Das Wort Wechselunterricht machte in den vergangenen Tagen die Runde als Konzept für Schulen in Hochrisikogebieten wie Pforzheim. Den wird es nun nicht geben, stattdessen muss Schulleiterin Edith Drescher 275 von den insgesamt 1.040 Schülern am Hilda-Gymnasium in den Fernunterricht schicken.
Am Mittwochnachmittag informierte das Kultusministerium über die „Hotspot-Strategie“ für Stadt- und Landkreise mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von mehr als 300 Neuinfektionen. Sie besagt, dass spätestens ab Montag Schüler ab Klasse 8 zu Hause bleiben müssen, wo sie dann digital unterrichtet werden. Ausgenommen sind an allgemeinbildenden Gymnasien die Jahrgangsstufen 1 und 2 sowie Abschlussklassen, letzteres gilt auch für Haupt-, Werkreal- und Realschulen.
Hilda-Gymnasium hat sich mit verschiedenen Szenarien befasst
„Wir haben uns schon im vergangenen Schuljahr mit verschiedenen Szenarien auseinandergesetzt“, gibt Drescher zu verstehen, dass die jetzige Vorgabe das Hilda nicht unvorbereitet trifft, zumindest, was die Theorie anbelangt.
In der Praxis stellt die in der letzten Woche vor den Weihnachtsferien verpflichtende Regelung Schüler wie Lehrer vor immense Herausforderungen. Das kann etwa bedeuten, dass ein Lehrer an einem Tag Siebt- und Elftklässler in der Schule unterrichtet und sich dazwischen einen freien Raum suchen muss, um per Videokonferenz mit seinen Acht- oder Neuntklässlern zu Hause in Kontakt zu treten.
Komplizierter Mix aus Präsenz- und Digitalunterricht
„Wer in der Mittel- und Oberstufe unterrichtet, muss beide Tableaus bespielen“, verdeutlicht Drescher einen komplizierten Mix aus Präsenz- und Digital-Beschulung. Vielfach dürfte es darauf hinauslaufen, dass Lehrer sich mit ihren Fernklassen auf einen bestimmten Zeitpunkt für den Unterricht verabreden.
In technischer Hinsicht sehen sich die Schulen verglichen zum Lockdown im Frühjahr besser aufgestellt. Das Land hat im Frühjahr ein Hilfspaket geschnürt, damit unter anderem Laptops und Tablets angeschafft werden können. „Wir haben abgefragt, wer Endgeräte braucht, und Schülern die Hardware zur Verfügung gestellt“, erklärt Drescher.
Zudem gibt es verschiedene digitale Lernplattformen und nach monatelangem Umgang damit inzwischen auch einen Erfahrungsschatz. Kai Adam, Leiter des Reuchlin-Gymnasiums, schildert eine zunehmende Gewöhnung von Lehrern wie Schülern an Videokonferenzen, WhatsApp-Kommunikation sowie manches mehr. Von diesem Freitag an werden 250 Achtklässler von insgesamt 672 Reuchlin-Gymnasiasten Fernunterricht erhalten. Immerhin hat das Reuchlin ab Montag schnelleren Internetzugang.
Wir können ja nicht das schnelle Internet mitliefern.Edith Drescher, Schulleiterin.
„Endlich“, sagt Adam zum Resultat eines mehrjährigen Kampfes, bis entsprechende Kabel in diesem Bereich der Stadt verlegt waren. Doch genau hier, beim schnellen Internet, hapert es an vielen Schulen im Ländle, und dies erschwert den Fernunterricht: „Wir können ja nicht das stabile Internet mitliefern“, verweist Drescher auf Grenzen der Technik.
Viele Haushalte seien nicht mit der notwendigen Hard- und Software ausgestattet, stellt auch Adam fest. Und wenn doch, dann wollten oft mehrere Familienmitglieder gleichzeitig an Laptop oder Tablet, zumal viele Eltern im Homeoffice sind. Die von der Stadt zugesagten 60 Leihgeräte seien noch nicht angekommen, merkt Adam an. „Wir haben alte fit gemacht und aus eigenem Budget neue angeschafft.“
GEW-Sprecher: Warum nicht Wechselunterricht in allen Klassen?
Die Kirnbachschule Niefern ist von der Vorgabe bislang nicht betroffen, den Schulen im Enzkreis ist es frei gestellt, Wechselunterricht anzubieten. Als Maßnahme, Infektionszahlen zu reduzieren, halte er den Fernunterricht grundsätzlich für gut, aber bei weitem nicht ausreichend, erklärt Joachim Eichhorn.
Der Leiter der Grund- und Werkrealschule ist auch Sprecher bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und als solcher meint er, man müsse die Schulen eigentlich komplett schließen, oder wenigstens Wechselunterricht einführen. „Ab Klasse eins bis ganz oben.“ Er ist überzeugt: Die Kinder wären dann engagierter und würden mehr lernen. Und Lehrern nähme man Ängste, weil sie dann nicht mehr in einer Schulstunde mit 30 verschiedenen Haushalten zusammen träfen.