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Stilles Gedenken

Gedenken an die Pforzheimer Juden im Internet

Vor 80 Jahren wurden fast 200 Juden aus Pforzheim ins französische Gurs verschleppt. Für die meisten ging es von dort weiter ins Vernichtungslager. Die Gedenkveranstaltung in Pforzheim wurde wegen Corona größtenteils ins Internet verlegt.

Am Gedenkstein für die nach Gurs deportierten Juden am Hauptgüterbahnhof legen Kulturamtsleiterin Angelika Drescher (links), die Leiterin des Stadtarchivs Klara Deecke und Büchenbronns Ortsvorsteher Bernhard Schuler
einen Kranz im Namen von Gemeinderat, OB und der jüdischen Gemeinde nieder.
Am Gedenkstein für die nach Gurs deportierten Juden am Hauptgüterbahnhof legen Kulturamtsleiterin Angelika Drescher (links), die Leiterin des Stadtarchivs Klara Deecke und Büchenbronns Ortsvorsteher Bernhard Schuler einen Kranz im Namen von Gemeinderat, OB und der jüdischen Gemeinde nieder. Die Gedenkfeier selbst wurde in den virtuellen Raum verlegt. Foto: Jürgen Peche

In diesem Jahr, am 22. Oktober, jährte sich das Schicksal der nach Gurs deportierten badischen Juden zum 80. Mal. 5.400 badische Juden wurden 1940 von den Nationalsozialisten in das französische Internierungslager Gurs verschleppt. 195 von ihnen kamen aus Pforzheim. Die meisten Deportierten wurden von Gurs aus in die Vernichtungslager im Osten und damit in den Tod geschickt. Viel zu wenige überlebten und konnten sich in die Emigration retten.

Als Zeichen des stillen Gedenkens legten Kulturamtsleiterin Angelika Drescher und Stadtarchivleiterin Klara Deecke am Donnerstagmittag einen Trauerkranz am Gedenkstein am ehemaligen Hauptgüterbahnhof im Namen der Jüdischen Gemeinde und der Stadt Pforzheim nieder. Die offizielle Gedenkveranstaltung am Gedenkstein wurde pandemiebedingt abgesagt und in den virtuellen Raum verlegt.

Das sind wir den Opfern von damals schuldig, das sind wir auch uns selbst und unseren demokratischen Werten schuldig.
Peter Boch, Oberbürgermeister

In seiner Rede dort begründete Oberbürgermeister Peter Boch die Verlegung mit der „Verantwortung für das Wohl aller“, und der Notwendigkeit, dennoch „ein Zeichen gegen Hass und Gewalt zu setzen“. Vor genau 80 Jahren sei in Pforzheim unfassbares Unrecht geschehen. „Wir wollen an dieses Unrecht erinnern und gemeinsam der Opfer gedenken.“

Den jüdischen Pforzheimern wurden am frühen Vormittag dieses 22. Oktober befohlen, sich für den Abtransport fertig zu machen. Bewaffnete Polizisten zwangen sie in aller Öffentlichkeit zur Sammelstelle am Hauptgüterbahnhof. Menschen, die Teil der Stadtgesellschaft waren. Ihre Heimat wurde unter dem nationalsozialistischen Unrechtsstaat zunehmend feindlich. Als die jüdischen Nachbarn ersten Anfeindungen und Demütigungen ausgesetzt waren, schwiegen die meisten, und auch als das Unrecht immer deutlicher hervortrat und immer brutaler wurde, sahen die allermeisten weg.

„Was hätten wir getan?“, fragt Boch. „Eine Antwort können wir nicht geben, aber die Frage sollten wir uns stellen“. Denn Hass und Ausgrenzung gebe es auch in unserer Gesellschaft. „Wir wollen die Erinnerung an diese Ungerechtigkeit, das Leid und die entsetzlichen Taten wachhalten. Das sind wir den Opfern von damals schuldig, das sind wir auch uns selbst und unseren demokratischen Werten schuldig“, so der OB.

„Wir wollen die Erinnerung wachhalten als Mahnung für die Gegenwart. Wir wollen nicht schweigen, wenn Mitglieder unserer Gesellschaft angefeindet, beleidigt, bedroht oder sogar angegriffen werden. Jede einzelne antisemitische Tat ist ein Angriff auf uns alle, auf unsere Werte, auf die Menschlichkeit, unsere freiheitlich-demokratische Verfassung. Das wollen wir nicht schweigend hinnehmen, sondern dem Entgegentreten und gemeinsam ein Zeichen gegen Hass und Ausgrenzung setzen. Wir müssen unsere friedliche, von Respekt und Toleranz geprägte Gesellschaft in ihrer Vielfalt entschlossen verteidigen.“

Das sei mühsam, anstrengend, das scheine dem Einzelnen manchmal nicht möglich zu sein. „Aber es geht, auch dem größten Unrecht kann man etwas entgegensetzen. Das lehren die mutigen Menschen, die vor 80 Jahren ihren Blick nicht von Gurs und den dort internierten Menschen abwendeten, sondern die halfen, die Lebensmittel brachten, Kinder versteckten und so retteten, indem sie einigen die Flucht ermöglichten. Die Helfer taten das selbstlos, für Fremde, unter großer Gefahr für das eigene Leben. Auch an sie, an ihren Mut und ihre entschlossene Verteidigung der Menschlichkeit sollten wir uns erinnern. „Auch heute gilt es, Schwächere gegen Anfeindungen und Gewalt zu verteidigen“, sagte Boch.

Unter www.pforzheim.de/gedenkfeier-gurs sind die per Video aufgezeichnete komplette Rede von Oberbürgermeister Peter Boch sowie der Vortrag von Christina Klittich unter dem Titel „Bald sind wir wieder zusammen - Die Deportation der Pforzheimer Juden nach Gurs“ abrufbar.

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