Eine vermeintlich befleckte Familienehre könnte der Auslöser für eine brutale Tat an einer 20 Jahre alten Schwangeren am 14. Januar gewesen sein.
Wegen Geiselnahme, Körperverletzung und Bedrohung müssen sich seit vergangenen Mittwoch zwei junge Männer vor der Großen Auswärtigen Strafkammer verantworten. Mit angeklagt wegen Beihilfe ist eine 30 Jahre alte Frau. Gestern, am zweiten Verhandlungstag, musste die 20-Jährige nochmals als Zeugin aussagen.
Rund dreieinhalb Stunden lang berichtete die Zeugin von ihrem Martyrium. Der einstige Freund, dem sie schon einige Zeit zuvor von der Schwangerschaft erzählt hatte, holte sie an jenem Januartag zu Hause ab. Sie dachte, man gehe irgendwohin, etwas trinken, mit Bekannten reden. Stattdessen führte die Autofahrt zu einem einsamen Feldweg.
Dort forderte der 25-Jährige plötzlich, das Kind müsse weg. Obwohl er vermutlich gar nicht der Vater des Ungeborenen sein dürfte, wie die Zeugin aussagte und was sie dem Angeklagten auch gesagt habe. Käme es zur Welt, werde weder sie, die Mutter, noch das Baby lange zu leben haben, wurde ihr gedroht.
Opfer berichtet über drei Stunden von ihrem Martyrium
Zusammen mit seinem 23-jährigen Bruder versuchte der Ältere der jungen Frau mit Gewalt Tabletten einzuflößen, die die Schwangerschaft beenden sollten. Sie spuckte sie aus. Dafür kassierte sie Faustschläge ins Gesicht, gegen den Körper, immer wieder.
Der Bruder hielt sie fest. Endlich gelang es den Männern, ihr mehrere Tabletten in den Mund zu stopfen, dazu kippten sie ihr rund zwei Liter Wasser in die Kehle. Sie war erschöpft, benommen, an Flucht war nicht zu denken.
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Nach etwa zwei Stunden erschien die Mitangeklagte, die die Zeugin untersuchte, ob sie auch wirklich keine Tablette mehr in der Kleidung versteckt habe. Der jüngere Bruder überlegte, ob er die Schwangere nicht auf das Feld legen und ihr so lange in den Bauch schlagen solle, bis sie das Kind verlöre. Was der Ältere aber ablehnte, sie habe „ja die Tabletten geschluckt“.
Familie der Angeklagten versuchten, Anzeige abzuwenden
Später versuchte die Familie der Angeklagten mehrfach mit der jungen Frau Kontakt aufzunehmen. Sie möge doch die Anzeige zurücknehmen, man werde dann auch alles für sie tun, was nur möglich sei.
Auch dafür sorgen, dass sich die Brüder entschuldigten. Darauf ging sie jedoch nicht ein. Das Kind ist inzwischen geboren und wohlauf.
Nach einer Verhandlungspause beantragten die vier Verteidiger der Angeklagten, dass der Prozess nicht weitergeführt werden könne. Grund: Der Vertreterin der Nebenklage, Rechtsanwältin Stephanie Vogt, sei Akteneinsicht gewährt worden, ohne dass die Verteidiger davon Kenntnis erlangen und ihr Einverständnis geben konnten. Die Aussagen der Zeugin seien daher nicht verwertbar.
Verteidiger: Aussagen der Zeugin nicht verwertbar
Staatsanwältin Anja Becker konterte, die Nebenklage habe ein Recht auf Akteneinsicht. Und Nebenklagevertreterin Vogt versicherte, ihre Mandantin habe vom Inhalt der Akten nichts erfahren. Die Kammer unter Vorsitz von Richter Stefan Bien entschied, dass die Zeugin weiter befragt werden dürfe.
Die Chemie passt nicht.Albrecht Göring, Verteidiger
Das nächste Störfeuer entzündete der Verteidiger der angeklagten Frau, Albrecht Göring: Die Dolmetscherin habe Fragen seiner Mandantin nicht übersetzt, „die Chemie zwischen beiden passt nicht“.
Wie sich herausstellte, ging es nur um eine einzige Frage. Dennoch: „Passt nicht“, erklärte der Verteidiger nach neuerlicher Unterbrechung. Nun wird ein neuer Dolmetscher verpflichtet werden. Seltsamerweise hatte am ersten Verhandlungstag offenbar alles „gepasst“, wie Richter Bien verwundert bemerkte.
Termin
Der Prozess wird am 14. September um 9 Uhr fortgesetzt.