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Offenes Angebot

Seelsorgerin lädt in Corona-Zeiten zum gemeinsamen Trauern auf den Pforzheimer Hauptfriedhof ein

Wegen Corona haben Trauernde kaum Möglichkeit zum gemeinsamen Abschiednehmen. Deshalb hat sich die Pforzheimer Klinikseelsorgerin Regina Mandel ein besonderes Format ausgedacht.

Campo Santo auf dem Pforzheimer Hauptfriedhof, anlegt von Hans Hoffmann 1877
Innehalten: Ein Angebot zum gemeinsamen Innehalten auf dem Pforzheimer Hauptfriedhof soll Trauernden das Abschiednehmen von geliebten Menschen erleichtern. Foto: Herbert Ehmann

Etwa 20 Menschen saßen weiträumig verteilt in der Aussegnungshalle, um Abschied von der Verstorbenen zu nehmen. „Die Türen waren geöffnet und weitere Personen hatten sich draußen versammelt“, berichtet die Bewohnerin einer Enzkreisgemeinde, die zur Trauergemeinschaft gehörte.

Trotz Maskenpflicht und Abstandsregeln hat sie jene Beerdigung vergangene Woche als würdevoll empfunden. In der Halle gab es ein Orgelspiel, und als die Trauernden später vor dem Grab standen, spielte ein Musiker Trompete.

Dem Witwer die Hand geben oder ihn tröstend in die Arme nehmen, das konnten die Trauergäste freilich nicht. Nach der Bestattung musste jeder wieder seiner Wege gehen.

Keine Berührungen, keine Nähe: Corona nimmt Trauerfeiern eine zentrale Funktion. Die Seelsorgerin Regina Mandel hat sich ein Veranstaltungsformat ausgedacht, bei dem Trauernde im Freien gemeinsam „Zeit für heilsames Innehalten“ verbringen können.

So lautet auch der Titel des Termins. Premiere ist am Samstag, 24. April, 11 Uhr, an der Aussegnungshalle des Pforzheimer Hauptfriedhofs. Bei Musik, Texten und Gebeten will Mandel Teilnehmern eine kleine Ersatzveranstaltung zur ausbleibenden Trauerfeier anbieten.

Musik wird gespielt, es werden Texte vorgetragen, man kann den eigenen Gedanken nachhängen. Ein Trostpflaster in Zeiten, die das Spenden und Empfangen von Trost gleichermaßen erschweren.

Mandel weiß, wie schwer es für Betroffene ist, in einer emotional aufwühlenden Situation auf Gemeinsamkeit verzichten zu müssen. Wenn ein Elternteil stirbt, darf der Witwer oder die Witwe nach der Bestattung mit dem „inneren Kreis“, mit den Kindern, zusammen sitzen und trauern.

Es ist sehr belastend, wenn Angehörige wählen müssen, wer kommen darf.
Regina Mandel, Klinikseelsorgerin

Doch sind entferntere Verwandte, Nachbarn und Bekannte davon meistens ausgeschlossen; Menschen, die der verstorbenen Person nicht ganz so nahe standen, aber ihr dennoch verbunden sind.

„Man isst und trinkt zusammen, während man Erinnerungen an den Verstorbenen austauscht und miteinander teilt“, beschreibt Mandel den durch Corona verloren gegangenen Sinn dieses Zusammenseins, den man früher als „Leichenschmaus“ bezeichnete.

Neben der Nahrung für den Körper geht es hierbei auch um die seelische. „Trauerarbeit ist auch körperlich anstrengend und kostet viel Energie“, sagt die studierte Pastoralreferentin und Krankenhausseelsorgerin.

Man isst und trinkt zusammen, während man Erinnerungen an den Verstorbenen austauscht und miteinander teilt.
Regina Mandel, Klinikseelsorgerin

Seit fast 30 Jahren betreut die Theologin im Siloah St. Trudpert Klinikum Patienten. Sie hat viele Sterbende begleitet. Die steigenden Infektionszahlen haben im Oktober zum erneuten Besucherstopp geführt.

„Das Thema Kontaktbeschränkung verfolgt mich seit Monaten.“ Die Seelsorgerin wird in dieser Situation zur Vermittlerin zwischen Patienten und Angehörigen. Diese wollen wissen, wie es ihrem Vater geht, der todkranken Mutter. Mandel nimmt für sie Kontakt zu Ärzten und Pflegepersonal auf.

Nach dem Tod geht das Selektieren in Corona-Zeiten weiter

Am Sterbebett ist nur eine Kontaktperson zugelassen. „Es ist sehr belastend, wenn Angehörige wählen müssen, wer kommen darf.“ Nach dem Tod geht das Selektieren weiter.

Wie viele Menschen dürfen zur Trauerfeier kommen? Wer muss unter Umständen ausgeladen werden? Sie selbst habe kürzlich im „Nachrückverfahren“ an einer Trauerfeier teilnehmen dürfen, weil jemand abgesagt hatte, berichtet die Seelsorgerin.

„Trauer muss sich ausdrücken können“, sagt die 59-Jährige. Es erschwere den Trauerweg, wenn selbstverständliche Prozesse und Rituale des Abschiednehmens nicht stattfinden könnten.

Mit ihrem offenen ökumenischen Angebot will Mandel Angehörigen und Freunden von Verstorbenen einen Ort für ihre Trauer geben. Sie weiß von acht Personen, die kommen wollen.

Auch bei schlechtem Wetter will sie mit den Teilnehmern die Feier draußen veranstalten, Schutz bieten die Arkaden auf dem Hauptfriedhof.

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