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Ballerspiel wird zum Sightseeing-Trip

Im Kommunalen Kino Pforzheim deutet Künstlerkollektiv „Total Refusal“ Computerspiele um

Leonhard Müllner vom Künstlerkollektiv „Total Refusal“ spricht im Kommunalen Kino Pforzheim darüber, wie etwa Ego-Shooter radikal pazifistisch umgedeutet werden können.

Pazifistisches Statement: Leonhard Müllner (Mitte) erzählt im Gespräch mit Mediendesign-Studentin Amelie Heckel und Thomas Hensel, wie Computerspiele vom Künstlerkollektiv „Total Refusal“ umgewidmet werden.
Pazifistisches Statement: Leonhard Müllner (Mitte) erzählt im Gespräch mit Mediendesign-Studentin Amelie Heckel und Thomas Hensel, wie Computerspiele vom Künstlerkollektiv „Total Refusal“ umgewidmet werden. Foto: Axel Fischer-Lange

Das Kommunale Kino (Koki) bietet Computerspiel-Fans ein Forum. Die Reihe „Koki zockt“ ist eine Kooperation des Koki mit der Fakultät für Gestaltung der Hochschule Pforzheim. In der fünften Veranstaltung wurden am Dienstag kunst- und medienwissenschaftliche Fragen diskutiert. Die Rolle von Computerspielen in Zeiten des Krieges war dabei ein zentrales Thema.

Zwar wurde nicht auf der großen Leinwand gezockt, dafür aber intensiv darüber diskutiert, welche inhaltliche Umdeutungen im Kontext von Computerspielen möglich sind. Zu Gast war an diesem Abend der österreichische Medienkünstler und Spiele-Theoretiker Leonhard Müllner.

Er ist Gründungsmitglied des Künstlerkollektivs „Total Refusal“, die sich selbst als „pseudo-marxistische Medienguerilla“ bezeichnen. Das Kollektiv nutzt Computerspiele auf radikal konträre Weise und gilt als Beispiel für das sogenannte Détournement, das „Ausdrucksformen des kapitalistischen Systems gegen sich selbst wendet, um kreativen Ungehorsam einzuüben“, so Müllner.

Mehrfache Prämierung

Eingeladen hatte Thomas Hensel, Professor an der Fakultät für Gestaltung. „Es geht um die Frage, wie man künstlerisch mit Computerspielen umgeht, damit gesellschaftliche Misstände sichtbar werden“, so Hensel.

Die Arbeiten von „Total Refusal“ wurden bereits mehrfach prämiert und auf der Berlinale, in namhaften Kunstmuseen und in TV-Kulturkanälen gezeigt. In seinem Vortag erläuterte Müllner die Arbeit von „Total Refusal“. Das Kollektiv beschäftigt sich mit der inhaltlichen Umnutzung des Mediums Computerspiel und führt es so einer neuen kulturellen, sozialen und philosophischen Bedeutung zu.

Friedliches Spiel

Das Umwidmen der Computerspiele geschieht nach einem ganz simplen Prinzip. Kriegsspiele und andere Ego-Shooter werden von „Total Refusal“ radikal pazifistisch bespielt – ohne schießen und erschossen zu werden. So gibt es im ursprünglichen Kampf-Spiel „The Division“ keine Feuergefechte.

Stattdessen unternimmt die Gruppe mit ihren Avataren eine Entdeckertour durch das virtuelle New York. Die Zielfernrohre ihrer Waffen werden als Ferngläser genutzt, um architektonische und historische Details zu betrachten. Dadurch eröffnen sich dem Spieler stadtplanerische und ökonomische Aspekte, die im Ballerspiel-Modus nur als atmosphärische Nebensächlichkeiten wahrgenommen würden.

Mit dieser Umnutzung der ursprünglich kampfbetonten Spielausrichtung wird durch den digitalen Sightseeing-Trip ein pazifistisches Statement. Beispiele dieser Arbeiten findet man kostenlos im Internet auf den Videoplattformen Vimeo und Youtube unter dem Suchbegriff „Operation Jane Walk“.

Bei der anschließenden Diskussion beantwortete Müllner auch Publikumsfragen. Wie viele Freiheiten bieten Spiele den Künstlern für die Verwirklichung ihrer Ideen? „Je blöder ein Spiel ist, desto lieber haben wir es“, antwortete Müllner verschmitzt. Die Gruppe nutzt kreativ die vorhandenen Mittel. Bei „The Division“ kann man mit der Figur nur rennen, gehen, knien und sich hinlegen. „Daraus versuchen wir dann beispielsweise, ein Ballett zu machen.“

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