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Gedenken an Reichspogromnacht

Jüdische Gemeinde will in Pforzheim eine neue Synagoge bauen

Die Jüdische Gemeinde in Pforzheim will eine neue Synagoge bauen. Das gab sie an einem der dunkelsten Gedenktage der deutschen Geschichte bekannt.

Drei Männer stehen auf einem Platz, einer hält zwei Kränze in den Händen.
Erinnerung: Rami Suliman, der Rabbiner Mosche Yudelevitch und Oberbürgermeister Peter Boch legen Kränze am Platz der Synagoge nieder. Foto: Roland Wacker

Die Überraschung am Jahrestag der Reichspogromnacht ist gelungen: „Wir wollen den Tag nutzen, als die alte Synagoge gebrannt hat, um eine neue Synagoge in Pforzheim vorzustellen“, sagte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Rami Suliman bei einer Gedenkveranstaltung am Dienstag.

Der Tag ist symbolträchtig: Es ist der 83. Jahrestag der Reichspogromnacht, dem Tag, als in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 im gesamten Deutschen Reich Synagogen verwüstet und geschändet wurden – auch die in Pforzheim.

„Man sagt, wer baut bleibt. Bei uns ist es umgekehrt. Wir sind geblieben. Jetzt wollen wir bauen“, kündigte Suliman an. Gemeinsam mit Architekt Peter W. Schmidt stellte er die Vision für den Neubau einer Synagoge vor.

Die neue Synagoge könnte auf dem gemeindeeigenen Gelände neben dem derzeitigen Gebetshaus in der Emilienstraße entstehen. Der Entwurf von Schmidt besticht durch seine klassische Form, angelehnt an den salomonischen Tempel. Zur Straße ist er verschlossen, „aus Sicherheitsgründen“.

Eine Rosette nehme ein Motiv der alten Synagoge auf. Zum Hof hin ist ein fließender Übergang von außen nach innen vorgesehen. Eine leicht gewölbte Decke und warme Innentöne kennzeichnen das Innere, erklärte Schmidt.

Die Israelitische Religionsgemeinschaft Baden hat den Plänen für einen Neubau bereits zugestimmt. Das Ja der jüdischen Gemeinde in Pforzheim fehlt noch. Eine dafür nötige Versammlung habe wegen der Pandemie bisher nicht stattgefunden, erklärte Suliman. Er hoffe, dass man das bis Ende Januar nachhole. „Es ist nicht zu erwarten, dass die Gemeinde ihre Zustimmung versagt“, so Suliman.

Kostenschätzung: vier bis fünf Millionen Euro

Parallel laufen die Planungen weiter. Anfang oder Mitte des kommenden Jahres könne man die Pläne wohl einreichen. Danach ist von drei Jahren Bauzeit auszugehen, so Suliman. Die Kosten schätzt er auf circa vier bis fünf Millionen Euro. Eine frühe und vorsichtige Schätzung, wie er betont.

Das jetzige jüdische Gemeindezentrum entstand vor 16 Jahren aus dem Gebäude der ehemaligen Landeszentralbank. Zur feierlichen Einweihung der Synagoge mit Einsetzung der Thora-Rollen waren Ehrengäste aus aller Welt gekommen. Der Gebetssaal der Synagoge umfasst laut jüdischer Gemeinde 58 Sitzplätze für Männer sowie 40 Sitzplätze auf der Frauenempore.

Eine schöne sichtbare Synagoge, auf die wir stolz sein können, fehlt uns.
Rami Suliman, Gemeindevorsitzender

Suliman sagt, man fühle sich dort durchaus wohl. „Es ist klein und kuschelig. Aber von außen ist nicht sichtbar, dass es eine Synagoge ist. Eine schöne sichtbare Synagoge, auf die wir stolz sein können, fehlt uns.“ Jetzt sei es an der Zeit, auch in Pforzheim eine Synagoge zu bauen. Sie soll auf 130 bis 140 Sitzplätze ausgelegt werden und damit deutlich mehr Platz bieten als die jetzige.

Architekt Peter W. Schmidt ist in Pforzheim derzeit noch an einem anderen öffentlichkeitswirksamen Projekt beteiligt. Er ist Architekt des Holzhochhauses „Carl“ im Stadtteil Arlinger. Dort war kürzlich erster Spatenstich.

Die Vorstellung der Idee der neuen Synagoge fand im Rahmen der von der Stadt, der Jüdischen Gemeinde, der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Gemeinden und den Pforzheimer Schulen gestalteten Veranstaltung zum Gedenken an die Reichspogromnacht im Volksbankhaus statt.

Pforzheims OB verurteilt Missbrauch von Judenstern-Symbolik durch Impfgegner

Musikalisch wurde die Veranstaltung umrahmt durch Angelika Vogel auf dem Akkordeon. Oberbürgermeister Peter Boch (CDU) erinnerte daran, dass der Ausbruch von Hass und Gewalt von den Nazis von langer Hand geplant war.

Heftig kritisierte er, dass Impfgegner Judensterne als Zeichen ihres Widerstands gegen eine Impfung missbrauchen, er nannte es „geschmacklos und gefährlich“. Wer die Demokratie solchermaßen zu einem Unrechtsstaat erkläre, verkehre die Vergangenheit und Gegenwart gleichermaßen.

Schüler der Klasse 10B des Reuchlin-Gymnasiums führten den Besuchern die alte Synagoge mit dem Davidstern auf der Hauptkuppel in aller Pracht vor Augen. In Archiven hatten sie recherchiert, dass die Synagoge 1905 als Sehenswürdigkeit und Besuchsziel klassifiziert wurde.

Sie erinnerten daran, dass die Synagoge, weil sie durch Sprengladungen von SA und SS nicht vollständig zerstört worden war, auf Kosten der jüdischen Gemeinde abgerissen werden musste. Mit dem Bild eines geretteten Türbeschlags der alten Synagoge wollte die Schulklasse symbolisch „den Weg in eine Zukunft ohne Hass und Antisemitismus öffnen“.

Zum Abschluss begab sich die Versammlung auf den Platz der Synagoge an der Zerrennerstraße/Goethestraße, wo nach einem Gebet von Rabbiner Mosche Yudelevitch Kränze durch die Jüdische Gemeinde und Oberbürgermeister Boch am Mahnmal niedergelegt wurden.

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