Risikofreude hat sich ausgezahlt für die Schmuck- und Uhrenbranche. Sie verlässt München mit dem guten Gefühl, dass sich auch im April noch gute Geschäfte machen lassen. Mit 732 Ausstellern aus 33 Ländern und 17.285 Besucherinnen und Besuchern war die Inhorgenta zwar deutlich kleiner als vor zwei Jahren mit 1.055 Ausstellern und 26.000 Besuchern beim angestammten Februartermin.
„Die Messe lief aber deutlich besser, als die meisten geglaubt haben“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Schmuck und Uhren, Guido Grohmann.
Hilfreich dürfte dabei das so genannten Top-Buyer-Programm gewesen sein. Die Messe hatte nach eigenen Angaben 500 von den Ausstellern ausgewählte Premiumkunden nach München geholt. Sie sorgten insbesondere am Freitag im Schmuckbereich für gut gefüllte Auftragsmappen.
Branche ist wie befreit
Auch die Mehrheit der knapp 60 Aussteller aus dem Nordschwarzwald rund um Pforzheim hatte bereits gut Bestellungen aufzuschreiben, bevor am Samstag statt der erlesenen Zahl der Großhändler unter den Juwelieren fast nur noch Einzelhändler über die weichen Teppiche in den Münchner Messehallen liefen.
Entsprechend herzlich fiel am Abend das Branchentreffen aus. Die rund 450 Leute bei dem Highlight in der BMW-Welt „wirkten wie befreit“, sagt Pforzheims Wirtschaftsförderer Markus Epple über die Gala zur Verleihung der acht Inhorgenta-Awards.
Die Pforzheimer Schmuckbranche ist relativ gut durch die Coronakrise gekommen und blickt positiv in die Zukunft.Peter Boch, Oberbürgermeister von Pforzheim
Gute Stimmung und zufriedene Gesichter erlebte die Pforzheim-Delegation mit Oberbürgermeister Peter Boch (CDU) und dem Direktor von Wirtschaft und Stadtmarketing, Oliver Reitz, an der Spitze auch bei ihrem Messerundgang am Sonntag. „Wirklich überraschend“ dabei war für Epple, „dass das Thema Nachhaltigkeit jetzt sukzessive alle trifft und sich auch in den Preisen niederschlägt“.
Die Inhorgenta habe einmal mehr gezeigt, wie wichtig sie für Branchenaustausch und Kundenmanagement ist, urteilt Boch. Bei den Gesprächen an den Ständen habe er erfahren, „dass die Pforzheimer Schmuckbranche relativ gut durch die Coronakrise gekommen ist und positiv in die Zukunft blickt“.
„Echtschmuckfirmen haben einen Lauf wie selten, da ist es richtig schwierig, sich in einen Krisenmodus einzudenken“, sagt Grohmann unter dem Eindruck der Inhorgenta. Natürlich sei über Energiekrise, Lieferketten, Nachhaltigkeitsstandards sowie Krieg und Corona gesprochen worden. Die Mehrheit glaube, „da kommt noch was.“
Wenn die untere und mittlere Mittelschicht kein Geld für Benzin mehr hat, kauft sie keinen Schmuck.Markus Epple, Pforzheimer Wirtschaftsförderer
Details dazu ließen sich am Messegeschehen ablesen. Unter den vielen Besuchern am Sonntag, die alle Erwartungen übertrafen, „fehlten die Goldschmiede“. Sie waren nicht da, weil ihr „Geschäft richtig runter geht“, erläutert Grohmann seine Beobachtung.
Auch der geringe Anteil kleiner familiengeführter Juweliergeschäfte aus ländlichen Regionen kann als Spiegelbild aktueller gesellschaftlicher Veränderungen gewertet werden. „Wenn die untere und mittlere Mittelschicht kein Geld für Benzin mehr hat, kauft sie keinen Schmuck“, kommentiert Epple. Von den Reichen alleine, die krisenbedingt mehr als sonst Geld in die Luxuszonen des Juwelenhandels tragen, könnten auch die meisten Edelmarken und -produzenten nicht leben.
Viele internationale Besucher
Am Messeumsatz in München lässt sich all das eher nicht ablesen. Denn zum einen ist das Geschäft nicht abgeschlossen, wenn die Stände an diesem Dienstag abgebaut werden. Zum anderen kam die potenzielle Kundschaft aus 79 Ländern.
„Der internationale Anteil bei den Besuchern ist auf 40 Prozent gewachsen“, hebt der scheidende Messechef Klaus Dittrich hervor. Er wird seinem Nachfolger Stefan Rummel also eine Inhorgenta übergeben, die selbst unter Krisenbedingungen vom Wegfall der Baselworld profitieren konnte. Ein Indiz für diese Lesart ist in der Schlussbilanz der Hinweis, dass „erstmals unter anderem Brasilien, Malta und Vietnam vertreten waren“.