Bechsteinfledermaus, Großes Mausohr und Artgenossen gelten als Glücksbringer. Läge das Pforzheimer Ochsenwäldle in China, das Stückchen Erde am Autobahnanschluss Süd hätte ihretwegen das Zeug zur Anbetungsstätte. Acht Arten der nachtaktiven Flieger sind dort heimisch. Das ist in Pforzheimer Gefilden zwar nicht glücksverheißend, bringt aber naturschutzrechtlich eine große Verbotszone, die nicht so leicht auszuhebeln ist. Damit ist höchst fraglich, ob an der Stelle je Gewerbe angesiedelt werden kann.
Der Gemeinderat wusste das, als er das Ochsenwäldle am 24. November mit großer Mehrheit in die Planung schickte und sich damit von der Idee verabschiedete, auf eine etwas kleinere Fläche im naturschutzrechtlich noch problematischeren Klapfenhardt zu setzen.
Jetzt liegt es am Leiter des Vermessungsamts, Joachim Müller, einen fledermausverträglichen Weg zu den angedachten Gewerbeflächen dort frei zu machen. Es habe schon ein erstes Gespräch mit dem Regierungspräsidium geben. In zwei bis drei Jahren sollte geklärt sein, ob Pforzheim auf das Ochsenwäldle bauen kann.
Den Plan B gibt es nicht
Es geht um 56 Hektar. Das sind knapp zwei Drittel der 90 Hektar, die die Stadt laut Wirtschaftsförderer Markus Epple bis zum Jahr 2030 für die Ansiedlung und Umsiedlung von Unternehmen braucht. Einen Plan B zum Ochsenwäldle sieht Müller nicht, auch wenn er jetzt erneut alle alternativen Flächen in Pforzheim bewerten muss.
Die Analyse liegt seit 2012 vor und wurde 2019 vor dem Hintergrund der Ochsenwäldle-Klapfenhadt-Diskussion überarbeitet. Raumordnerisch wurde „der Nachweis, dass es keine Alternative gibt zum Ochsenwäldle“ anerkannt, sagt Müller. Für die naturschutzrechtliche Bewertung brauche es jetzt allerdings eine weitere „vertiefte Betrachtung“.
Kampf ums Trinkwasser in Niefern-Öschelbronn
Wenige Kilometer nördlich vom Ochsenwäldle bei der Bundesstraße 10 und dem Autobahnanschluss Ost brettert der Verkehr an Ackerflächen vorbei. Auch sie sollen zu Bauland werden. Die Gemeinde Niefern-Öschelbronn hat bereits den Bebauungsplan aufgestellt. Gut zehn Hektar sind im ersten Schritt als Gewerbeflächen geplant.
Sie bringen netto fünf von den zehn Hektar Gewerbeflächen, die die Kommune bis 2030 als notwendig erwartet, rechnet Bürgermeisterin Birgit Förster vor. Im dreiteiligen Endausbau sollen auf dem Gebiet Reisersweg rund 28 Hektar zur Verfügung stehen. Die Genehmigung könnte allerdings zur Durststrecke werden. Pforzheims bedeutendste Trinkwasserbrunnen liegen unter dem Areal. Die Stadtwerke setzen deshalb bislang alle Hebel in Bewegung, sie zu schützen.
Keine Gespräche mit der Nachbargemeinde
Die Konflikte haben Potenzial – nicht nur, weil die Stadtwerke wie bei der Autobahn wieder manches für den Trinkwasserschutz herausschlagen könnten. Das zeigte sich lange bevor sich Bürgermeisterin Förster mit „Anwälten torpediert“ sah. So führte die Karte Trinkwasserschutz in Kombination mit dem Ochsenwäldle bereits 2013 zu Gesprächen über ein Interkommunales Gewerbegebiet. Von den damals geplanten 65 Hektar habe Pforzheim mit Niefern-Öschelbronn über Anteilig 15 bis 20 Hektar gesprochen, entnimmt die Rathauschefin den Akten. 2016 seien daraus dann zehn bis 15 Hektar geworden.
Schwund auf ganzer Linie musste die Pforzheimer Nachbargemeinde und das ebenfalls beteiligte Wurmberg verbuchen, als Pforzheims Oberbürgermeister Peter Boch Ende 2017 Klapfenhardt statt Ochsenwälde als Gewerbegebiet präsentierte. Von der Kehrtwende zurück zum Ochsenwäldle „wissen wir aus der Presse“, sagt Förster. Sie hätte sich „gewünscht, dass sich alle Gremien vor Ort austauschen“. Aber in den viereinhalb Jahren ihrer Amtszeit sei die Option interkommunales Gewerbegebiet zu keiner Zeit ein Thema gewesen.
Gewerbeparks im Nordschwarzwald
Das kann sich ändern. „Über interkommunale Gewerbegebiete muss man sprechen“, sagt Wirtschaftsförderer Epple. Er meint damit nicht nur Flächen an den Stadtgrenzen. Epple blickt auf den gesamten Nordschwarzwald. Auch Flächen in Mittelzentren könnten für Pforzheim eine Option sein, bis hin zu einem über Betreibergesellschaften geführten Gewerbepark, in dem sich aktiv ein „Ansiedlungscluster“ ansteuern lasse – also die Nachbarschaft von ähnlich ausgerichteten Unternehmen mit vergleichbaren Anforderungen.
„Kommunen mit solchen Anliegen rennen bei mir offene Türen ein“, sagt Regionalverbandschef Matthias Proske. Wenn schon zugebaut werde, dann solle das zumindest nicht in Konkurrenz zueinander geschehen. Grundstücke dafür seien auch zu finden, aber vielleicht nicht direkt an der Autobahn. Seit der 2012 vorgelegten Gewerbeflächenstudie „Zwischen Mangel und Überfluss“ habe sich hier nicht viel geändert.
Unmittelbar geholfen ist Pforzheim mit derartigen Ausblicken nicht, zumal die 30 Hektar Gewerbegebiet, die gerade im Gebiet „Südlich des Hohbergs“ entstehen, weitgehend verplant sind. „Wir würden uns das nicht antun mit dem Ochsenwäldle, wenn es eine Alternative gäbe“, sagt Müller. Er ist zuversichtlich, dass er zumindest in diesem Punkt Einigkeit mit der Naturschutzbehörde im Regierungspräsidium erzielt.
Bei den geforderten Flächen zur Sicherung der Populationen von den acht Fledermausarten dort, wird es schon schwieriger für Pforzheim. Müller spricht gerade mit Umweltbüros, die die Aufgabe übernehmen sollen. Erst wenn sie fertig sind und im Regierungspräsidium überzeugen, „wissen wir, ob es mit dem Ochsenwäldle geht oder nicht“.
Als Voraussetzung für eine Umwandlung müssen sich allerdings auch die Besitzverhältnisse ändern. Landtagsabgeordnete Stefanie Seemann von den Grünen appelliert hier in einem offenen Brief an das ökologische Gewissen von Landwirtschaftsminister Peter Hauk und warnt vor einem „irreparablen Verlust.“