Nein, es wird keine Bürgerbefragung geben. Nein, die Stadt habe kein Vorkaufsrecht. Und ob die Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) für Flüchtlinge komme, sei allein Sache des Landes und des Eigentümers. Dies stellte der Staatssekretär für Migration, Siegfried Lorek, bei einer Informationsveranstaltung der CDU am Montagabend im Clubhaus des CfR, zu welcher auch Oberbürgermeister Peter Boch (CDU) anwesend war, fest.
Thema war die mögliche Einrichtung einer Erstaufnahmestelle für Geflüchtete im ehemaligen Logistikcenter des Versandhauses Bader im Brötzinger Tal. Seit kurz vor Weihnachten die Pläne bekannt wurden, bewegt das Thema die Gemüter.
Im Januar und Februar werde geprüft, ob die Pläne weiter verfolgt würden, so Lorek. Falls das der Fall sein sollte, würden Verhandlungen mit dem Eigentürmer geführt werden. Werde man sich einig, benötige der Umbau der Immobilie nochmals zwei bis drei Jahre, bevor diese in Betrieb genommen werden könne. Ein Betrieb mache aber nur Sinn, wenn die Laufzeit mindestens fünf Jahren betrage.
Oberbürgermeister Boch tat alles, um den rund 80 Gästen die Dramatik der Situation zu verdeutlichen. Er rechnet in Pforzheim in diesem Jahr mit einer Zuweisungsquote von 50 bis 60 Personen monatlich.
Wir haben es mit einem völlig unkontrollierten Zuzug zu tunPeter Boch
Die Stadt sei aber jetzt bereits am Anschlag ihrer Möglichkeiten, was Unterbringung und Personal anbelangt. „Wir sind mit unseren Kapazitäten am Ende“, machte Boch mehrfach deutlich.
Der Grund, warum Boch die LEA vorantreibt ist das sogenannte LEA-Privileg. Durch dieses würde die Zuweisungsquote der Anschlussunterbringung deutlich sinken.
Die Kosten für die Asylbewerber-Unterkunft werden vom Land getragen
Die Alternative sei, so Boch, immer mehr Hallen zu belegen – ohne Perspektive, diese wieder freizugeben. Sollte sich das Land entscheiden, die LEA im Brötzinger Tal einzurichten, könnten dort laut Lorek zwischen 900 und 1.100 Plätze entstehen.
Die Kosten für eine solche Einrichtung würden komplett vom Land getragen. Vor Ort seien sowohl Sicherheitskräfte als auch Kinderbetreuung und weitere soziale Kräfte.
Wann das LEA-Privileg greift, ob bereits beim Beschluss oder erst bei Inbetriebnahme, ließ Lorek offen. Dies sei Gegenstand der Verhandlungen. Zudem betonte er, dass das Privileg nicht für Ukrainer gelte. Diese könnten hinziehen, wo sie wollen.
Sachlich und eng am Thema verlief die ausführliche Diskussion. Beifall erhielt eine Gastronomin aus Huchenfeld, die Sicherheit für Senioren und Kinder forderte.
Mehr Flüchtlinge in Baden-Württemberg als in ganz Frankreich
Beifall erhielt auch ein Sprecher, der auf den Faktor Angst hinwies und sagte: „Wir rasen sehenden Auges in eine Katastrophe.“ Deutlich wurde während der Fragerunde auch die Macht- und Hilflosigkeit der Kommunen und der Länder: „Wenn ich die Möglichkeit hätte, keine Flüchtlinge mehr aufzunehmen, dann würde ich dies tun“, sagte OB Boch.
„Die Zuteilung erfolgt nach einer harten Quote, wir haben keinen Einfluss auf die Zahlen“, sagte Lorek, der seit 2016 für die CDU im Landtag sitzt. Entscheiden würden Bund und EU. Baden-Württemberg nehme derzeit 13 Prozent der Flüchtlinge auf, die nach Deutschland kämen. Von den Flüchtlingen aus der Ukraine habe Baden-Württemberg mehr aufgenommen, als ganz Frankreich zusammen.
„Wir haben es mit einem völlig unkontrollierten Zuzug nach Deutschland zu tun“, sagte Lorek. Gleichzeitig beklagte er, dass die Anreize des Zuzugs nach Deutschland derzeit noch verstärkt würden, unter anderem durch den direkten Bürgergeldsanspruch für Ukrainer.
Warum andere Kommunen die Ersteinrichtung wieder loswerden wollten, war eine weitere Frage aus dem Publikum. Genannt wurden unter anderem Ellwangen und Sigmaringen. Dort hätten es sich die Verantwortlichen einfach zu leicht gemacht, stellte Lorek fest. Zudem sei das Verhältnis der Anzahl der Einwohner zu der Kapazität der LEA ungünstig gewesen.