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Aidshilfe schlägt Alarm

HIV-Patienten stehen in Pforzheim ab April ohne medizinische Hilfe da

Paukenschlag bei der Aidshilfe: Durch den Tod des Pforzheimer Arztes Ralf Fuhrmann ergibt sich eine Versorgungslücke für HIV positive Menschen. Jetzt sucht die Aidshilfe händeringend nach einem Nachfolger. Doch das Thema schreckt viele ab.

Claudia Jancura und Timur Fuhrmann-Piontek hoffen, dass sich noch ein Arzt meldet, der HIV-Patienten behandeln darf, ansonsten dorht vielen ihrer Klienten eine persönliche Katastrophe
Machen sich Sorgen um ihre Klienten: Claudia Jancura und Timur Fuhrmann-Piontek hoffen, dass sich noch ein Arzt meldet, der HIV-Patienten behandelt. Foto: Stefan Friedrich

Es ist eine bittere Nachricht für die rund 200 HIV-positiven Menschen aus Pforzheim und dem Enzkreis: Vom 1. April an ist ihre Versorgung nicht mehr gewährleistet. Zwar sucht die Aidshilfe nach dem Tod des Arztes Ralf Fuhrmann händeringend nach einem Nachfolger, der die Betreuung übernehmen kann.

Bislang sieht es allerdings düster aus. Möglicherweise auch, weil unter vielen Medizinern nach wie vor große Vorurteile gegenüber HIV-Patienten bestehen.

Fuhrmann war zuletzt schon der einzige praktizierende Arzt in der Region, der einen Schwerpunkt für die Behandlung von HIV positiven Menschen hatte. Entsprechend hart hat es die Klienten getroffen, die sich jüngst bei der Aidshilfe in Pforzheim gemeldet und davon erfahren haben, dass sie bald quasi ohne medizinische Hilfe dastehen. Dabei ist erst ein kleiner Teil der rund 200 Betroffenen informiert.

„Viele wissen es noch gar nicht“, bestätigt die Leiterin der Beratungsstelle der Aidshilfe Pforzheim, Claudia Jancura. Ihren Angaben zufolge sind ihre Klienten zu je etwa der Hälfte Frauen und Männer, viele davon sozial schlechter gestellt oder psychisch angeschlagen. Sie haben kein Auto oder nicht die Möglichkeit, sich mal eben in den Zug nach Karlsruhe, Mannheim oder Stuttgart zu setzen und dort Praxen aufzusuchen, die HIV-Patienten noch behandeln.

Auf sie rollt also ein riesiges Problem zu, „wenn wir nicht auf die Schnelle noch etwas organisiert bekommen“, so der Vorsitzende der Aidshilfe, Timur Fuhrmann-Piontek. Genau danach sieht es momentan aber nicht aus.

Die Diskriminierung von HIV-Positiven ist leider immer noch da.
Claudia Jancura, Leiterin der Beratungsstelle der Aidshilfe Pforzheim,

Zum einen hat es damit zu tun, dass Ärzte, die Menschen mit HIV oder Geschlechtskrankheiten behandeln dürfen, bestimmte Fortbildungen benötigen. „Die haben nicht viele“, weiß Jancura. Zum anderen scheint für viele Mediziner Aids weiterhin ein Thema zu sein, mit dem sie nichts zu tun haben wollen; so wird es zumindest den Mitarbeitern der Aidshilfe von den Klienten gemeldet. Wer ihnen hilft, werde gerne mal stigmatisiert.

„Gerade im medizinischen Bereich ist die Diskriminierung von HIV-Positiven leider immer noch da“, bedauert Jancura. Dabei ist ein Arzt, der diese Menschen versteht und für sie da ist, also ein Arzt wie Fuhrmann es war, geradezu lebensnotwendig für die meisten Klienten. Ihren Hausärzten vertrauen sich nämlich die wenigsten an, aus Furcht vor deren Reaktion.

Die Hoffnung ist nun, dass sich - möglichst kurzfristig - doch noch ein Mediziner findet, der sich den Betroffenen ab April annimmt. Ehrenamtliche stehen zwar parat und unterstützen weiterhin nach ihren Möglichkeiten, auf Dauer sei das jedoch keine Lösung, räumt Jancura ein und verweist alleine auf die medizinische Hilfe, die die Patienten brauchen. Das Blut sollte regelmäßig getestet werden, und natürlich braucht es Rezepte für ihre Medikamente.

Ärzte könnten einmal im Monat nach Pforzheim kommen

Diese medizinische Betreuung hat Ralf Fuhrmann bis zu seinem Tod übernommen. Als Option wäre womöglich, dass sich Ärzte aus anderen Regionen melden, die einmal im Monat nach Pforzheim kommen, doch ob das realistisch ist, das bezweifelt Jancura. „Ich glaube eher weniger, dass das jemand machen wird.“

Auch deshalb wäre jetzt eigentlich die kassenärztliche Vereinigung gefragt, bemerkt Fuhrmann-Piontek. Doch inwieweit diese überhaupt aktiv wird, das sei ebenfalls ungewiss. „Die wissen ja, dass mein Mann der einzige in der Region war“, insofern wäre es „schon wünschenswert, dass die sich was ausdenken“, betont der Vorsitzende. Zumal nicht nur Menschen aus Pforzheim und dem Enzkreis hier Hilfe suchten; viele kamen auch aus dem Landkreis Calw. Auch deshalb findet es Jancura „schwierig, dass eine Stadt wie Pforzheim keinen Schwerpunkt mehr haben wird.“

Es sei denn eben, es findet sich doch noch jemand, der helfen will. Die Aidshilfe Pforzheim wird jedenfalls alles dafür tun, dass diese „mission impossible“ gelingt.

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