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99 Stühle stehen bereit

Pforzheim hat Platz für Geflüchtete: 200 Menschen kommen zur Mahnwache für Afghanistan

Rund 200 Menschen kommen am Samstag auf dem Marktplatz zusammen zu einer Mahnwache für Afghanistan.  Die Botschaft: Pforzheim hat Platz für Geflüchtete aus Afghanistan. Eindruck hinterlassen vor allem die Worte einer 14-jährigen Geflüchteten.

Menschen auf Pforzheimer Marktplatz
Mahnwache für Afghanistan: Dekanin Christiane Quincke und Gerhard Baral appellieren an rund 200 Menschen auf dem Marktplatz, sich für Flüchtlinge aus Afghanistan einzusetzen. Foto: Roland Wacker

Ein kleines Mädchen schwingt unermüdlich die traditionelle Flagge Afghanistans in den Farben schwarz, rot und grün. Rund 200 Menschen sind dem Aufruf vom Bündnis Pforzheim nazifrei gefolgt und am Samstagmittag auf dem Marktplatz zusammengekommen.

Dort stehen 99 Stühle bereit, die die einladende Botschaft verkünden sollen: Es gibt Platz in der Stadt und im Land für Menschen, die bedroht sind. Aber dafür muss schnell gehandelt werden.

Baral: Auch Deutschland hat Anteil am Leid in Afghanistan

Das verdeutlicht Gerhard Baral, Initiator der Mahnwache für Afghanistan, in seiner Ansprache. Er erzählt, was heute schlicht undenkbar ist: Von einer privaten Reise in den Norden des Landes, als er zu einer großen Hochzeit eingeladen war. „Wir waren willkommen und wurden mit großer Gastfreundschaft aufgenommen.“

Baral umreißt, was dem Land am Hindukusch und seinen Menschen in den vergangenen Jahrzehnten angetan wurde und wie viele Länder ihren Anteil an diesem Leid haben, auch Deutschland. Es sei genau so gekommen, wie es der deutsch-marokkanische Kabarettist Abdelkarim in seinem „Afghanistan-Plan“ beschrieben habe:

Mit top bewaffneten Soldaten sei der Westen ins Land einmarschiert, habe mit den Menschen dort gegen die Taliban gekämpft und seine Werte erklärt. „Und wenn das nicht klappt“, so hatte Abdelkarim antizipiert, „holen wir unsere Soldaten nachhause und drücken euch die Daumen.“

Wir haben die Verantwortung und niemand darf sich mehr herauswinden.
Gerhard Baral, Bündnis Pforzheim nazifrei

Den mutigen Menschen vor Ort, die Rechte für Frauen und Bildung für Kinder auf den Weg brachten, drohe jetzt Folter und Tod. Nach der „völligen Fehleinschätzung“ der politisch Verantwortlichen, so Baral, müsse man alles dafür tun, den Menschen, die hierher geflohen sind, eine langfristige Lebensperspektive zu bieten.

„Wir haben die Verantwortung und niemand darf sich mehr herauswinden.“ Die Ablehnung eines Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, die am 23. Juni im Bundestag gefordert hatten, die Ortskräfte auszufliegen, nennt Baral zynisch und wird deutlich: „Wer jetzt noch mit Ängsten arbeitet mit Blick auf die Geflüchteten 2015, hat seine politische Seriosität verspielt.“

Haniyeh Hassanzadehs Worte erschüttern das Publikum

Neben Bürgermeisterin Sibylle Schüssler (Grüne Liste), die OB Peter Boch vertritt, sind weitere Vertreter der Politik gekommen. Einen tiefen Eindruck auf die Zuhörerschaft hinterlassen die Worte der 14-jährigen Haniyeh Hassanzadeh, die schildert, wie sie mit ihrer Familie vor sieben Jahren vor Krieg und den Taliban aus ihrer Heimat fliehen musste. „Frauen werden getötet oder zwangsverheiratet mit Taliban, damit diese sich weiter vermehren.“

Albert Schweitzers Ehrfurcht vor dem Leben als Verpflichtung

Nach einer Schweigeminute greift Dekanin Christiane Quincke als Sprecherin für den Rat der Religionen Worte von Albert Schweitzer auf. Für ihn sei klar gewesen, dass niemand für sich selber lebe, man lebe im Verbund mit anderen. Daraus leite sich für ihn eine Ehrfurcht vor dem Leben ab. „Kein Leben ist wichtiger als ein anderes.“ Der Rat der Religionen sei sich der Verantwortung bewusst, würden doch ausgerechnet im Namen der Religion immer wieder Menschen getötet.

Quincke appelliert an die politisch Verantwortlichen wie auch die Stadtgemeinschaft, dafür zu sorgen, dass alle, die verfolgt und bedroht werden, in Sicherheit gebracht werden. „Nehmt Flüchtlinge auf, auch hier in Pforzheim. Und schiebt keine Flüchtlinge nach Afghanistan ab.“ Unseren Werten in Europa seien wir es schuldig, niemanden zurückzulassen, betont die Pfarrerin.

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