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Zu wenig Corona-Impfstoff?

Warum Pforzheim die niedrigste Corona-Impfquote in Baden-Württemberg hat - und was dagegen helfen soll

Für Pforzheims niedrige Quote bei den Corona-Impfungen haben Stadt und Land mehrere Faktoren ausgemacht. Um gegenzusteuern, könnte ein Blick nach Mannheim helfen.

Am Eingang der St.-Maur-Halle steht nun ein Schild mit der Aufschrift „Impfzentrum Pforzheim“
Hier wird geimpft: Allerdings erhalten in der St.-Maur-Halle in Pforzheim vor allem Menschen von außerhalb ihre Dosis. Pforzheim hat landesweit die niedrigste Imfpquote. Foto: Björn Fix

Die Impfstatistik, die das Sozialministerium diese Woche erstmals veröffentlicht hat, sieht aus Pforzheimer Sicht ernüchternd aus. Die Quote ist hier so niedrig wie in keinem anderen Stadt- oder Landkreis im Land.

Vollständig geimpft sind laut der Tabelle 4,2 Prozent der Pforzheimer. Im Landesschnitt sind es nach Berechnungen dieser Redaktion 7,9 Prozent. Erstgeimpft sind in Pforzheim 11,9 Prozent der Menschen – gegenüber 21,9 Prozent im Landesschnitt. Warum schneidet die Stadt so schlecht ab?

Vorab eine Einschränkung. Was das Land veröffentlicht hat, sind nur die Zahlen aus den Impfzentren. Wie viele Spritzen die Hausärzte setzen, ist hier also nicht erfasst.

Pforzheim und der Enzkreis sind sehr gut versorgt, es kann nicht an der Impfstoffmenge liegen.
Florian Mader, Sprecher des Gesundheitsministeriums

Da insgesamt bisher aber bei Hausärzten viel weniger geimpft wurde, wird das die Feststellung nicht verändern: Es sind vergleichsweise wenige Pforzheimer gegen das Coronavirus geimpft.

Der FDP-Landtagsabgeordnete und verhinderte Koalitionär Hans-Ulrich Rülke machte schnell einen Schuldigen aus: Gesundheitsminister Manne Lucha.

„Er ist dafür verantwortlich, dass wir in Pforzheim trotz hoher Einwohnerzahl und großem Einzugsgebiet genau soviel Impfstoff bekommen wie ein Kreisimpfzentrum im ländlichen Raum“, teilt Rülke aus. Überschrieben war seine Mitteilung mit den Worten „Minister Lucha soll mehr Impfstoff schicken.“

Im Ministerium widerspricht man: „Pforzheim und auch der Enzkreis sind sehr gut versorgt, es kann nicht an der Impfstoffmenge liegen“, sagt Sprecher Florian Mader. Die Stadt bestätigt, dass man den gleichen Anteil an Impfdosen erhalte wie andere Städte und Kreise. Diese Woche hat man auf 700 Impfungen pro Tag erhöht.

62 Prozent der Impflinge im Impfzentrum Pforzheim sind von außerhalb

Ein Faktor für die Ungleichheiten ist die Lage der Impfzentren. Im Falle Pforzheims ist es die strategisch günstige Position für Menschen von außerhalb. Nur ein gutes Drittel aller Impfungen in Pforzheim entfällt nämlich auf Menschen aus Pforzheim (38 Prozent).

Heißt im Umkehrschluss: 62 Prozent der Impflinge sind von außerhalb. Knapp ein Drittel der Dosen geht an Bewohner des Enzkreises (29 Prozent) und ein Drittel an Menschen, die von noch weiter weg kommen (33 Prozent), wie die Stadt errechnet hat.

Ob das Menschen sind, die in Pforzheim arbeiten, aber anderswo wohnen, oder die tatsächlich, wie die Stadt mutmaßt, die gute Erreichbarkeit über die Autobahn 8 nutzen, bleibt offen.

