
Der Onlinehandel-Riese Klingel steht in Pforzheim vor dem Aus. Das berichten übereinstimmend Unternehmen, Betriebsrat und die Gewerkschaft Ver.di.
Demnach wird die insolvente Firmengruppe K-Mail-Order GmbH, zu der Klingel gehört, keinen Investor finden und folglich die Geschäftstätigkeiten komplett einstellen. 1.300 Mitarbeiter in Pforzheim stehen damit vor dem Aus. 300 weitere hatten bereits während der Insolvenzphase gekündigt.
Klingel findet keinen Investor
„Eine dauerhafte Fortführung des Geschäftsbetriebs ist ohne Investorenlösung nicht möglich. Angesichts der schwierigen Branchen- und Unternehmenssituation ist jedoch kein Interessent bereit, in die Unternehmensgruppe als Ganzes zu investieren und diese auf Basis der ausgearbeiteten Sanierungskonzepte fortzuführen“, heißt es in einer Mitteilung von Klingel.
„Von der rückläufigen Branchenentwicklung ist die Klingel-Gruppe mit einem zweistelligen Umsatzrückgang überproportional betroffen“, heißt es dort weiter. „Zudem hat die Umstellung der IT-Systeme, die im zweiten Halbjahr 2022 umgesetzt wurde, den Geschäftsbetrieb erheblich beeinträchtigt und die Umsatz- sowie Ergebnisentwicklung in den ersten Monaten 2023 zusätzlich belastet.“
Diese Entscheidung ist uns allen nicht leichtgefallen.Klingel-Geschäftsführung
in einer gemeinsamen Erklärung
Die Geschäftsleitung lässt sich so zitieren: „Diese Entscheidung ist uns allen nicht leichtgefallen, aber es gibt leider keine Alternative. In den kommenden Monaten werden wir im Interesse der Gläubiger, der Kundinnen und Kunden sowie der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Eigenverwaltungsverfahren bestmöglich fortführen.“
„Der Betriebsrat ist fassungslos“, teilt dieser wiederum mit. Das firmeninterne Gremium wirft der Geschäftsleitung „völlig realitätsfremde Zukunftsprognosen“ vor.
Das Ausmaß der Schieflage bei Klingel sei erst mit der Insolvenz im Mai offenkundig geworden.
Aus der Klingel-Gruppe in Pforzheim: Betriebsrat erhebt schwere Vorwürfe
Geschäftsleitungen, Fachleute, die Inhaberfamilie Kohm: „All diese Ebenen haben aus Sicht des Betriebsrats versagt.“ Der Betriebsrat könne nun nicht mehr machen, als Mitarbeitern bei der Suche nach einem Anschlussjob zu helfen und eine „überschaubare“ Abfindungsregelung zu verhandeln.

„Die Folge daraus ist, dass die Arbeitnehmer, die teilweise seit Jahrzehnten bei Klingel beschäftigt waren und die hieran am wenigsten Schuld tragen, den höchsten Preis für dieses Versagen zahlen und nun vor dem Scherbenhaufen ihres Berufslebens stehen.“
Entlassungen erfolgen in mehreren Schritten
Nicht alle Mitarbeiter werden sofort entlassen. „Das Weihnachtsgeschäft muss noch abgewickelt werden“, sagt Gewerkschaftssekretär Robin Weller.
Das Unternehmen bestätigt dies: „Die Unternehmensgruppe wird sich in den kommenden Monaten darauf fokussieren, die Herbst/Winter Kollektion 2023/2024 zu verkaufen.“
„Man dachte noch bei der letzten Betriebsversammlung, dass es weitergeht“, so Weller. „So ist das emotional schon sehr schwierig.“ Die Firma Klingel wurde 1923 gegründet, drei Jahre später übernahm die Familie Kohm die Geschäfte.