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Münchner Schmuck- und Uhrenmesse

Die Inhorgenta 2022 zeigt, dass Pforzheim gut aus der Corona-Krise gekommen ist

Bei der Schmuck- und Uhrenmesse Inhorgenta in München gab es in diesem Jahr viel Gold, aber wenige Goldschmiede zu sehen. Hintergrund ist, dass die Teilbranche bereits unmittelbarer von den Krisen dieser Tage betroffen ist als Juweliere im hochwertigen Segment.

Romy Feuchtner am Stand von Peter Fischer Juwelen bei der Schmuck- und Uhrenmesse Inhorgenta in München
Alles, was glänzt: Große und kleine Edelsteine in Kombination mit Edelmetall und ausgefeilten Entwürfen präsentiert Romy Feuchtner von Peter Fischer Juwelen bei der Inhorgenta in München. Foto: Edith Kopf

Risikofreude hat sich ausgezahlt für die Schmuck- und Uhrenbranche. Sie verlässt München mit dem guten Gefühl, dass sich auch im April noch gute Geschäfte machen lassen. Mit 732 Ausstellern aus 33 Ländern und 17.285 Besucherinnen und Besuchern war die Inhorgenta zwar deutlich kleiner als vor zwei Jahren mit 1.055 Ausstellern und 26.000 Besuchern beim angestammten Februartermin.

„Die Messe lief aber deutlich besser, als die meisten geglaubt haben“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Schmuck und Uhren, Guido Grohmann.

Hilfreich dürfte dabei das so genannten Top-Buyer-Programm gewesen sein. Die Messe hatte nach eigenen Angaben 500 von den Ausstellern ausgewählte Premiumkunden nach München geholt. Sie sorgten insbesondere am Freitag im Schmuckbereich für gut gefüllte Auftragsmappen.

Branche ist wie befreit

Schmuck von A. Odenwald bei der Schmuck- und Uhrenmesse Inhorgenta in München
Erfreut das Auge: Statementschmuck von A. Odenwald in Pforzheim ist auch in diesem Jahr ein Hingucker bei der Uhren- und Schmuckmesse Inhorgenta. Foto: Edith Kopf

Auch die Mehrheit der knapp 60 Aussteller aus dem Nordschwarzwald rund um Pforzheim hatte bereits gut Bestellungen aufzuschreiben, bevor am Samstag statt der erlesenen Zahl der Großhändler unter den Juwelieren fast nur noch Einzelhändler über die weichen Teppiche in den Münchner Messehallen liefen.

Entsprechend herzlich fiel am Abend das Branchentreffen aus. Die rund 450 Leute bei dem Highlight in der BMW-Welt „wirkten wie befreit“, sagt Pforzheims Wirtschaftsförderer Markus Epple über die Gala zur Verleihung der acht Inhorgenta-Awards.

Die Pforzheimer Schmuckbranche ist relativ gut durch die Coronakrise gekommen und blickt positiv in die Zukunft.
Peter Boch, Oberbürgermeister von Pforzheim

Gute Stimmung und zufriedene Gesichter erlebte die Pforzheim-Delegation mit Oberbürgermeister Peter Boch (CDU) und dem Direktor von Wirtschaft und Stadtmarketing, Oliver Reitz, an der Spitze auch bei ihrem Messerundgang am Sonntag. „Wirklich überraschend“ dabei war für Epple, „dass das Thema Nachhaltigkeit jetzt sukzessive alle trifft und sich auch in den Preisen niederschlägt“.

Die Inhorgenta habe einmal mehr gezeigt, wie wichtig sie für Branchenaustausch und Kundenmanagement ist, urteilt Boch. Bei den Gesprächen an den Ständen habe er erfahren, „dass die Pforzheimer Schmuckbranche relativ gut durch die Coronakrise gekommen ist und positiv in die Zukunft blickt“.

„Echtschmuckfirmen haben einen Lauf wie selten, da ist es richtig schwierig, sich in einen Krisenmodus einzudenken“, sagt Grohmann unter dem Eindruck der Inhorgenta. Natürlich sei über Energiekrise, Lieferketten, Nachhaltigkeitsstandards sowie Krieg und Corona gesprochen worden. Die Mehrheit glaube, „da kommt noch was.“

Wenn die untere und mittlere Mittelschicht kein Geld für Benzin mehr hat, kauft sie keinen Schmuck.
Markus Epple, Pforzheimer Wirtschaftsförderer

Details dazu ließen sich am Messegeschehen ablesen. Unter den vielen Besuchern am Sonntag, die alle Erwartungen übertrafen, „fehlten die Goldschmiede“. Sie waren nicht da, weil ihr „Geschäft richtig runter geht“, erläutert Grohmann seine Beobachtung.

Sophia Mohr bei ihrem ersten Auftritt bei der Schmuck- und Uhrenmesse Inhorgenta in München
Handgezeichnet: Sophia Mohr setzt bei ihrer Schmuckmarke Klara Blau auf Unikate mit Seriencharakter. Sie nutzt dafür digitale Technik. Foto: Edith Kopf

Auch der geringe Anteil kleiner familiengeführter Juweliergeschäfte aus ländlichen Regionen kann als Spiegelbild aktueller gesellschaftlicher Veränderungen gewertet werden. „Wenn die untere und mittlere Mittelschicht kein Geld für Benzin mehr hat, kauft sie keinen Schmuck“, kommentiert Epple. Von den Reichen alleine, die krisenbedingt mehr als sonst Geld in die Luxuszonen des Juwelenhandels tragen, könnten auch die meisten Edelmarken und -produzenten nicht leben.

Viele internationale Besucher

Am Messeumsatz in München lässt sich all das eher nicht ablesen. Denn zum einen ist das Geschäft nicht abgeschlossen, wenn die Stände an diesem Dienstag abgebaut werden. Zum anderen kam die potenzielle Kundschaft aus 79 Ländern.

Hansjörg Vollmer, Uhrenfirma Aristo Pforzheim, bei der Schmuck- und Uhrenmesse Inhorgenta in München mit einem historischen Fernsehausschnitt-Uhrgehäuse in Stahl von RP (Richard Pfisterer)
Retro im Original: Hansjörg Vollmer zeigt bei der Inhorgenta in München ein Fernsehausschnitt-Uhrgehäuse, das die Firma RP in den 70er Jahren aus Stahl herstellte. Foto: Edith Kopf

„Der internationale Anteil bei den Besuchern ist auf 40 Prozent gewachsen“, hebt der scheidende Messechef Klaus Dittrich hervor. Er wird seinem Nachfolger Stefan Rummel also eine Inhorgenta übergeben, die selbst unter Krisenbedingungen vom Wegfall der Baselworld profitieren konnte. Ein Indiz für diese Lesart ist in der Schlussbilanz der Hinweis, dass „erstmals unter anderem Brasilien, Malta und Vietnam vertreten waren“.

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