Skip to main content

Schmuddelecke

Gleisbett unter der Pforzheimer Nordstadtbrücke ist keine Müllhalde mehr

Mit einem 50:50-Deal bringen eine Reinigungsfirma und das Pforzheimer Grünflächen- und Tiefbauamt eine Schmuddelecke zum Verschwinden. Sie beseitigen beim Zentralen Omnibusbahnhof eine Müllhalde für die die Bahn zuständig wäre.

Stefan Randerovic von der Firma Karcher sammelt Müll aus dem Gleisbett beim Pforzheimer Hauptbahnhof.
Engagement gegen Müll: Dass Stefan Randerovic mit Greifzange und Müllsack auf Bahngelände sauber macht, hat die Stadt seinem Chef, dem Engagement im Grünflächen- und Tiefbauamt und der Kooperationsbereitschaft von Emre Kaya und Fatih Kurt (im Hintergrund von rechts) zu verdanken. Foto: Edith Kopf

Die Schrecksekunde erlebt Stefan Randerovic am Freitag gegen 10 Uhr: Eine Schlange. Etwa 50 Zentimeter lang sei sie gewesen, deutet der 28-Jährige an, indem er mit seinen Händen Maß nimmt. Das Tier lag unter einem Holzbrett und dieses wiederum im Gleisbett unter der Nordstadtbrücke. Randerovic ist der Mann, der dort zum ersten Mal seit Jahren für Ordnung sorgt.

Kaffeebecher, Bonbontüten und massenweise zerknüllte Alufolie dokumentieren Vespergewohnheiten auf dem angrenzenden Busbahnhof. Wurstwecken und Klappbrote mit allem, was der heimische Kühlschrank hergibt als Belag, scheinen die bevorzugte Verpflegung zu sein.

Randerovic denkt darüber eher nicht nach. Er hat nach zweieinhalb Stunden den dritten Müllsack vor sich stehen. Werner Karcher rechnet mit 1,5 Kubikmetern, wenn die Ein-Mann-Aktion nach sechs bis sieben Stunden fertig ist. Der junge Serbe ist derjenige, der die „Müllspende“ zusammensammelt, die der Seniorchef der gleichnamigen Reinigungsfirma in Neuenbürg der Stadt Pforzheim macht.

Wer an diesem Samstag vom Bahnhof her in Richtung Osten kommt oder aus dem Bus steigt, sieht das Schotterbett neben und zwischen den Gleisen, aber nicht mehr nahezu jede Art von Verpackung von der zerbrochenen Glasflasche bis zur zusammengedrückten Thunfischdose.

Die Bahn macht vieles nicht mehr.
Werner Karcher, Seniorchef einer Reinigungsfirma

Am Rostbefall lässt sich ablesen, wie lange manches davon am Übergang zum Stadtgebiet lag. „Die Bahn macht vieles nicht mehr“, kommentiert Karcher und meint damit, dass der schmuddelige Stadteingang zwei Verursacher hat: Jene, die achtlos wegwerfen, und jene, die ihren Hinterhof nicht sauber halten. Denn wo Müll liegt, kommt Müll dazu. Da sind sich Fachleute einig.

Einer, der das nicht sehen kann, ist Martin Schäfer. Mit den Verkehrsbauwerken, für die er beim Grünflächen- und Tiefbauamt zuständig ist – in diesem Falle die Nordstadtbrücke –, hat das nur wenig zu tun. Dennoch fügen sich die Dinge gerade hier.

Das Gleisbett ist wegen der Brückenarbeiten gesperrt und Karcher hat seine Leute ohnehin im Einsatz. Sie haben bis Donnerstag mit Hochdruck den Beton abgestrahlt. Am Freitag setzt die Firma noch eine Schicht zum halben Preis dran.

Das sieht aus wie ein Saustall.
Fatih Kurt, Sicherheitsdienst

Geradezu enthusiastische Unterstützung bekommen Schäfer und Karcher von Fatih Kurt. „Es ist toll, dass die Stadt Pforzheim das macht“, sagt er und befindet mit Blick auf die Gleise: „Das sieht aus wie ein Saustall.“ Kurt und Emre Kaya bilden gemeinsam den Heff Sicherheitsdienst in Esslingen. Normalerweise begleiten sie bei diesem Pforzheimer Einsatz Bauleute bei kurzen Arbeiten über die Gleise.

Grünschnitt gehöre auch zu den Dingen, für die die Bahn ihre Dienste nachfrage. Dass zwei Leute aber wegen einer Müllsammelaktion um Unterstützung anklopfen, sei eine echte Premiere.

Nicht die erste Aktion zum Wohle Pforzheims

Der 50:50-Deal, den Karcher und Schäfer vereinbart haben, um die „Müllspende“ zu ermöglichen, ist nicht die erste Aktion mit dem Reinigungsunternehmen zum Wohle der Stadt. „Gute Zusammenarbeit ist immer ein Geben und Nehmen“, sagt der Senior des Reinigungsunternehmens, das er über 30 Jahre aufgebaut hat.

Karcher bezieht das auch auf seine Mitarbeiter. Der gelernte Elektrotechniker Randerovic, der vor zwei Jahren der Liebe wegen nach Pforzheim kam und jetzt ausnahmsweise auf dem Bahngelände Müll einsammelt, „wird anständig bezahlt“, sagt sein Chef. Um das zu ermöglichen, biete er nicht mehr mit bei städtischen Ausschreibungen für die Straßenreinigung. Der Unternehmer will nicht mithalten bei den Arbeitsbedingungen, die Preisdrückern den Erfolg ermöglichen.

nach oben Zurück zum Seitenanfang