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Auf Spurensuche

Reuchlin ist näher am Pforzheimer Schmuckmuseum als man denkt

Überall in Pforzheim begegnet man Erinnerungen an Johannes Reuchlin. Zu seinem 500. Todestag blickt die Redaktion auf die Spuren, die er hinterlassen hat. Heute: Das Schmuckmuseum.

Reuchlinhaus
Schöngeschrieben: Der Name der Ausstellung ist Programm, alle Räume im Schmuckmuseum Pforzheim stehen im Zeichen von Schmuck, Schrift und Sprache. Museumsleiterin Cornelie Holzach lobt die Handschrift Reuchlins als „wahnsinnig schön“ Foto: Birgit Metzbaur

Die Offenheit, Durchlässigkeit und das gleichberechtigte Nebeneinander verschiedener Kultureinrichtungen waren Programm, als das Reuchlinhaus 1961 als städtisches Kulturzentrum eingeweiht wurde. So war es naheliegend, dem Haus den Namen des Pforzheimer Humanisten zu geben, der sich bereits vor 500 Jahren für religiöse Toleranz und den Dialog der Kulturen einsetzte.

In der Tradition von damals ist es dem Schmuckmuseum ein Anliegen, spartenübergreifend mit verschiedenen Kulturen zu arbeiten, erklärt Museumsleiterin Cornelie Holzach. Im Gespräch mit dieser Redaktion begibt sie sich auf die Suche nach der Aspekten der Museumsarbeit, die in der Tradition des Humanisten Johannes Reuchlin stehen.

Die Weltoffenheit ist ein Aspekt, der Reuchlin und das Schmuckmuseum verbindet. Am Rande des Schwarzwaldes beheimatet, wendete Reuchlin seinen Blick nach außen auf andere Kulturen. Er war offen, neue Dinge kennenzulernen.

Wir sind neugierig auf Schmuck anderer Kulturen, Lebenskreise und Milieus.
Cornelie Holzach, Leiterin des Schmuckmuseums

Das trifft auch auf das Schmuckmuseum zu. „Wir sind neugierig auf Schmuck anderer Kulturen, Lebenskreise und Milieus,“ so Holzach. Dabei müsse man gar nicht immer weit reisen. Auch in Deutschland und in Europa gebe es Unbekanntes zu entdecken.

Die Schmuckmuseum-Grundsammlung basiert auf „5.000 Jahren Schmuck aus dem Abendland. Mittlerweile gibt es auch Schmuck aus dem Morgenland zu sehen“, sagt Holzach schmunzelnd.

In diesem Nebeneinander der verschiedenen (Schmuck-)Kulturen von allen Kontinenten, einer „Mehrsprachigkeit“ im übertragenen Sinne, sieht sie das Haus in der Tradition seines Namensgebers in dessen realer Mehrsprachigkeit. Reuchlin beherrschte neben seiner Muttersprache Deutsch auch Französisch, Italienisch und die drei Bibelsprachen Lateinisch, Griechisch und Hebräisch.

Mit seiner brillanten Redekunst war Reuchlin ein „Meister des Redeschmucks“. Das Wort „Redeschmuck“ gebrauchte er selbst; damit werden rhetorische Elemente sprachlicher Finesse bezeichnet. Reuchlin war nicht nur außerordentlich sprachbegabt, er war ein Freund des schönen Ausdrucks.

So wie Redeschmuck kann der Museumsschmuck Geschichten von Liebe, Tod und Teufel erzählen, ein politisches, soziales oder kulturelles Statement sein. Auch Schmuck dient dazu, sich auszudrücken, ist ein Kommunikationsmittel, bei dem die Botschaft so kostbar wie der Schmuck selbst sein kann. Somit sind kostbare Botschaften ein weiterer Punkt, bei dem es Überschneidungen des Schmuckmuseums mit Reuchlin gibt.

Durch die aktuelle Ausstellung „Schöngeschrieben – Schmuck, Zeichen- und Druckkunst“ zum Reuchlinjahr fiel der Museumsleiterin die „wahnsinnig schöne Schrift“ Reuchlins auf: „Mal zackig, mal rundlich. Nicht immer gleich, aber immer schön und zügig.“

Entwurf für Reuchlinhaus sind von Manfred Lehmbruck

Auch das habe etwas Schmückendes, „fast wie ein Ornament“. So sei Reuchlin, „von dem nicht bekannt ist, dass er irgendetwas mit Schmuck am Hut gehabt hätte, näher am Schmuckmuseum als man denkt“.

Das Reuchlinhaus wurde nach Entwürfen von Manfred Lehmbruck (1913–1993), Sohn des Bildhauers Wilhelm Lehmbruck, im ausgebombten Stadtzentrum als städtisches Kulturzentrum gebaut. Anfangs vereinte das Gebäude in einem Ensemble aus vier kubischen Baukörpern Kunstgalerie, Bibliothek, Museum und Ballsaal in einem gleichberechtigten Nebeneinander.

Jeder Baukörper symbolisierte, was darin präsentiert werden sollte: Das Gebäude des Heimatmuseums verkleidete der Architekt mit Sandstein aus dem Schwarzwald, die Außenhaut des Schmuckmuseums formte er aus Aluminium und Glas, die Ausstellungshalle des Kunstvereins erhielt eine Stahl-Glas-Konstruktion, die Stadtbücherei einen verglasten Betonbau.

2006 wurde das Schmuckmuseum nach umfangreicher Umgestaltung in dem denkmalgeschützten Gebäude wiedereröffnet. Heute sind Schmuckmuseum und Kunstverein im Reuchlinhaus beheimatet.

Zur Serie

Wir begeben uns auf die Spuren von Johannes Reuchlin (1455–1522), der vor über 500 Jahren für die Werte Toleranz, Respekt, Dialog und Menschenwürde stand. Werte, die heute noch für das friedliche Zusammenleben der Menschheit unverzichtbar sind. Wir schauen, wo Reuchlin uns in der Stadt begegnet und welche Botschaften damit verbunden sind. Dabei stoßen wir an der einen Stelle auf schweigende Denkmäler und schauen an anderen Stellen, wie sein Erbe von denjenigen weitergetragen wird, die mit ihrem Namen in der Tradition von Reuchlin stehen.

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