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Expertin für "Schwarzes Gold"

Im Caphe an der Enz serviert die Sommelière

Klassisch kommt er aus dem Weinfach, doch auch unter Bierliebhabern ist er inzwischen ein Begriff. Der Sommelier für Kaffee ist dagegen noch ein recht exotischer Zeitgenosse. Eine weibliche Vertreterin der Zunft leitet das Caphe an der Enz.

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Kaffee mit Herz: Thi Minh Dieu Nguyen will ihren Gästen ein besonderes Geschmackserlebnis bieten. Ihr kleines Café gilt inzwischen als Geheimtipp. Foto: Baier

Wie schnell ist man vorbeigelaufen und hat das kleine Café übersehen. Unauffällig schmiegt es sich mit seiner Glasfassade an der Ecke Deimlingstraße/Emma-Jaeger-Straße unweit des Parkhotels an das Enzufer. Doch bei Koffein-Junkies hat sich inzwischen herumgesprochen: Vorbeischauen lohnt sich, in dem kleinen Laden wartet großer Geschmack. Denn die Chefin, Thi Minh Dieu Nguyen, bereitet ihre Getränke nicht nur mit Leidenschaft, sondern auch mit einer gehörigen Portion Fachwissen zu.

Frau Nguyen, wie trinken Sie Ihren Kaffee am liebsten?

Nguyen: Ich mag besonders handgebrühten Filterkaffee. Schwarz, ohne Milch und Zucker – so kommt der Geschmack am besten heraus.

Kaffeesommeliers wie Sie selbst sind ja noch recht rar gesät. Wie kamen Sie dazu, dieses Zertifikat zu erwerben?

Nguyen: Ich bin seit ich 26 Jahre alt bin im Gastro-Bereich selbstständig, habe zum Beispiel das „Asia Gourmet“ am Pfälzer Platz geleitet. Etwa vor fünf Jahren habe ich dann angefangen, mich immer stärker für Kaffee zu interessieren. 2016 gab ich die Restaurants ab und habe mich ein Jahr intensiv „fortgebildet“, habe gelesen und bin gereist.

Konnten Sie den Kaffeesommelier hier in der Region machen?

Nguyen: Nein, leider nicht. Ich habe bei der IHK in Pforzheim und Calw nachgefragt, aber da kannte man den Kurs noch nicht. So bin ich dann letztlich für eine ganze Woche nach Hannover gefahren und habe abschließend dort die schriftliche und praktische Prüfung für das Zertifikat abgelegt.

Was gehört denn thematisch alles zur Ausbildung?

Nguyen: Man beschäftigt sich intensiv mit Botanik – man spricht ja beim Kaffee immer von der „Bohne“, aber eigentlich ist es eine Frucht. Je nachdem, wie diese gewaschen, getrocknet und gepult wird, um an den Kern heranzukommen, beeinflusst das ganz immens den Geschmack. Der Kurs beginnt also bei der Pflanze und den verschiedenen Kaffeesorten, geht über die Verarbeitung und Sensorik bis zum letzten Schritt, wo der Kaffee in der Tasse landet.

Der deutlich geläufigere Begriff im Bereich Kaffee-Experte ist für viele Menschen sicherlich der „Barista“. Was unterscheidet denn die beiden Qualifikationen?

Nguyen: Der Barista ist wie ein Barkeeper für Kaffee – das heißt, er beschäftigt sich mit der Zubereitung des Getränks, insbesondere Espresso und Cappuccino. Im Fall von Cappuccino dann auch mit der Milchschaumzubereitung und den beliebten Mustern im Schaum.

Kaffeesorten gibt es heute wie Sand am Meer. Hat es lange gedauert, bis Sie sich für das Caphe an der Enz die richtigen Sorten „erschmeckt“ hatten?

Nguyen: Ja, ich habe sehr viel ausprobiert. Aktuell bekommen wir unseren Kaffee von kleinen Bauern in Vietnam und Kolumbien, mit denen wir in engem Kontakt stehen. Viele haben Vietnam – von wo aus meine Eltern in den 70er-Jahren als Boatpeople nach Deutschland gekommen sind – nicht als Kaffeehochburg auf dem Schirm. Dabei ist es der zweitgrößte Kaffeeproduzent der Welt. „Caphe“ ist übrigens die vietnamesische Schreibweise für „Kaffee“. Der Geschmack, gerade beim Espresso, ist für manche unserer Gäste erst einmal ungewohnt, weil sie den starken, eher bitteren italienischen Espresso gewöhnt sind.

Auf welche Geschmacksnote zielen Sie denn ab?

Nguyen: Wir rösten unseren Kaffee in relativ kleinen Mengen selbst, und zwar als light roast, sodass keine oder kaum Bitterstoffe entstehen. So wird die Geschmacksnote eher fruchtig oder nussig. Wir wollen die süßeste Stelle der Röstung zu finden.

Wurde Ihr Konzept von „ungewöhnlichem Kaffee“ direkt gut angenommen?

Nguyen: Ich habe mein Café, in dem vorher ein Totto-Lotto-Laden war, im Mai 2017 angefangen zu sanieren, zum Jahresbeginn 2018 haben wir dann eröffnet. Inzwischen freuen wir uns über eine große Stammkundschaft, aber am Anfang haben viele mit dem Konzept gefremdelt. In Großstädten wie Berlin und Hamburg sind solche kleinen Läden, die außergewöhnliche Speisen oder Getränke anbieten, sehr verbreitet. Hier haben manche Passanten, vor allem die Älteren, erst einmal vorsichtig von außen geschaut ...

...und heute kann man froh sein, wenn man um die Mittagszeit einen Platz bei euch bekommt. Was läuft denn besonders gut?

Nguyen: Viele bestellen Cappuccino, auch unser selbstgebackener Karottenkuchen ist immer schnell weg. Von den ausgefalleneren Kaffeespezialitäten sind der „Flat White“ und der „caphe sua da“ sehr beliebt. Der „Flat White“ kommt aus Australien, ein doppelter Espresso mit einem dünnen Milchschaum obenauf, der im Glas serviert wird. Der „caphe sua da“ ist eine vietnamesische Spezialität: kalter, starker Kaffee mit süßer Kondensmilch.

Haben Sie noch einen kleinen Geheimtipp für unsere Leser, wie ihnen der Kaffee zuhause noch besser gelingt?

Nguyen: Nein. Kaffeemachen ist wie Kochen, jeder hat seine eigenen Vorlieben! Was ich allerdings sagen kann: Die Bedeutung der Wasserqualität sollte nicht unterschätzt werden. Bei uns im Café haben wir darum eine Wasseraufbereitungsanlage. Außerdem ist der Mahlgrad der Bohne ein wichtiger Faktor sowie Wassertemperatur und Brühzeit. Mein Gedanke ist außerdem, bewusster Kaffee zu genießen, auf Transparenz und Fairness zu achten. Und für einen unverfälschten Geschmack empfehle ich unseren Gästen, den Cappuccino ohne Zucker zu trinken.

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