
Zweimal im Jahr bieten die Kirchen in Pforzheim einen gemeinsamen inklusiven Gottesdienst an, der sich zwar gezielt an Menschen mit Behinderung richtet, aber auch allen anderen offen steht. Der nächste wird am kommenden Donnerstag, 21. September, um 17.30 Uhr in der Thomaskirche stattfinden. An dessen Anschluss ist ein gemeinsamer Imbiss geplant.
Initiatorin dieser Form von Gottesdiensten in Pforzheim ist Ruth Kaspar, die selbst eine Tochter mit geistiger Behinderung hat. 2018 hat sie ein erstes Mal einen solchen inklusiven Gottesdienst in Karlsruhe besucht. „Darauf bin ich über die Diözese gestoßen und habe das dann einige Male besucht.“
Inklusiver Gottesdienst in Pforzheim musste erst noch die Pandemie abwarten
Dabei sei der Gedanke in ihr gereift, dass ein solcher Gottesdienst doch auch in Pforzheim angeboten werden könnte. „Ich habe dann Mitstreiterinnen und Mitstreiter gesucht und auch schnell welche gefunden“, erzählt sie – vor allem Lehrer, die an den beiden Sonderschulen in Pforzheim und Ispringen arbeiten, sowie andere Eltern von Kindern mit Behinderung. „Die waren sofort bereit, mitzuarbeiten“, sagt Kaspar.
Die Mutter erzählt: „Das Team hat sich vor Corona gebildet und wir waren schon ganz nah dran, aber dann ist natürlich erst mal alles ins Wasser gefallen.“ Masken und Abstandsregelungen haben sich nicht mit den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen vertragen. „Alle, die mit ihnen arbeiten, wissen natürlich, dass diese Menschen damit große Probleme haben.“
Fast zwei Jahre brauchte es noch Geduld, bis die Pandemie endlich in ihre Endphase eintrat, dann haben sie das Format des inklusiven Gottesdienstes ein erstes Mal auch in Pforzheim ausprobiert. „Wir haben es ökumenisch aufgezogen“, erklärt Kaspar.
Der ökumenische Gedanke ist uns wichtig.Ruth Kaspar
Initiatorin
Die Idee war, diesen Gottesdienst zweimal im Jahr, einmal im Frühjahr und einmal im Herbst, möglichst im Wechsel zwischen einer evangelischen und einer katholischen Kirche stattfinden zu lassen. „Der ökumenische Gedanke ist uns wichtig“, versichert Kaspar. Auch wenn die meiste Arbeit im Moment von katholischer Seite aus gemacht wird, weil es bei den evangelischen Kollegen oftmals an Zeit fehle.
So sei aber das Interesse und die Unterstützung von allen Seiten da, „und das freut uns natürlich“, betont Kaspar im Sinne auch der Besucher dieses inklusiven Gottesdienstes, deren Zahl allmählich größer wird. „Es spricht sich immer mehr rum und es kommen immer mehr zu uns“, freut sie sich. Das letzte Mal waren es etwa 50 Besucher, die teilgenommen haben.
Gepredigt wird beim inklusiven Gottesdienst in einfachen und verständlichen Worten
Anders als bei einem herkömmlichen Gottesdienst wird hier auf eine einfache Sprache zurückgegriffen, sowohl bei den Lesungstexten als auch bei den Predigten, beschreibt Kaspar den wesentlichen Unterschied. „Wir beziehen die Menschen mit ein und versuchen, ein kleines Anspiel mit Menschen mit Behinderung vorzubereiten“, das möglichst auch mit einem Gebärdendolmetscher unterstützt wird.
Eine Band bringt zudem Schwung und Rhythmus rein, „und das gefällt den Menschen natürlich“, sagt die Initiatorin. „Es ist alles völlig ungezwungen“ und niemand stört sich daran, wenn zwischendurch auch mal einer etwas reinschreit.
Alles soll hier unkompliziert und offen sein, soll alle Menschen abholen und in die Gottesdienstfeier integrieren. Meist haben sich Kirchen nämlich auf Gehörlose spezialisiert, „aber bei uns ist wirklich jeder willkommen“, versichert Kaspar, vor allem auch geistig Behinderte, auf denen momentan der Fokus liegt.
Initiatorin aus Pforzheim bemängelt fehlende Behindertenparkplätze
Auf deren Unterstützung sind sie allerdings angewiesen, etwa wenn es um den Transport von behinderten Menschen zur Kirche geht, wo bereits das nächste Problem auftritt: „Es gibt vor den Kirchen eigentlich keine Behindertenparkplätze“, jedenfalls nicht in dem benötigten Ausmaß. „Dann stehen die mehr oder weniger auf der Straße“, bedauert Kaspar diese Situation.
Sie berichtet von einer Freundin, die an Multipler Sklerose (MS) erkrankt ist und den einzigen Parkplatz vor einer Kirche nutzen durfte. „Es gibt aber noch mehr Menschen wie sie, die das wissen und dann den Aufwand einfach scheuen“, sprich: lieber erst gar nicht zur Kirche kommen, bevor sie Stress mit dem Parken haben. Insofern gebe es für Menschen Behinderungen noch einiges zu tun, damit auch sie unproblematisch an Gottesdiensten teilnehmen können, weiß Kaspar. Die inklusiven Gottesdienste sind da nur ein erster Schritt.