
Die Stadt Pforzheim war am Montag ein landesweites Schaufenster für innovative Ideen für bezahlbaren Wohnraum. Dabei drehte sich alles um vom Land geförderte beispielgebende Projekte.
Eingeladen hatte dazu das Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen Baden-Württemberg. Bei der Netzwerkveranstaltung im Alten Schlachthof präsentierten die Projekt-Macher ihre unterschiedlichen, teils experimentellen baulichen und konzeptionellen Ansätze für bedarfsgerechten und bezahlbaren Wohnraum.
„Indem wir Best-Practice-Beispiele im Land sichtbar machen, wollen wir andere inspirieren und Mut zur Nachahmung machen“, sagte die zuständige Ministerin Nicole Razavi in ihrem Impulsvortrag zum Auftakt der Veranstaltung. Seit 2021 wurden 13 Projekte in zwölf Städten und Gemeinden anlässlich der Wohnraumoffensive BW gefördert: Mit von der Partie sind Altbach, Bad Waldsee, Baltmannsweiler, Bodnegg, Esslingen, Karlsruhe, Ludwigsburg, Neuried, Schorndorf, Stuttgart, Tübingen und Pforzheim.
Pforzheimer Baudezernentin spricht von „soziale Frage mit Sprengkraft“
Bezahlbarer Wohnraum „ist die soziale Frage mit Sprengkraft, auf die es nicht die eine Antwort gibt“, sagte die Pforzheimer Baudezernentin Sibylle Schüssler (Grüne) und lobte die Landesinitiative, die neue Ansätze fördert. So wie das genossenschaftliche Projekt Alter Schlachthof in Pforzheim, wo Wohnen, Arbeiten, Kunst und Kultur auf einem Areal von 5.000 Quadratmetern Grundfläche umgesetzt werden sollen.
Weitere Projekte, die vorgestellt wurden: Die Beratung „Aus Alt mach 2 und mehr“ in Bodnegg, die aufzeigt, wie aus Einfamilienhäusern mehrere Wohneinheiten und ein Miteinander von Alt und Jung entstehen kann. Im Karlsruher Stadtteil Rintheim gibt es das Projekt „Fläche neu gedacht“, das sich mit Garagenaufstockungen beschäftigt. In Neuried geht es dagegen um leere Tabakscheunen als Innenentwicklungspotenzial.
Wohnen wurde zur Kapitalanlage gemacht und zum Spekulationsobjekt.Martina Baum, Direktorin des Städtebau-Instituts
In einer anschließenden Podiumsdiskussion zum Thema „Neue Wege gehen bei der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum durch innovative Ideen“ ging Martina Baum, Direktorin des Städtebau-Instituts und Professorin für Stadtplanung und Entwerfen an der Universität Stuttgart der Ursache des Wohn-Dilemmas auf den Grund: „Wohnen wurde zur Kapitalanlage gemacht und zum Spekulationsobjekt.“ Dem Markt überlassen. Als rein privater Raum angesehen. „Jetzt haben wir das Drama“, so Baum.
In der Lehre an der Universität entwerfe man, auch vor dem Hintergrund des Klimawandels, neue räumliche Typologien für Mensch, Fauna und Flora, berichtete Baum. In Zukunft brauche es in der Ausbildung von Architekten und Stadtplanern wieder mehr Know-how an der Schnittstelle zu einem starken Handwerk, um spezifische und nachhaltige Lösungen entwickeln zu können, ist Baum überzeugt.
Der Bürgermeister der Gemeinde Baltmannsweiler, Simon Schmid, wies darauf hin, dass 30 Prozent des Bauens der Erfüllung von Normen geschuldet sei. „Wir müssen an die Standards“, appellierte er an die Landes- und Bundespolitik. Ministerin Razavi strebt an, die Dinge „besser, einfacher, schneller“ zu machen.
Einheitliche Bauordnung für Deutschland als Anregung
Wohnen hat „so eine Dimension erreicht, dass nochmal gezielt neu nachgedacht werden muss“, gab Schüssler der Ministerin im Podiumsgespräch mit auf den Weg.
Und „warum nicht über einheitliche Bauordnung für ganz Deutschland nachdenken?“, fragte die Baudezernentin. Nach ihrem Tipp für andere Gemeinden gefragt, erklärte sie: „Man braucht Menschen mit Engagement und Mut.“ Und in der Verwaltung eine Organisationseinheit, die in einer normalen Verwaltung gar nicht vorgesehen sei.
Erwartungen von jungen Menschen benannte Jugendgemeinderat Leon Meyer auf dem Podium: Die größte Erwartung sei: „Nicht nur fürs Wohnen arbeiten.“ Junge Leute wünschten sich zudem eine Gemeinschaft, dass Wohnen Stil habe, und Elemente, die verbinden.