„Wollen Sie noch etwas zu essen kaufen? – Sie können dann vorne links zu meiner Kollegin fahren.“ Den Satz wiederholt Theo D. wenige Sekunden später, als sein Scanner den nächsten durch das Autofenster präsentierten Barcode erfasst. 50 Mal wird der junge Mann in der Warnweste das tun an diesem milden Premieren-Freitagabend. Er steht am Rand eines eingezäunten Geländes des Messplatzes.
Ein Auto nach dem anderen reiht sich ein, man ahnt hinter den dunklen Scheiben die Gestalten nur noch. Wie die von Carlo Klein aus Huchenfeld. Er ist zum ersten Mal beim Autokino dabei. Zum einen, weil er froh ist, dass im Lockdown und in der dadurch entstandenen kulturellen Einöde doch noch so etwas wie Freizeitvergnügen stattfinden kann.
Zum anderen, weil ihn das Roadmovie „972 Breakdowns – Auf dem Landweg nach New York“ der drei verrückten Künstler aus Halle an der Saale interessiert, die durch drei Kontinente mit ihren altersschwachen Motorrädern bis nach New York tuckern. Und: „Ich finde, dass man das Kommunale Kino unterstützen muss.“
Das denken wohl einige der etwa 80 Personen, die in den 50 Fahrzeugen sitzen, die wiederum dem folgen, was sich auf der am Kran hängenden Leinwand abspielt. Insgesamt zwölf Mal können sie das tun, der Interims-Geschäftsführer des Koki, Sebastian Hilscher, freut sich, dass das an drei Wochenenden möglich ist, nachdem kurzfristig mitgeteilt wurde: Ja, Autokino geht auch im November-Lockdown light.
Kurzfristig und sehr arbeitsintensiv war seit dem 1. November in den knapp 14 Tagen der Einsatz von Hilscher und Team. Schweißgebadet checkt Sebastian Hilscher, von Frank Neubert und einem insgesamt zwölfköpfigen Team umgeben, vor der Vorstellung noch mal die Technik. Der Projektor wohnt in einem Lkw mit der Aufschrift des Stadttheaters. „Der wird ja gerade nicht gebraucht und so kann das Theater noch ein bisschen Werbung machen“, hat Hilscher im Vorfeld erklärt.
Am Rand des Feldes leuchtet wie zwei Lichtinseln die in einer überdimensionalen Coca-Cola-Dose untergebrachte Kasse. Die Stadt hat nicht nur kurzfristig und wohlwollend reagiert, das zeigt unter anderem die Übernahme der Schirmherrschaft durch Oberbürgermeister Peter Boch, sondern auch mit der Genehmigung der Abendkasse und des Imbisswagens. An dem gibt es Popcorn satt und Getränke.
Die Menschen brauchen das für ihre seelische, für ihre kulturelle Gesundheit.Sibylle Schüssler, Kulturbürgermeisterin
Danach steht Sebastian Hilscher erst mal nicht der Sinn. Es knallt im Inneren des geöffneten Theater-Lkws. „Ich hab kurz Panik bekommen.“ Doch kaputt ist zum Glück nicht die Birne des Projektors, sondern die einer Beleuchtung. Von Hand muss dann die Szene ausgeleuchtet werden, die sich an der Ladefläche abspielt.
Hilscher hat nämlich noch Kulturbürgermeisterin Sibylle Schüssler gebeten, ein Grußwort zu sprechen. Dafür hat diese eine Besprechung unterbrochen. Es ist ihr offensichtlich wichtig, noch einmal den Appell an die große Politik loszuwerden, die sich doch „gut überlegen“ solle, ob sie beim nächsten Lockdown nicht wenigstens Theater, Museen und Kinos geöffnet lasse, „unter Hygienebedingungen“. Denn: „Die Menschen brauchen das für ihre seelische, für ihre kulturelle Gesundheit“, so Schüssler. Ihr Lob geht dagegen Richtung Koki: Es sei „phänomenal“, was in kurzer Zeit auf die Beine gestellt wurde.
Der Vorsitzende des Koki-Fördervereins, Frank Neubert, glaubt nicht an eine Lockerung des Lockdowns im November. An eine Fortsetzung des Autokinos glaubt er dafür umso mehr. Sorgt macht, dass aufgrund des gestoppten Nachschubs an neuen Kinofilmen seitens der Verleiher der gute neue Filmstoff ausgehen könnte. Die Koki-Unterstützers, so scheint die Stimmung am ersten Abend zu zeigen, schauen aber wohl auch gern eine Wiederholung.