
Enttäuscht darüber, wie die Stadtverwaltung den diesjährigen Gedenktag geplant und umgesetzt hat, zeigten sich sowohl Initiative gegen Rechts (IgR) als auch Mitglieder des Bündnisses Pforzheim nazifrei.
„Halbherzig“, nannte es Christian Schmidt, einer der IgR-Sprecher. In einer Stadt mit dieser Geschichte müsse die Verwaltung deutlichere Zeichen setzen. Sein Mitstreiter Christof Grosse wünscht sich, die Stadtspitze würde generell am Wartberg Präsenz zeigen, nicht nur auf dem Marktplatz.
Allerdings ist ihm die Problematik bewusst: Man könne nicht auf dem Marktplatz stehen und in Stille gedenken und zur gleichen Zeit auf dem Wartberg sein. Grosse sieht für Pforzheim die Notwendigkeit eines „Dresdner Modells“: Dass sich bürgerliche wie politische Gruppierungen bei den Demonstrationen gegen die Rechten zusammensetzen, inklusive Stadt, mit gegenseitigem Respekt und friedlich. In Dresden achte jeder die Demo der anderen und alle zeigten ortsnah Präsenz.
Allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied zu Dresden: Dort laufen die Rechten mitten durch die Stadt, hier stehen sie fern des Zentrums oben auf dem Wartberg.
Nicht nur die IgR vermisste die vom Bündnis Pforzheim nazifrei initiierte Beschallung des Wartbergs mit Musik. Dekanin Christiane Quincke hatte kürzlich bei der Programmvorstellung Unverständnis darüber geäußert, dass die Stadt dies nicht ermöglichte. Sie sprach von einem starken Wunsch vieler, noch mehr Zeichen zu setzen. Man müsse immer wieder deutlich machen, dass die Bomben auf Pforzheim nicht aus heiterem Himmel gefallen seien, sagte die Dekanin.
Unmut darüber, dass IgR-Kundgebung nicht im Programm stand
Dass die Kundgebung der IgR gegen den Fackelzug der Rechten nicht im Gedenktag-Programm der Stadt aufgeführt war, erregte vielfach Unmut. Ohnehin sei das Programm – zwei Tage vor dem 23. Februar – viel zu spät vorgestellt worden, kritisierte Bündnis-Sprecher Gerhard Baral. Er fordert die Stadt auf, langfristig ein anderes Konzept aufzustellen und miteinander zu diskutieren, was eine Friedenskultur in der Stadt bedeutet. „Pforzheim muss endlich seine Rolle und seine Verpflichtung in der Welt annehmen. Es muss über seine Geschichte und Verantwortung sprechen.“
Pforzheim muss über seine Geschichte und Verantwortung sprechen.Gerhard Baral, Sprecher vom Bündnis Pforzheim nazifrei
Das Bündnis Pforzheim nazifrei will weiter dafür kämpfen, dass ein anderer Berg, der geschichtlich bedeutsame Wallberg, ein offizieller Gedenkort wird. Sie stehe hinter dieser Forderung, erklärte jüngst SPD-Bundestagsabgeordnete Katja Mast in einer Pressemitteilung.
Auch der baden-württembergische Antisemitismus-Beauftragte Michael Blume sagte Unterstützung zu. Baral nimmt Stadt und Gemeinderat in die Pflicht: „Sie müssen den Gedenkort ausweisen, dem Land ein langfristiges Konzept vorlegen und Geld für die Ausgestaltung einsetzen, um den Gedenkort kulturell zu bespielen.“
Bereits am Fuße des Wallbergs müssten Besucher über dessen Geschichte und Bedeutung informiert werden. Es gehe nicht darum, Verbote durchzusetzen, die Menschen sollten durchaus den Standort und die Aussicht genießen, sagt Baral. „Aber man muss wissen, wo man steht.“ Das gebiete die Würde des Ortes.
Das Bündnis hatte vor dem 23. Februar an die Stadt appelliert, alle Demos am Gedenktag zu verbieten. Die Stadt habe nicht einmal den Versuch unternommen, die Fackelmahnwache zu unterbinden, kritisiert IgR-Sprecher Grosse. Bei einem Verbot der Rechten hätte es auch keine Gegendemonstrationen gegeben, argumentieren beide Organisationen.
Die Stadt hatte lange vor dem 23. Februar auf eine fehlende Rechtsgrundlage hingewiesen und darauf, dass sie vor Gericht bislang gescheitert war – mehrmals mit einem Verbot und einmal mit der Auflage, wonach die Rechten auf ihre Fackeln verzichten sollten.
Bündnis will im Herbst wieder Pforzheimer Friedenspreis vergeben
„Wir sind klipp und klar für Demonstrationsfreiheit“, sagt Baral. Aber nicht am Gedenktag, den das Bündnis offiziell als solchen anerkannt sehen will. Man müsse politische Initiativen einbinden, Parlamentarier und den Städtetag. Dies sei eine langwierige Angelegenheit und nur im Miteinander von Stadt und Zivilgesellschaft zu schaffen.
Ein solches vermisst Baral auch bei anderen Vorhaben im Kontext des 23. Februar und beim Thema Friedens- und Gedenkkultur in Pforzheim. Als Beispiel nennt er die Verleihung des Pforzheimer Friedenspreises. Das Bündnis will ihn im Drei-Jahres-Turnus vergeben. Der erste und bisher einzige Preisträger, der Rapper Ben Salomo, hatte am 23. Februar einen digitalen Auftritt. „Wir werden im Herbst den zweiten Preis vergeben“, sagt Baral. Die Finanzierung stehe. Natürlich wolle man die Stadt dabei haben, aber aus dem Rathaus sei bislang kein Signal gekommen.