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Paare feiern erst 2021 wieder

Hochzeitsträume lassen Pforzheimer Wirte um die Existenz bangen

Wenn die erhebenden Momente in großer Gesellschaft, Tanzen, Singen – nicht selten mit Feiern bis zum Abwinken – wieder angesagt sind, könnte es sein, dass es die Lokale dafür nicht mehr gibt. Corona macht Wirten das Leben schwer.

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Auf Rosen gebettet: Zumindest die Hochzeit sollte dem entsprechen. Foto: dpa
Wenn die erhebenden Momente in großer Gesellschaft, Tanzen, Singen – nicht selten mit Feiern bis zum Abwinken – wieder angesagt sind, könnte es sein, dass es die Lokale dafür nicht mehr gibt. Dank Corona passen viele Entwürfe für die Hochzeit der Träume nicht zu den wirtschaftlichen Nöten der Gastronomie, die dem Ja-Wort großen Raum gibt.

Denn „wer verschiebt, geht ins nächste Jahr“, sagen Wirte, Ben Epple vom Brautmodengeschäft Glamourös und Eberhardt Auerbach-Fröhling von August Gerstner Trauringe. Das Paar ausgenommen, trifft das keinen so hart wie jene, die direkt für die Inszenierung des Zaubers arbeiten: Gastronomen, Musiker, Caterer und Eventspezialisten.

„Die Angst sitzt tief“, sagt zum Beispiel Bartolomeo Scareligno. Er betreibt seit zehn Jahren das Alte Kurhotel in Würm. Die Brautpaare, die bei ihm gebucht waren, gehen auf Nummer Sicher. „Niemand will mit 20 Personen und Masken heiraten und eine Feier haben, bei der man nicht tanzen kann.“ Entsprechend wird gestrichen und gestrichen im Terminkalender, wo bis Dezember an Wochenenden mindestens zwei Hochzeiten gebucht waren. Er wisse nicht, wie er damit umgehen soll, sagt Scareligno. „Die staatliche Hilfe reicht nicht einmal für die Betriebskosten.“

Es wird trotz Corona nicht so wenig geheiratet wie oft vermutet

Entspannter ist die Lage bei Theo Jost in der Ochsen Post in Tiefenbronn. Der Gastronom bedient jedes Festbedürfnis vom galanten Dinner zu zweit oder im kleinen Kreise bis zur Gesellschaft mit 90 Personen. Entsprechend gibt es auch jetzt das Paar, das es miteinander wagen will, an seinen Tischen. Denn tatsächlich wird gar nicht so wenig geheiratet in dieser von Einschränkungen und Sonderregeln bestimmten Zeit.

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Die Gültigkeit von Papieren bestimmt oft den Termin im Standesamt

Pforzheims Standesamtschefin Sibille Seemann bilanziert bis zu diesem Freitag 124 Eheschließungen. Damit liegt die Heiratsfreude statistisch gesehen eineinhalb Wochen hinter 2019. Damals war die Zahl bereits am 3. Juni erreicht worden. Riesige Einbrüche sehen anders aus. Das, so erläutert Seemann, hat aber nicht zwingend damit zu tun, dass die Leute auch feiern. Mancher Termin mit dem Standesamt muss gehalten werden, weil sonst Papiere verfallen, die Braut oder Bräutigam oder beide aus dem Heimatland beibringen müssen.

Das kirchliche Ja-Wort wird vielfach um ein Jahr verschoben

Hinzu kommt, dass die rechtliche Seite beim großen Ja-Sagen oft nicht die entscheidende ist. Für viele Paare markiert der kirchliche Segen den Tag der Tage. Und der wird dann groß gefeiert. Allein in der Friedensgemeinde, zu der mit Schlosskirche und Altstadtkirche zwei beliebte Heiratsorte gehören, ist das derzeit aber eher kein Thema. Die sechs Hochzeiten im Mai wurden komplett abgesagt, zwei der vier Paare im Juni und Juli setzen auf Herbst, die anderen beiden aufs nächste Jahr, ist bei Pfarrsekretärin Birgit MPele zu erfahren.

Festmuffel setzen auf Express-Hochzeiten

Große Feste sind üblich, aber nicht jedermanns Freude, bemerkt Eberhardt Auerbach-Fröhling von August Gerstner Trauringe. „Es heiraten ganz viele kurz entschlossen in der Krise“, interpretiert er angesichts von „extrem vielen Expressbestellungen“. Diese Ringe können dann 24 Stunden später alleine oder im ganz kleinen Kreise ohne großes Gedöns ausgetauscht werden. „Das gibt’s ab und an mal“, bestätigt Standesbeamtin Seemann. Dass es sozusagen im Schutze von Corona mehr wird, können sie jetzt aber nicht sagen.

Trauring-Hersteller haben schon wieder volle Auftragsbücher

Natürlich gab es auch bei Gerstner coronabedingt so gut wie nichts zu tun im April, „sonst einer umsatzstärksten Monate“. Aber erstens haben 30 Prozent der Heiratswilligen, die jetzt verschieben, ihre Ringe schon gekauft, entnimmt der Firmenchef einer hauseigenen Umfrage. Zum anderen seien die Bestellungen im Mai bereits wieder auf 90 Prozent und im Juni auf Vollauslastung gestiegen.

Coronaviren mit zersetzender Wirkung

„Manche Hochzeit ist komplett geplatzt“, beschreibt Brautmodenspezialist Ben Epple die emotionale Tragödie, die die Virengefahr bei nicht wenigen Brautpaaren auslöst. Denn natürlich litten nicht beide Partner gleichermaßen unter den Einschränkungen. Männer nähmen die Coronafolgen für ihr Hochzeitfest eher gelassen hin, Frauen, die sich ein Leben lang auf den großen Tag freuen, seien oft tief enttäuscht. Epple hat schon die neue Saison im Blick, während er die Maßschneiderei für manches bestellte Kleid erst einmal zurückstellen muss. Im September, wenn die neue Ware kommt, geht’s los.

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Für spezialisierte Wirte stellt sich die Existenzfrage

Für Leute wie Vito Federico bringt diese Aussicht wenig in der aktuellen Situation. Er plante vier Neueinstellungen für die vielen Hochzeiten, die in der Wedding-Ranch gebucht waren. Zu Jahresbeginn gab es dort im Juni keinen freien Termin für einen der drei Räume. Jetzt geht gar nichts. Und das wirkt sich auch im Goldenen Adler in der Innenstadt aus, wo die Küche ganz auf die Festsaison auf der Wilferdinger Höhe eingestellt ist. „Der Betrieb leidet“, sagt Federico. Er macht sich wenig Hoffnung für 2020: „Wer seine Hochzeitfeier verschiebt, der geht ins nächste Jahr.“

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