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Kunstprojekt für Europa

Gegen das Vergessen: Gunter Demnig verlegt in Pforzheim 25 neue Stolpersteine

Ganze 368 Stolpersteine sind inzwischen in Pforzheim zu finden. Am Donnerstag hat der Kölner Künstler Gunter Demnig 25 neue Gedenktafeln aus Messing verlegt und nähert sich damit immer weiter seinem 100.000. Stolperstein an.

Verlegearbeiten
Friedensstraße 110: Gunter Demnig verlegt zwei Stolpersteine. In der Villa lebten Julius und Martha Moser. Foto: Jürgen Peche

Der Kölner Künstler Gunter Demnig war wieder in Pforzheim und hat dieses Mal 25 Stolpersteine verlegt. Mit dem Projekt wollen Demnig und die Löbliche Singergesellschaft an die Verfolgung und Ermordung der Juden, der Sinti und Roma, politisch Verfolgter, der Homosexuellen, der Zeugen Jehovas und der Euthanasieopfer während der nationalsozialistischen Diktatur erinnern.

Stolpersteine werden am zuletzt frei gewählten Wohnort eingelassen

Mit den am Donnerstag neu verlegten Stolpersteinen sind jetzt insgesamt 368 solcher Gedenksteine in Pforzheim zu finden. Diese Gedenktafeln aus Messing tragen den Namen der Opfer und ihre Lebensdaten. Sie werden vor dem zuletzt frei gewählten Wohnort der Betroffenen auf dem Gehweg eingelassen.

Demnig kann mit seinem „Kunstprojekt für Europa“ bald eine Rekordmarke verzeichnen: Wie Hans Mann, der mit seiner privaten „Initiative Stolpersteine“ das Projekt in Pforzheim vorantreibt, beim Startschuss in der Friedenstraße verkündete, wird Demnig etwa Ende April bis Anfang Mai seinen 100.000. Stolperstein verlegen.

Gedenktafeln für Julius und Martha Moser

Die Friedenstraße 110 ist eine bekannte Adresse: In der Villa lebte der am 18. Juli 1882 in Pforzheim geborene Julius Moser, zusammen mit seiner Ehefrau Martha, geborene Schreiner. Im Jahr 1899 verließ er die Jüdische Gemeinde und trat der Evangelischen Kirche bei. Nach dem Abitur an der Oberreal-Schule in Pforzheim studierte er Bauingenieurwesen mit Diplom-Abschluss. Dann nahm er am Ersten Weltkrieg als Artillerieoffizier teil.

Nach der Rückkehr aus dem Krieg übernahm er das väterliche Herrenbekleidungsgeschäft Moser. Er war auch Mitinhaber der Schmuckwarenfirma Fritz Link & Co. Er wurde zur Geschäftsaufgabe gezwungen und musste zur Zwangsarbeit bei der Rüstungsindustrie in der Papierfabrik Dillweißenstein. Am 17. Februar 1945 wurde er mit Transport XIII/6 in das Lager Theresienstadt deportiert. Offensichtlich im gleichen Transport wie sein Bruder Emil.

Julius Moser überlebt den Krieg und wird Ehrenbürger der Stadt

Das Lager wurde Anfang Mai 1945 von der Roten Armee befreit. Julius Moser kam am 17. Juni 1945 zurück nach Pforzheim. 1946 wurde er von der Militärregierung als Präsident der Industrie- und Handelskammer eingesetzt, und er machte sich um den Wiederaufbau des Industriehauses und der Ständigen Musterausstellung verdient.

Von 1948 bis 1959 war Julius Moser Mitglied des Gemeinderats Pforzheim. Zu seinem 80. Geburtstag 1962 wurde er Ehrenbürger der Stadt und erhielt das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland. Julius Moser starb am 12. Februar 1970 in Pforzheim. Die Ehe blieb kinderlos, er hatte aber später einen Adoptivsohn. Martha Moser starb im Jahr 1955.

Rotary Club Pforzheim und Schüler des Hilda-Gymnasiums übernehmen Patenschaft

Für Moser und seine Frau wurden zwei Stolpersteine verlegt, deren Patenschaft der Rotary Club Pforzheim übernommen hat – wie bei sechs anderen Stolpersteinen. Zu den weiteren Paten gehören auch Schüler und Schülerinnen des Hilda-Gymnasiums. Zusammen mit ihrem Geschichtslehrer Martin Rühl sind sie an dem schon länger andauernden Projekt „Geschichte aktiv: Spurensuche“ beteiligt.

Es geht um die Erforschung der Stadtgeschichte zur Nazizeit, die Projekt-Teilnehmer suchen im Stadtarchiv, der Landesbibliothek, im Internet und anderswo nach Spuren von früheren Pforzheimer Bürgern, die damals verfolgt wurden. Etwa Rosalie Lilli Braun, deren Stolperstein in der Güterstraße 5 von den Schülern Devin Geiselhart, Julian Pfrommer, Julian Oppermann, Lotta Hamberger, Klarissa Zechiel, Maren Hofmann, Sina von Drachenfels und Sabine Bücheler als Paten betreut wird.

Ehemalige Schülerin der Hilda-Schule erhält ebenfalls einen Stolperstein

Rosalie Lilli Braun wurde am 1. Mai 1925 in Pforzheim geboren. Sie war Jüdin und Tochter von Philipp und Martha Braun, Schwester von Edgar. Sie besuchte die Hilda-Schule, musste aber von 1936 bis 1938 an das Schul-Ghetto an der Osterfeld-Schule (Hindenburg-Schule). Am 22. Oktober 1940 wurde sie nach Gurs deportiert.

Sie konnte aus dem Lager befreit werden und lebte einige Zeit versteckt in Frankreich. Nachdem sie unverdächtige Papiere erhalten hatte, konnte sie über England in die USA fliehen. Sie lebte dort verheiratet als Lilly Fayans und starb am 7. Februar 2007. Für Philipp, Martha und Edgar Braun wurden ebenfalls Stolpersteine verlegt.

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