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Verkehrswende so nicht zu schaffen

Busverkehr vor dem Kollaps: Betreiber klagen in Pforzheim über Langfrist-Verträge und steigende Kosten

Die privaten Busunternehmer schlagen Alarm. Durch gestiegene Kosten vor allem im Energiebereich sind die für das gesamte Jahr 2022 kalkulierten Einnahmen bereits im September aufgebraucht.

Schlagen Alarm: Witgar Weber, Jim Engel, Richard Eberhardt und Thomas Balmer (von links) sorgen sich darum, wie es mit dem ÖPNV im Land weitergeht. Die privaten Busunternehmen leiden unter den Energiepreisen, stellen sie fest – und sehen die Verkehrswende in Gefahr
Witgar Weber, Jim Engel, Richard Eberhardt und Thomas Balmer (von links) sorgen sich darum, wie es mit dem ÖPNV im Land weitergeht. Foto: Stefan Friedrich

Für die Kunden hat das erst mal keine Konsequenzen: Die Busse werden auch im Oktober noch im Einsatz sein. Die Unternehmer verlassen sich allerdings auf die Hilfe der Politik, die dringend gebraucht werde, auch wenn sich die Gespräche derzeit noch schwierig gestalten.

Statt einer einvernehmlichen Lösung für alle muss der Verband Baden-Württembergischer Omnibusunternehmen (WBO) mit 44 verschiedenen Partnern verhandeln. Auch deshalb mahnen Unternehmer aus der Region am Montag bei einem Pressegespräch in Pforzheim an: So ist die Verkehrswende nicht zu schaffen. Alleine den Status Quo zu halten, gilt unter den momentanen Bedingungen als herausfordernd.

„Uns treibt die Sorge, wie es weiter geht mit dem ÖPNV im Land“, stellte der Geschäftsführer des WBO, Witgar Weber, bei diesem Pressegespräch fest. Die Folgen von Corona seien noch zu spüren und die Einnahmen immer noch geringer als vor der Pandemie, da trifft die Busunternehmer bereits die nächste Krise. „Wir haben ein massives Problem, das nicht vorübergehend, sondern dauerhaft sein wird“, befürchtet er.

Dass die Energiepreise auf absehbare Zeit wieder sinken, daran glaubt er nicht. „Das stellt die Unternehmen natürlich vor große Herausforderungen, die man in einem größeren Kontext sehen muss.“ Stichwort: Verkehrswende. „Dazu braucht es leistungsfähige Busunternehmen, weil diese die Mehrzahl der täglichen Fahrgäste befördern“, betonte Weber.

Können sie also nicht dauerhaft wirtschaftlich arbeiten, dann sei man von dem Ziel einer Verdopplung der Fahrgastzahlen natürlich weit entfernt „und das Land hat ein massives Problem“.

Busbetreiber aus der Region sehen sich in der Zwickmühle

Was das in der Praxis bedeutet, haben drei Unternehmer aus der Region geschildert. Thomas Balmer ist Geschäftsführer des Reisebüros Wöhrle aus Oberderdingen und WBO-Bezirksvorsitzender im Regierungsbezirk Karlsruhe. In seinem Unternehmen sind mehr als 50 Mitarbeiter beschäftigt, der Fuhrpark umfasst 30 Fahrzeuge. „Die letzten zwei Jahre waren für uns nicht vergnügungssteuerpflichtig“, sagte er. „Wir kommen nicht mehr hinterher.“

Einfluss auf die Preisgestaltung habe man keine, stattdessen werde immer mehr Leistung gefordert, zuletzt mit dem 9-Euro-Ticket. „Wir müssen aufpassen, dass wir das bisherige Angebot, was wir fahren sollen, überhaupt noch aufrecht erhalten können“, gibt er eine Woche vor dem Schulstart zu bedenken. Die Unternehmen sind bereits jetzt am Limit und ein Ende der Kostensteigerung ist vorerst nicht in Sicht.

Ähnlich ergeht es Jim Engel, Geschäftsführer der Omnibusverkehr Engel GmbH aus Mühlacker. Als reines Linienverkehrsunternehmen mit 75 Fahrzeugen und etwa 100 Mitarbeitern spürt man auch dort die Folgen der jüngsten Krisen. „Das große Problem ist, dass wir hoheitliche Aufgaben erfüllen und dadurch in den unternehmerischen Gestaltungsfreiheiten sehr eingeschränkt sind.“

Preise kann man nicht selbst erhöhen, wenig genutzte Linien müssen weiter bedient werden. „Das ist eigentlich das Kernproblem. Wir sind da in einer Zwickmühle.“ Insofern sieht auch Richard Eberhardt, Geschäftsführer der Richard Eberhardt GmbH Engelsbrand, die Herausforderung darin, die Gratwanderung zwischen langfristigen Verträgen und deutlich gestiegenen Kosten zu meistern. „Bislang haben wir es hier in unserer Region geschafft, dass es kaum Fahrtausfälle gegeben hat.“ Damit das so bleibt, brauche es Hilfe von der Politik.

Verkehrsminister Winfried Herrmann, „der sonst zu allem etwas zu sagen hat“ (Weber), habe sich sicherheitshalber schon mal für nicht zuständig erklärt. Und selbst wenn finanzielle Unterstützung zugesagt würde: Mitunter müssen die Busunternehmen lange darauf warten. Aus dem Rettungsschirm 2020/21 sind erst 85 Prozent ausbezahlt worden. „Ich weiß nicht, was die Entscheider denken, wie groß unsere Kassen gefüllt sind“, bedauert Eberhardt und spricht von einer „unredlichen Situation“.

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