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Wandel in der Fleischindustrie

Geplanter Wegfall von Werkverträgen beunruhigt Müller-Fleisch nicht

Müller-Fleisch in Birkenfeld reagiert gelassen auf den geplanten Wegfall von Werkverträgen. Das Unternehmen signalisiert, dass es mit den neuen Regeln leben kann.

ALLEIN DIE GRÖSSE macht Müller-Fleisch zu einem systemrelevanten Unternehmen. Produkte aus Birkenfeld kommen in Deutschland auf die Teller.
ALLEIN DIE GRÖSSE macht Müller-Fleisch zu einem systemrelevanten Unternehmen. Produkte aus Birkenfeld kommen in Deutschland auf die Teller. Foto: Björn Fix

Schluss mit Werkverträgen und Leiharbeit: Wenn der vom Bundeskabinett beschlossene Gesetzentwurf durchgeht, verliert Müller-Fleisch in Birkenfeld zum 1. Januar allein am Unternehmenssitz rund 800 Mitarbeiter. In der ganzen Gruppe sind es 1.400. Sie alle kommen bislang über Werkvertragsfirmen in die Schlachterei oder die Fleischverarbeitung.

Den Lohn für ihren Knochenjob zahlen Arbeitgeber aus, die in der Regel vom Wohnen bis zur Anmeldung alles besorgen für ihre Landsleute und sich dies auch vergüten lassen.

Wenn der Bundestag dem Kabinettsbeschluss folgt, wird es diese für alle beteiligten Unternehmen lukrative Konstruktion nicht mehr geben. Und das soll schnell gehen, findet Pforzheims Bundestagsabgeordnete Katja Mast. Die SPD-Politikerin hat erheblichen Anteil daran, dass mit dem Entwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil dem Geschäftsmodell der Fleischindustrie jetzt wohl ein Riegel vorgeschoben werden wird, und spricht denn auch von einem „riesigen Schritt auf dem Weg hin zu notwendigen Veränderungen in den Fleischfabriken”.

Drohen Müller-Fleisch Personal-Engpässe?

Müller-Fleisch ist darauf eingestellt. Es würden derzeit verschiedene Modelle entwickelt, aber solange es keine konkreten gesetzlichen Vorgaben gibt, könne nichts Konkretes dazu gesagt werden, schreibt die Geschäftsleitung auf Nachfrage.

Bereits reagiert habe man bei der Unterbringung der Werkvertragsmitarbeiter. Diese wohnen jetzt angetrieben durch den Pandemieplan des Landratsamtes gegen die massenhaften Corona-Infektionen in Einzelzimmern.

Künftiger Mitarbeitermangel scheint Müller-Fleisch keine Sorgen zur bereiten: „Die Beschäftigten in den Kernbereichen der Produktion arbeiten bei Müller-Fleisch größtenteils seit Jahren.” Daher stelle sich diese Frage nicht. Außerdem tausche man sich ständig mit den Dienstleistungsunternehmen aus und werde auch weiterhin mit diesen zusammenarbeiten.

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Fleischproduktion unter Corona-Bedingungen: Die Mitarbeiter von Müller-Fleisch müssen vor allem Sicherheitsabstand, Mund- und Nase-Schutz und verschärfte Hygienevorschriften einhalten. Foto: Edith Kopf

Dass auf diesem Wege ausbeuterische Arbeitsbeziehungen zum Beispiel über ein Anwerbeverfahren ins Ausland verlagert werden könnten, weist Müller-Fleisch mit dem Hinweis zurück, „die Dienstleister sind alle seriös”. Die Frage nach höheren Fleischpreisen durch veränderte Geschäftsbedingungen quittiert die Geschäftsleitung mit der Bemerkung, sie habe sich nie an dieser Diskussion beteiligt.

Verhalten reagiert Pforzheims Bundestagsabgeordneter der CDU, Gunther Krichbaum, auf die Gesetzesvorlage. Er rüffelt erneut Heils Arbeitstempo und teilt mit: „Wir brauchen eine Lösung, die den Beschäftigten in der Fleischindustrie wirklich hilft und dafür müssen auch Unterkünfte einbezogen werden.”

Ob dafür ein vollständiges Verbot der Werkverträge notwendig sei, würden die Beratungen zeigen. Landtagsabgeordnete Stefanie Seemann von den Grünen gibt dazu mit, Arbeitsschutz, Arbeitszeiten und Löhne müssten aus einer Hand geprüft werden und ein einheitlicher Standard dazu dürfe nicht erst 2026 kommen.

Hintergrund

Der Birkenfelder Fleischproduzent war der erste in Deutschland, dem Coronaviren zu schaffen machten. Fall eins wurde am 7. April festgestellt. In der Folge kam der Betrieb unter Quarantäne. Zu Spitzenzeiten waren mehr als 300 Mitarbeiter infiziert, insgesamt 416 Mitarbeiter. Seit 8. Juni übernahm das Unternehmen selbst die Kontrolle über das Infektionsgeschehen. Seitdem gab es laut Gesundheitsamt Pforzheim-Enzkreis rund 2.200 Tests pro Woche. Es wurden zwei Infizierte aus einer Familie entdeckt.

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