„Dunkle Geschichten aus Pforzheim. Schön und schaurig“ – wer bei diesem Buchtitel an Verbrechen denkt, liegt nicht ganz falsch. In dem Buch von Olaf Schulze finden sich durchaus Tatorte und Kleinkriminalität, doch er fasst den Begriff „dunkel“ weit, nimmt ihn auch wörtlich und überträgt ihn auf Pforzheimer Besonderheiten.
Schulze ist Historiker, Autor, Vortragsredner und Stadtführer zu Themen der Pforzheimer Stadtgeschichte. Als Johannes Reuchlin Phorcensis führt er in der Rolle des Humanisten durch die Stadt.
Sein umfangreiches heimatgeschichtliches Wissen untermauert Schulze in seinen Geschichten mit zeitgenössischen Bildern und Zitaten. Fünfzehn dunkle Geschichten hat er mit Schwerpunkt auf dem 19. und 20. Jahrhundert in dem 79-seitigen Buch zusammengestellt.
Dunkle Zeiten: Seuchen forderten in Pforzheim Hunderte Todesopfer
Angefangen bei den dunklen Grüften unter der Schlosskirche. Dort hatten es im September 1785, am Vorabend der französischen Revolution, drei Pforzheimer auf den Inhalt der Särge der badischen Fürstenfamilie abgesehen, auf wertvolle Kleidungsstücke und wertvollen Schmuck, den man den Toten mitgegeben hatte.
Von dunklen Zeiten berichtet der Historiker im Kapitel „Das Russenkreuz im Oststadtpark“. Das Kreuz hat mit Pforzheims ganz eigener Seuchengeschichte zu tun, als noch nicht Corona, sondern Thyphus, Spanische Grippe und Ruhr Hunderte Todesopfer forderten. Bis ins 17. Jahrhundert traf die Stadt Pforzheim Maßnahmen, wenn sich eine Pest in Nachbarländern zeigte.
„Zur Mittagsstunde schwarz vor Menschen“ waren Straße und Plätze in der Pforzheimer Innenstadt, dem „Weltplatz für Schmuck“ um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Frauen und Männer, die in der Schmuckindustrie arbeiteten, flanierten plaudernd und vespernd, manche untergehakt, vom Marktplatz zum Leopoldplatz und umgekehrt. Sie „schoben die Rennbahn“, nannten Zeitzeugen dieses mittägliche Phänomen.
Dunkle Geschichten aus Pforzheim im Buch von Olaf Schulze
Schulze berichtet von der „Mär“, dass die Schmuckarbeitenden von 12 bis 13 Uhr von ihren Kapos, ihren Vorarbeitern, aus der Firma ausgesperrt wurden, damit sie nicht auf dumme Gedanken kamen und in der Pause ein wenig „Goldgekrätz“ einsteckten. Spannend in dieser Geschichte ist auch, zu erfahren, dass 1907 der Anteil der in den Schmuckfabriken Pforzheims beschäftigten weiblichen Arbeitskräfte 48 Prozent betrug. Ein Spitzenwert im damaligen Reich.
Von Schmuck, der im 19. Jahrhundert von Trauernden gehobener Stände getragen wurde, erzählt das Kapitel „Schwarzer Schmuck in dunkler Schatzkammer“. Original-Beispiele davon sind in der Dauerausstellung im Schmuckmuseum in Pforzheim zu bewundern. Das Kapitel „Black-People“ erzählt anhand einer Veranstaltungsankündigung von einem neuen Lebensgefühl in den wilden, goldenen Zwanzigern des vergangenen Jahrhunderts.
Weitere dunkle Geschichten zeugen von der Probeverdunklung noch vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, einem fast vergessenen Zeichen der Versöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg und von Schwarzkitteln, den ersten Bewohnern des Wildparks 1967. Die neueste dunkle Geschichte erzählt von der denkmalgeschützten Villa im Rodgebiet, die der Pforzheimer Künstler Andreas Sarow über Nacht schwarz anmalte.
Hier ist das Buch erhältlich
Das Buch „Dunkle Geschichten aus Pforzheim“ ist im Wartberg Verlag erschienen, im örtlichen Buchhandlung und im BNN Shop https://lesershop.bnn.de/ für 12 Euro erhältlich.