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Kostenloser Nahverkehr

Kommt auch in Pforzheim das Null-Euro-Ticket für Stadt-Angestellte?

Städtische Beschäftigte in Stuttgart können ab April 2023 bundesweit kostenlos Bus und Bahn fahren. In anderen Kommunen im Südwesten gibt es das nicht. Ausgerechnet Pforzheim könnte nachziehen.

ARCHIV - 27.08.2022, Baden-Württemberg, Überlingen Am Bodensee: Zugreisende stehen am Bahnhof, um in einen Zug einzusteigen. (zu dpa: Städte können sich kostenlosen Nahverkehr nicht leisten) Foto: Felix Kästle/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Dynamische Entwicklung: Das 9-Euro-Ticket hat viel Bewegung in die Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) gebracht. Foto: Felix Kästle/dpa

Für diesen Personenkreis wird das Null-Euro-Ticket wahr: Von April 2023 an sollen rund 24.000 bei der Landeshauptstadt Stuttgart und ihren Unternehmen Beschäftigte kostenlos Bus und Bahn fahren können – und zwar nicht nur in Stuttgart, sondern in ganz Deutschland.

„Wir wollen mit diesem bärenstarken Angebot in Zeiten des Fachkräftemangels als Arbeitgeber noch attraktiver werden und zudem einen wichtigen Beitrag zum Umstieg auf den öffentlichen Personennahverkehr leisten“, sagte Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) der Deutschen Presse-Agentur. Das Null-Euro-Jobticket für alle städtischen Beschäftigten würde Stuttgart nach eigener Aussage fünf Millionen Euro zusätzlich kosten.

Dass das Stuttgarter Ticket im April starten soll ist kein Zufall. Den Plänen von Oberbürgermeister Nopper zufolge wird es mit dem bundesweiten 49-Euro-Ticket gekoppelt, das voraussichtlich ebenfalls im April an den Start gehen könnte. Kanzler Olaf Scholz (SPD) und die Ministerpräsidenten hatten sich in Verhandlungen zuletzt darauf geeinigt, das 49-Euro-Ticket gemeinsam zu finanzieren – die Rede ist von jeweils 1,5 Milliarden Euro zusätzlich von Bund und Ländern.

49-Ticket eröffnet auch Kommunen neue Möglichkeiten

Die erwarteten Zuschüsse aus Berlin und vom Land Baden-Württemberg eröffnen der Stadt Stuttgart offenbar einen größeren Handlungsspielraum jenseits des bisherigen ÖPNV-Jobtickets, das neben der Landeshauptstadt viele Kommunen im Land anbieten – größere wie kleinere.

In Bruchsal etwa werde das Jobticket für die 720 Rathaus-Mitarbeiter „schon seit vielen Jahren“ angeboten, sagt Pressesprecherin Ina Kunzmann. Abgedeckt werde die Strecke zwischen Wohnort und Arbeitsplatz. 2023 soll es der Sprecherin zufolge Änderungen in Bruchsal geben, unter anderem wegen des 49-Euro-Tickets.

Das Stuttgarter Modell kann ein Vorbild sein.
Felix Herkens, Grünen-Landtagsabgeordneter

„Mit dem 49-Euro-Ticket wird sich vieles ändern“, sagt der Landtagsabgeordnete Felix Herkens. Der Grünen-Politiker begrüßt den Vorstoß des Stuttgarter CDU-Oberbürgermeisters im Gespräch mit dieser Redaktion ausdrücklich: „Das Stuttgarter Model kann Vorbild für andere Kommunen in Baden-Württemberg sein.“ Herkens ist auch Mitglied im Gemeinderat seiner Heimatstadt Pforzheim. Dort setzt sich die CDU-Fraktion, die stärkste kommunalpolitische Kraft, ebenfalls für das Null-Euro-Jobticket ein.

Wie in Stuttgart wird Pforzheim von einem CDU-Oberbürgermeister, Peter Boch, regiert. Zumindest die politischen Voraussetzungen für das Vorhaben wären also vorhanden. Hinderlich dürfte die chronische Finanzschwäche der „Goldstadt“ sein. CDU-Fraktionschefin Marianne Engeser: „Wir haben den entsprechenden Antrag gestellt und sind auf die Einschätzung des Rathauses gespannt.“

Über das Jobticket hinaus meist keine Pläne

Die Kosten wirken auch andernorts als Bremsschuh. Nicht einmal in der Grünen-Hochburg Tübingen gibt es aktuell konkrete Pläne für ein solches Null-Euro-Ticket. Dabei ist kostenloser Nahverkehr in der Universitätsstadt seit vielen Jahren in der Diskussion und erklärter Wunsch von Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne). „Neben der konkreten Umsetzung ist bisher vor allem die Finanzierung noch nicht geklärt“, sagte eine Stadtsprecherin der „dpa“. Umgesetzt worden sei immerhin der ticketfreie Samstag: Seit Februar 2018 ist das Busfahren samstags kostenlos.

