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Neues Kunstwerk

Bildwechsel im Gasometer Pforzheim: Das antike Pergamon verdrängt das Riff-Panorama

Perspektivenwechsel im Pforzheimer Gasometer: an die Stelle des Great Barrier Reefs rückt am 18. März das antike Pergamon. Für Künstler Yadegar Asisi ist es ein Beitrag zur Zukunft der Museen.

Pressekonferenz mit Yadegar Asisi und Wolfgang Scheidtweiler zum neuen Panoramabild im Gasometer in Pforzheim über das antike Pergamon.
Antike Metropole in Aussicht: Künstler Yadegar Asisi und Gasometer-Betreiber Wolfgang Scheidtweiler kündigen Pergamon als nächstes Panorama-Motiv an. Foto: Edith Kopf

Pergamon, wie es leibt und gelebt haben könnte, kommt mit dem nächsten Panoramabild von Yadegar Asisi in den Gasometer von Pforzheim.

Der 360-Grad-Blick auf die griechisch-römische Metropole wird ab 18. März gezeigt. Bis dahin können die Besucher des 2014 eröffneten Publikumsmagneten an der Enz die Tiefen des Great Barrier Reefs auf sich wirken lassen.

Der einwöchige Umbau für das neue Bild beginnt nicht zufällig am 12. März. Während die 30 Fotobahnen nach und nach die Innenwände des Gasometers verhüllen, dürfte vor der Tür der beginnende Frühling markieren, dass die für diesen Winter noch prognostizierte Gefahr einer schweren Erkrankung durch Coronaviren vielleicht noch ein bisschen kleiner geworden ist.

„Wir hoffen, dass wir die Corona-Phase hinter uns lassen können und finden deshalb, es ist an der Zeit, ein Zeichen zu setzen“, begründet Gasometer-Betreiber Wolfgang Scheidtweiler den Perspektivenwechsel. Asisi habe dafür die antike Stadtanlage ausgewählt.

Damit zieht eine prächtige Ansiedlung aus dem Jahre 129 in das Industriedenkmal in der Pforzheimer Oststadt ein. Ein Opferfest ist im Gange. Blut spritzt. Rund 10.000 Menschen erfreuen sich daran und müssen versorgt werden.

Allein mit solchen wenigen Sätzen macht Asisi deutlich, dass es bei ihm weder den berühmten schneeweiß ausgestellten Altar zu sehen gibt noch kleine Schildchen, auf denen die Bedeutung von Fundstücken aus antiker Zeit erläutert wird.

Der Verweis gilt natürlich dem Pergamon-Museum in Berlin, ist aber keine Abgrenzung. Das 2018 fertiggestellte Panorama-Gemälde, das laut Ankündigung neben Berlin zunächst nur in Pforzheim gezeigt wird, entstand in Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlern, die sich mit den seit 1907 an der Spree gezeigten Ausgrabungsstücken und der Geschichte der Stadt in der heutigen Türkei beschäftigen.

Asisi wirft dazu eine aus seiner Sicht für den Zugang zu dieser untergegangenen Kultur wesentliche Frage auf: „Was passiert zwischen den überlieferten Einzelstücken.“ Er beschäftigt sich mit den Menschen jener Tage, zeigt ihre Stellung in der Gesellschaft, versucht sie in ihren Bedürfnissen und ihrem Alltag zu erfassen.

Kulturgeschichte mit Alltagserlebnissen

Überlieferungen, Forschungsergebnisse und andere Vorstellungen über die Geschehnisse in diesem vor rund 2.000 Jahren von den Römern beherrschten Teil Kleinasiens sind in die Darstellungen eingeflossen. Er und sein Team seien auch an die heutige Westküste der Türkei gereist und hätten dort auf dem berühmten Burgberg Aufnahmen gemacht.

Viel mehr als Bilder einer Landschaft bei Izmir habe die Künstlergruppe nicht mit zurückgebracht. Das antike Pergamon ist in Berlin aufgebaut und es gehört jetzt zu der Kulturgeschichte, die Asisi mit seinen Stadtansichten schreiben will, wie er bei einer Pressekonferenz zum Panoramawechsel erläuterte.

Für Pforzheim bringt Pergamon eine zweite Gelegenheit, sich mit der Antike zu befassen. Die erste war nach Rom 312 bei der Eröffnung des Gasometers im Dezember 2014, die bis Ende 2018 rund eine halbe Million Besucher anzog.

Corona bremste den Besucherstrom

Deutlich weniger spektakulär verkaufte sich coronabedingt der Blick auf das zu Australien gehörende weltgrößte Korallenriff. Nach 248.000 Panorama-Freunden im Jahr 2019 sorgte Corona mit seinen Begleiterscheinungen für ein abruptes Ende der Nachfrage. „Es fehlten die Busreisen, das war schwierig“, erläuterte Scheidtweiler die danach nur 70.000 bis 80.000 Besucherinnen und Besucher.

Eine Jugendoffensive zum Endspurt dürfte dafür sorgen, dass sich die Bilanz, aber nicht unbedingt die Einkommenssituation, bis zum 12. März noch etwas verbessert. Die Investorengruppe des Gasometers hat Schulklassen aus Pforzheim und Umgebung zu einem kostenlosen Besuch in der Ausstellung „Great Barrier Reef“ eingeladen.

Wir müssen die Natur lieben, wenn wir sie verteidigen wollen.
Yadegar Asisi, Panorama-Künstler

Und so kommt es, dass ein gut vernehmbares kräftiges „Wow“ durch die 30 Meter hohe Stahlhülle schallt, in der das Panoramabild zu sehen ist. Das Wort ist der einzige Kommentar des jungen Mannes, der sich in einer Gruppe Gleichaltriger in eine Welt entführen lässt, von der er bis dato vermutlich noch nicht einmal ahnt, dass es sie gibt.

Gut möglich, dass er nie mehr Gelegenheit haben wird, sie in echt zu sehen. So schön, wie bei Asisi, wird er sie keinesfalls erblicken. „Wir müssen die Natur lieben, wenn wir sie verteidigen wollen“, erläutert der Künstler seinen Ansatz.

Ganz ähnlich klingt seine Strategie, wenn er sagt, sein Pergamon-Panorama „ist ein Meilenstein in der Diskussion über das Museum der Zukunft“. Mit der „Freiheit des Künstlers“ zum Beispiel bei der Vervollständigung des in Berlin gezeigten Gigantenfries‘ schaffe er eine Vorstellung über die Welt von gestern, die dafür sorgen könnte, dass junge Leute nicht nur im Internet, sondern auch in Berlin das Original sehen wollen.

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