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Große Erwartungen

In Pforzheim öffnet der erste interreligiöse Kindergarten in Deutschland

Wenn am kommenden Montag der erste interreligiöse Kindergarten in Deutschland an den Start geht, liegen zwei Jahre der Vorbereitung hinter allen Beteiligten. Zunächst sollen in der Irenicusstraße 20 Kinder im Alter von über drei Jahren betreut werden. Perspektivisch sollen hier dann hundert Kinder Platz finden.

Große Erwartungen: Vertreter und Mitarbeiter der beteiligten Träger freuen sich auf die Eröffnung des interreligiösen Kindergartens. Sitzend von links: Fatih Aygün, Frank-Johannes Lemke, Ahmed Kurt, Christiane Quincke und Rami Suliman.
Große Erwartungen: Vertreter und Mitarbeiter der beteiligten Träger freuen sich auf die Eröffnung des interreligiösen Kindergartens. Sitzend von links: Fatih Aygün, Frank-Johannes Lemke, Ahmed Kurt, Christiane Quincke und Rami Suliman. Foto: Stefan Friedrich

Von Stefan Friedrich

Zwei Jahre Vorbereitung liegen hinter Beteiligten

Zahlreiche Anmeldungen liegen bereits vor. „Wir sind froh, dass es endlich los geht“, bemerkte Frank-Johannes Lemke (Caritas) im Rahmen eines Pressegesprächs am Mittwochnachmittag. Auch für ihn ist es eine besondere Sache, dass von Anfang an „drei namhafte Vertreter anderer Religionen dabei waren“. Für alle Beteiligten sei es ein zweijähriger Prozess gewesen, bei dem man sich auch näher kennenlernen konnte.

Wie tief Vorurteile bei den Erwachsenen verhaftet sind, ist Lemke bewusst. Anders als bei den Kindern, die in der Regel offen aufeinander zugehen und sofort Kontakt zueinander finden. Insofern sei dieser interreligiöse Kindergarten letztlich „ein Beitrag zum Frieden in unserer Stadtgesellschaft“, so Lemke.

Kita soll Beitrag zum Frieden in Stadtgesellschaft leisten

Fatih Aygün vom Bündnis unabhängiger Muslime im Enzkreis pflichtete dem bei: Von Anfang an habe man sich intensiv damit auseinandergesetzt, mit welcher Philosophie der Kindergarten betrieben werden soll. „Da geht es sowohl um ganz banale als auch um schwere Themen.“ Wie betet man beispielsweise an einem Tisch, sei eine der Fragen gewesen, die man sich gestellt habe.

Nicht alle Fragen sind zum Start des Kindergartenbetriebs schon gelöst. Vieles werde sich erst finden müssen. Eine Aufgabe, die die beteiligten Träger aber mit großer Freude angehen wollen. „Es wird spannend, die Eltern mit einzubeziehen“, ist Dekanin Christiane Quincke überzeugt. Das gegenseitige Kennenlernen sei ohnehin auch für die Gesellschaft notwendig.

Feiertage anderen Glaubens werden erfahrbar

Auch wenn sich der interreligiöse Kindergarten zu 80 Prozent an den Vorgaben des Bildungsplans orientieren wird, so unterscheidet er sich doch etwa von städtischen Kindergärten – auch hier sind Kinder unterschiedlicher Religionen in der Betreuung – dadurch, dass „die religiöse Lebenswelt eine besondere Rolle spielt“, so Quincke.

Soll heißen: Wo sonst jüdische und muslimische Kinder viel über Weihnachten oder das Laternenfest erfahren, werden hier auch Feiertage anderer Religionen erfahrbar gemacht. Auch das dürfte ein Grund dafür sein, dass dieser Kindergarten, so Quincke, „große Aufmerksamkeit weit über Pforzheim hinaus findet“.

Rami Suliman, Vorsitzender der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden und der Jüdischen Gemeinde Pforzheim zeigte sich optimistisch, dass es Vorurteile auch bei Eltern abbauen werde, wenn sie mit den Kindern Traditionen und Werte der anderen Religionen kennenlernen. „Deshalb freuen wir uns, dass wir hier dabei sein können.“

Gleiches gilt für Ahmed Kurt vom Yezidischen Zentrum in Baden-Württemberg. „Für uns ist ein Traum in Erfüllung gegangen“, betonte er. Als bedauerlich wertete Suliman lediglich, dass ein interreligiöser Kindergarten in dieser Form nicht längst eine Selbstverständlichkeit in Deutschland ist.

Vorsitzender des Zentralrats der Muslime kommt zu Eröffnung

Zur offiziellen Eröffnung erwartet Geschäftsführerin Sabine Jost am Freitag unter anderem den Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman A. Mazyek, Oberkirchenrat Urs Keller, Elyas Mirza vom Zentralrat der Yeziden in Deutschland sowie Rami Suliman. Deren Präsenz zeige, wie das Projekt überregional wahrgenommen wird. Entsprechend herrscht bei allen Beteiligten eine Mischung aus Anspannung, Lampenfieber und Vorfreude auf den morgigen Tag – und die Hoffnung, dass die Stadt sie zumindest während der ersten drei Jahre bei der Finanzierung des Eigenanteils unterstützt.

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