzehnten weltweit im Kampf gegen Schädlinge eingesetzt wird.

Irgendwann ein Gleichgewicht unter Marienkäfern?

Aber wie so häufig, wenn der Mensch in die Natur eingreift ist der vielfarbige Käfer inzwischen selbst zu einem Problem geworden. „Er frisst nämlich nicht nur Blattläuse, sondern auch die Larven seiner heimischen Vettern“, weiss Thomas Köberle. Das gilt zwar auch umgekehrt aber da der Asiatische Marienkäfer bei idealen Bedingungen bis zu vier oder fünf Generationen im Jahr produziert und die heimischen Arten meist nur eine Generationen sind Zwei-,Sieben- Sechzehnpunkt- und die vielen anderen heimischen Marienkäferarten in diesem Verdrängungswettkampf eindeutig benachteiligt.

Manche der etwa 50 verschiedenen heimischen Marienkäferarten gelten zwar jetzt schon als stark gefährdet, aber ob bzw. wie stark ihr asiatischer Verwandter Schuld ist an ihrem Rückgang, ist derzeit noch nicht eindeutig geklärt. Ähnlich unklar ist derzeit auch noch ob die heimische Vogelwelt die Ausbreitung des Harlekinkäfers stoppen kann.

Wie viele Marienkäferarten gibt er nämlich bei Gefahr ein Sekret ab, das ihn für viele Tiere ungeniesbar macht. Dennoch wurden zumindest schon Spatzen beim Vertilgen der Käfer beobachtet. Und so hoffen Frank Hemsing und Thomas Köberle wie viele andere Naturschützer, dass sich irgendwann ein Gleichgewicht zwischen den heimischen Marienkäfern und ihrem asiatischen Verwandten einstellt. „Es wäre sehr schade, wenn es unsere Glücksboten bald nur noch als Schokoladekäfer gäbe“, meint Thomas Köberle.

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