
Es ist dieser eine Satz, der am Ende der Pressekonferenz des Polizeipräsidiums zur Kriminalstatistik 2022 nachhallt: „Niemand muss sich schämen, Opfer einer Straftat geworden zu sein.“ Das sagte Andreas Bjedov, Leiter der Schutzpolizeidirektion. Und das gilt gerade für jene Bereiche, in denen die Straftaten massiv angestiegen sind.
In Summe sind sie das von 21.290 im Vorjahr auf 22.616, und gerade bei Themen wie häuslicher Gewalt und Trickbetrug gehen die Zahlen deutlich nach oben. Aber leider auch bei Straftaten gegen das Leben. Die Aufklärungsquote sank von 65,9 auf 62,6 Prozent und liegt dennoch über dem Landesschnitt (61,4).
Der generelle Anstieg kommt nicht unerwartet. Die Vizepräsidentin des Präsidiums Sandra Zarges erklärt: „Mit der Rückkehr des öffentlichen Lebens sind auch die Tatgelegenheiten zurückgekehrt.“ Deshalb dürfe man die Werte aus der Corona-Zeit auch nur bedingt als Maßstab nehmen.
Auf zehn Jahre gesehen habe man den zweitniedrigsten Stand erreicht. Und nicht nur das: Das Polizeipräsidium Pforzheim rangiert mittlerweile auf Platz zwei der sichersten Präsidien (Vorjahr: vier), knapp hinter Heilbronn und weit vor Schlusslicht Stuttgart.
Pforzheim ist die zweitsicherste Stadt in Baden-Württemberg
Unter den Großstädten ist Pforzheim mit 6.674 Straftaten pro 100.000 Einwohner im Landesschnitt auf Platz zwei. Der Enzkreis hält den gleichen Platz unter den Landkreisen mit 2.732 Straftaten pro 100.000 Einwohner. „Die Bilanz kann sich unseres Erachtens sehen lassen“, sagt entsprechend Zarges.
Nicht ganz so freudig sind die Zahlen bei einigen Straftaten: 28 Fälle rund um Mord und Totschlag zählte das Polizeipräsidium 2022, das ist ein Plus von neun zum Vorjahr. Insbesondere im Enzkreis stiegen die Zahlen, von null auf sieben. In Pforzheim waren es neun Fälle, darunter etwa der Tote am Waisenhausplatz. Der Täter hatte sich laut Kripo-Leiter Uwe Carl selbst gestellt und wurde mittlerweile wegen Notwehr freigesprochen.
Auch die anderen Fälle, so Carl, seien alle aufgeklärt. Bei zwei Dritteln blieb es zudem beim Versuch, acht Menschen starben. Der typische Tatverdächtige ist männlich, über 21 Jahre und Nichtdeutscher. Der Anteil der Ausländer unter den Tatverdächtigen stieg von 51,7 auf 63,9 Prozent. 2021 gab es noch 15 Tatverdächtige unter 21 in dieser Kategorie, diese Zahl sank auf eins. Den sonstigen Trend zur Verrohung unter Jugendlichen, etwa im Bereich Körperverletzung, konnte Carl entsprechend nicht bei der „Spitze der Entwicklung“ nachvollziehen.
Trick „Falscher Polizeibeamter“ nimmt um 81 Prozent zu
Im Blickpunkt sind auch die Rubriken „Falscher Polizeibeamter“ und „häusliche Gewalt“. Bereiche mit einem „hohen Dunkelbereich“, wie Bjedov ausführt. Und die dennoch stark steigende Fallzahlen melden. 257 Fälle von entsprechenden Anrufen oder anderen Formen der Kontaktaufnahme ermittelte die Polizei. Das ist ein Anstieg um 81 Prozent und ein absolutes Zehn-Jahres-Hoch. Betrüger geben sich dabei als Polizisten aus, bitten vor allem ältere Menschen um eine Zahlung, nicht selten im Bereich mehrerer tausend Euro.
„Dieser Bereich bereitet mir große Sorgen“, führt Bjedov aus. 24 dieser 257 Fälle hatten Erfolg, nur acht konnten aufgeklärt werden. Zum Vergleich: Beim klassischen Enkeltrick wurde insgesamt nur 24-mal ermittelt, eine dieser Taten hatte Erfolg. „Die Täterschaft nutzt nahezu alle elektronischen Medien“, warnt Bjedov. Es reiche also nicht, den einen Trick zu kennen. „Es gibt immer wieder neue Varianten, seit Januar zum Beispiel per Whatsapp.“
Zehn-Jahres-Hoch bei häuslicher Gewalt
Hier komme den Tätern zugute, dass sich viele Opfer schämten und deshalb nicht zur Polizei gingen. Wie auch bei häuslicher Gewalt. Auch hier meldet das Polizeipräsidium ein Zehn-Jahres-Hoch mit 729 Fällen (plus 149). Eine Zahl, die aber auch positive Aspekte hat, wie Vizepräsidentin Zarges betont: „Wir haben einen feineren Radar aufgelegt.“
Sprich: Bei Körperverletzungen „schauen wir genauer hin“, sagt sie, verweist auf die landesweit eingerichteten Koordinierungsstellen. Dann falle eben auch mehr auf. Außerdem sei die Öffentlichkeit während des Lockdowns für das Thema sensibilisiert worden. „Ich glaube auch, dass sich Betroffene eher an die Polizei wenden.“
Der größte Block unter den Straftaten waren Diebstähle mit einem Anteil von 25 Prozent. Vor allem E-Bikes sind gefragte Beute. Die Gewalt gegen Polizeibeamte bleibt mit 213 (Vorjahr: 217) „nach wie vor besorgniserregend hoch“, so Bjedov, der appelliert: „Wir sind Menschen in Uniform!“ 450 Polizisten galten 2022 als Opfer, 125 davon leicht- und zwei davon schwerverletzt. Beleidigungen sind in dieser Statistik nicht enthalten. Auch sie schließt Bjerdovs genereller Appell also mit ein, dass sich kein Opfer schämen müsse.