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Prozess in Dietlingen

Knittlinger wegen Beziehung zu 16-jähriger Stieftochter vor Gericht: Ist es Liebe - oder Missbrauch?

Ein 49-jähriger Knittlinger steht vor Gericht. Der Vorwurf: Er soll seine 16-jährige Stieftochter sexuell missbraucht haben. Der Mann selbst sagt, es habe sich um eine Liebesbeziehung gehandelt. Und die Stieftochter? Die machte vor Gericht wohl sehr widersprüchliche Angaben.

Verhandlung des Amtsgerichts Pforzheim im ehemaligen Ratssaal im Rathaus Dietlingen.
Verhandlung des Amtsgerichts Pforzheim im ehemaligen Ratssaal im Rathaus Dietlingen. Foto: Arnd Waidelich

„Wo die Liebe hinfällt“, ist ein geflügeltes Wort. Doch nicht immer liegt die Liebe da richtig. Dessen war sich ein 49-jähriger Knittlinger durchaus bewusst, als er sich im Sommer 2019 auf eine sexuelle Beziehung mit seiner sechzehnjährigen Stieftochter einließ. Dieses Bewusstsein hielt ihn nicht davon ab, die Beziehung ein Jahr lang aufrecht zu erhalten.

Das Amtsgericht Pforzheim rang gestern im großen Saal des Rathauses Dietlingen um eine angemessene juristische Bewertung. Denn Paragraph 174 des Strafgesetzbuches definiert eine solche Beziehung als sexuellen „Mißbrauch von Schutzbefohlenen, die zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut sind.“

Mann räumt Vorwürfe ein - und spricht von Liebe

In einer von Verteidiger Daniel Sprafke verlesenen persönlichen Erklärung räumte der Angeklagte die Vorwürfe vollumfänglich ein. Es habe tatsächlich eine sexuelle und Liebesbeziehung zwischen dem Angeklagten und seiner Stieftochter gegeben. Untermauert wurde das durch etliche Tagebucheinträge der Stieftochter und WhatsApp Chats zwischen den beiden, die Richter Oliver Weik in die Beweisführung einbrachte und später eine Kriminalkommissarin bestätigte. Sie trieften geradezu vor gegenseitigen Liebesschwüren.

Nachdem er im Juni 2019 nach 12-jähriger Ehe aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen war, habe der Angeklagte unmittelbar darauf eine Beziehung mit der sechzehnjährigen, leiblichen Tochter seiner Ex-Frau begonnen. Bis zum 15. Mai 2020 sei es in der Einzimmer-Wohnung des Angeklagten in Knittlingen mindestens einmal pro Monat zum Beischlaf gekommen, lautet der Vorwurf von Staatsanwalt Harald Lustig. Zwölf Mal also sei der Akt vollzogen worden, rechnete Lustig vor.

Inwiefern diese Zahl belastbar ist, darüber stritten sich im weiteren Verlauf der Verhandlung die Geister. Die unter Ausschluss der Öffentlichkeit gehörte Stieftochter schien im Lauf ihrer Vernehmung sehr widersprüchliche Angaben zu machen. Das zumindest ließen Verteidiger, Richter und Staatsanwalt später durchklingen. Dass sie sich überdies durch sogenanntes „Ritzen“ immer wieder selbst verletzte, führte den Verteidiger zu dem Verdacht, das Opfer leide möglicherweise unter dem Borderline-Syndrom.

Stieftochter verweigert psychiatrische Untersuchung

Die Stieftochter selbst verweigerte eine freiwillige, psychiatrische Untersuchung, die das hätte bestätigen können. Mit Händen und Füßen rang Daniel Brafke dem Richter dennoch das Zugeständnis ab, in der kommenden Woche darüber nachzudenken, ob nicht ein psychologisches Gutachten auf Grundlage der Akten angefertigt werden könne. Das könnte dann am nächsten Verhandlungstag eingebracht werden und sich eventuell auf die Strafzumessung auswirken.

In der Beurteilung dieser Frage kam es zum scharfen Schlagabtausch zwischen Verteidiger und Staatsanwalt. Dabei wies Harald Lustig darauf hin, dass der Verteidiger-Schuss durchaus nach hinten losgehen könne. Denn ein psychisch krankes Opfer zu missbrauchen, könne eher eine höhere als eine geringere Strafe mit sich bringen. Der letzte und abschließende Verhandlungstag beginnt am Donnerstag, 18. März um 9 Uhr im Amtsgericht Pforzheim.

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