In Konstanz erhalten die Mitarbeitenden der Stadtwerke seit vielen Jahren kostenfreie Tickets zur Nutzung des Stadtbus- oder Fährverkehrs, wie ein Stadtsprecher mitteilte. Für alle anderen Mitarbeiter gewährt die Stadt einen Zuschuss über das Jobticket. Demnach wird das städtische Busticket mit 30 Euro pro Monat bezuschusst. Eine Anhebung des Zuschusses werde wegen der aktuellen Haushaltslage nicht diskutiert, hieß es.

Zuschüsse über das Jobticket bieten nicht nur viele Kommunen für ihre Beschäftigten, sondern auch Landkreise. So erhalten die rund 2.000 Mitarbeiter der Landkreisverwaltung Karlsruhe einen Zuschuss in Höhe von 35 Prozent der tatsächlich entstandenen Kosten für Fahrten mit dem ÖPNV zwischen Wohnsitz und Arbeitsort, wie Sprecher Martin Zawichowski auf BNN-Anfrage sagte. Zweck eines solchen Jobtickets ist nicht nur die Förderung des ÖPNV, sondern auch die Mitarbeiterbindung.

Dem Stuttgarter Modell will man im Landkreis Karlsruhe aber nicht folgen. „Von Seiten der Landkreisverwaltung gibt es derzeit keine Überlegungen, weitere Vergünstigungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landkreisverwaltung einzuführen, über die ohnehin der Kreistag entscheiden müsste“, so der Sprecher von Landrat Christoph Schnaudigel (CDU).

Weitere Vergünstigungen, die für alle oder einen großen Teil der ÖPNV-Nutzer gelten, seien dennoch auf der Tagesordnung. Zawichowski: „Aktuell sei hier die Einführung des 49 Euro-Tickets oder das landesweite Jugendticket erwähnt, die ebenfalls vom Landkreis bezuschusst werden müssen.“

Städte- und Gemeindebund warnt vor Scheitern

Ähnlich sieht es im Landkreis Rastatt aus. Dort biete das Landratsamt seinen Beschäftigten aktuell einen Zuschuss von 42 Prozent auf KVV-Tickets an, so Sprecher Michael Janke. Die Förderung setze sich zusammen aus den zwölf Prozent als Jobticket-Basis, die jeder Arbeitgeber im Gebiet des Karlsruher Verkehrsverbunds (KVV) ab einer bestimmten Anzahl an Firmenkarten bekommt.

Mehrheitsgesellschafterin beim KVV ist die Stadt Karlsruhe, die als Arbeitgeberin ebenfalls mit Zuschüssen zum Jobticket lockt. OB Frank Mentrup (SPD) erklärte auf BNN-Anfrage: „Dem Beispiel Stuttgarts zu folgen und das Ticket jetzt gänzlich kostenfrei zu machen, ließe der Haushaltsvollzug nur zu, wenn dafür an anderer Stelle dementsprechend gleichviel eingespart werden würde. Das ist derzeit nicht realistisch und auch für Karlsruhe nicht sinnvoll.“ Vielmehr sei man gerade mit dem Gesamtpersonalrat in Gesprächen, wie man mit anderen Maßnahmen als Arbeitgeberin attraktiver werden können.

Aus Mentrups Sicht setzt ein kostenloses Jobticket auch verkehrspolitisch falsche Akzente. „Kostenfreien ÖPNV nehmen die Menschen gelegentlich gerne mit, ohne an ihrem grundsätzlichen Mobilitätsverhalten etwas zu ändern. Zusätzlich vorhandenes Geld sollte daher eher in die Verbesserung des Netzes und der Taktung investiert werden und nicht in kostenfreies Fahren“, so Mentrup.

Unterdessen hält der Deutsche Städte- und Gemeindebund noch ein Scheitern des allgemeinen 49-Euro-Tickets für möglich. Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg sagte der „Funke Mediengruppe“, der vergünstigte Sonderfahrschein für alle könne nur funktionieren, wenn Bund und Länder die Mehrkosten dauerhaft übernehmen. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte das bundesweit gültige 49-Euro-Ticket ursprünglich zum Jahreswechsel einführen wollen. Ob es – wie von Stuttgarts OB Nopper kalkuliert – schon im April starten kann, ist noch nicht sicher.

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