Eine große Halle mit vielen Trennwänden von oben.
Impfzentrum gestartet: Seit Freitag wird drei Mal pro Woche in der St.-Maur-Halle geimpft. Am Auftakttag waren es rund 70 betagte Menschen, die sich hier gegen Covid-19 impfen ließen. Foto: Torsten Ochs

Für den Enzkreis leuchtet die Statistik jedenfalls ein. Pforzheim liegt in der Mitte des Landkreises. Aus Keltern oder Remchingen ist man schneller in Pforzheim als in Mönsheim am östlichen Rand des Enzkreises, wo das Impfzentrum für den Landkreis steht.

Rülke fordert daher, das Pforzheimer Zentrum mit mehr Impfstoff auszustatten. Doch das dürfte die Probleme der Großstadt kaum lösen. Sie gehen tiefer. „Es sind soziale Herausforderungen“, sagt Ministeriumssprecher Mader.

Man sehe das auch in vergleichbaren Städten. Ministerialdirektor Uwe Lahl: „Gerade sozial schlechter Gestellte erreicht die Impfkampagne noch zu wenig.“ Das Land erklärt das Phänomen am Beispiel Mannheim.

Stadtteile mit sozialen Herausforderungen haben niedrige Impfquoten

Stadtteile mit besonderen sozialen Herausforderungen – geringes Einkommen, hohe Arbeitslosigkeit, enge Wohnverhältnisse, Menschen in Berufen, die keine Möglichkeit zum Homeoffice bieten – haben die höchsten Infektionsraten, aber gleichzeitig um den Faktor drei niedrigere Impfquoten.

Bei den geimpften über 80-Jährigen fehlten Menschen mit Migrationshintergrund laut einer Auswertung der ersten sechs Impfwochen fast völlig – obwohl sie in Mannheim rund 25 Prozent dieser Altersgruppe ausmachen.

Viele dieser Erkenntnisse lassen sich laut Sprecher Mader auf Pforzheim übertragen. Auch Pforzheims Oberbürgermeister Peter Boch (CDU) verweist auf Parallelen, etwa beim hohen Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund. „Pforzheim ist hier in einer vergleichbaren Situation“, stellt der Oberbürgermeister heraus.

„Wir beobachten diese Entwicklungen im Verwaltungsstab sehr genau und gehen daher mit den Impfungen bereits in die Breite – zum Beispiel durch Aktionen, wie wir sie jetzt in den Ortsteilen durchführen.“

Diese sind für alle Menschen ab 60 gedacht. Man will aber auch verstärkt die Migrantenorganisationen und weitere vermittelnde Akteure einbinden, betont Boch. Entsprechende Aktionen würden noch weiter verstärkt.

Pilotprojekt zu Corona-Impfungen in Mannheim

In Mannheim reagierte man diese Woche mit einem Pilotprojekt auf die Auswertung der Impfquoten. Im dortigen Stadtteil Hochstätt werden Bewohner vor Ort im Stadtteilzentrum geimpft. Das Land lobt den Vorstoß als vorbildhaft.

Auch in Pforzheim denkt die Verwaltung über Impfaktionen in Gemeindezentren verschiedener Kulturkreise nach, teilt das Rathaus mit. Auf dem Maßnahmentableau stehen auch die Social-Media-Aktivitäten der Stadt und die Übersetzung eigener Texte in Fremdsprachen.

Auf der offiziellen Website der Integrationsbeauftragten gibt es Informationen in 23 Sprachen, neuerdings auf Kurdisch, Portugiesisch und Somali.

Die Liga der freien Wohlfahrtsverbände Pforzheim spricht sich dafür aus, dass mobile Impfteams verstärkt mit den Trägerorganisationen von Beratungsstellen für Wohnungslose, arme und alte Menschen, Menschen mit Behinderung, seelischer Erkrankung und Migrationshintergrund kooperieren müssen, da diese Personengruppen besonders oft und schwer an Covid-19 erkranken.

Der Liga-Vorstand bietet Pforzheims OB Boch und Enzkreis-Landrat Bastian Rosenau an, die nächsten Schritte mit zu koordinieren. Man werde die Mitgliedsorganisationen gerne zur Durchführung von Impfungen in den Betriebsstätten auffordern. „Was fehlt, ist aber die entschiedene Unterstützung von Stadt und Kreis“, beklagt die Liga.

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