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Stephan Scholl

Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Pforzheim Calw hinterlässt mehr als ein Betonfundament für die Zukunft

Machtwechsel in der Sparkasse Pforzheim Calw. Der Vorstandsvorsitzende Stephan Scholl hinterlässt ein Vermögen aus Beton und geht mit einem guten Gefühl in den Ruhestand.

Der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Pforzheim Calw, Stephan Scholl, wenige Tage vor seinem Ruhestand ab 01.01.2023 in seinem Büro.
Details einer Karriere: Stephan Scholl hat viel einzupacken in seinem Büro. Für einen Teil seiner Ding gewordenen Sparkassen-Geschichte hat er sogar eine Lagerbox angemietet. Foto: Edith Kopf

Stephan Scholl sitzt zwischen Umzugskisten. Tritt er ans Fenster, hat er einen Traumblick auf Stadt und Region, die er mehr als 28 Jahre mitgeprägt hat. Seit zehn Jahre steht er ganz oben an der Spitze der Sparkasse Pforzheim Calw.

Jetzt verlässt der Vorstandsvorsitzende sein Büro über den Dächern Pforzheims: Am 29. Dezember gibt er Dienstwagen und Schlüssel ab. „Dann bin ich Geschichte“, sagt er selbst.

Scholl geht mit dem guten Gefühl „ein guter VV“ gewesen zu sein. Wie zur Bestätigung begegnet er dieser Tage einem Mann. Die Insolvenz des Kunden ist lange her. Sie ließ wenig übrig. Trotzdem habe sich der Mann bei ihm bedankt.

Auch Regulatorik lässt Spielräume.
Stephan Scholl, Sparkassenchef

„Kunden müssen auch in einer schwierigen Situation menschlich behandelt werden“, gibt Scholl vor. Wer ihm jetzt mit Regulatorik kommt, über die er selbst schimpft wie ein Rohrspatz, hat schlechte Karten: „Auch Regulatorik lässt Spielräume, es kommt darauf an, ob jemand den Wortlaut, den Inhalt oder die Zielsetzung ins Auge nimmt.“

Am besten aber wird sein, wenn sie weniger wird, findet Scholl. Er werde deshalb jetzt bei der IHK im Arbeitskreis Bürokratieabbau mitwirken.

Der Mann, der einst Lehrer für Latein und Geschichte werden wollte, lässt sich die Freiheit der eigenen Meinung nicht nehmen – auch wenn es weh tut. So sagt er zum Beispiel „wir haben’s als Branche selber verbockt“, wenn er auf die Weltfinanz- und Wirtschaftskrise ab 2007 und damit den Auslöser der vielen Vorschriften anspricht, die „uns irgendwann strangulieren“.

Machtkonzentration durch Rückzug

Scholl weicht keinen Fragen aus: Die Abschiedsfeier mit rund 500 Gästen im Congresscentrum „entspricht dem Anspruch der Sparkasse dem Anlass angemessen mit Menschen zusammenzukommen, die mit uns Geschäfte machen“.

Er verweist auf die Rolle anderer Banken, wenn es um eine zunehmende Machtkonzentration geht: Sie hätten sich zurückgezogen, während sein Haus „dafür gesorgt hat, dass der Strukturwandel verkraftbar war, der Wohnbestand wuchs und die Modernisierung der Traditionskompetenz hin zur Präzisionsindustrie so gut geklappt hat“.

Wer dereinst die Annalen einsieht, wird Scholl vielleicht als Bauherrn charakterisieren. Der Sparkasse ging es nicht anders als jedem anderen, der sich in Zeiten niedriger Zinsen finanziell absichern will. Der Vorstand setzt auf Beton. Heute gehören Bürohäuser „von Freiburg bis Mannheim und von der Pfalz bis nach Schwaben“ zum Vermögensfundament. Und sie seien zu seiner Überraschung alle voll. „Homeoffice schadet in keinster Weise.“

Turmquartier als Krönung

Die Krönung für den „VV“ ist das neue Turmquartier. Die Mall mit Veranstaltungsräumen in Ergänzung zum Sparkassenturm ersetzt nicht nur „ein hochmarodes Gebäude, das ökologisch und heiztechnisch eine Katastrophe und mit seiner hohen Treppe nicht mehr zeitgemäß war“.

Das wird deutlich, als der scheidende Chef über die Zukunft spricht. Er habe „keine Ahnung wie eine Bank in zehn Jahren aussieht“, sagt er. „Aber Mitarbeiter und Gebäude müssen für jeden möglichen Zustand gerüstet sein.“

„Wir dürfen nicht seelenlos werden“, hinterlässt er den Nachfolgern. Allen voran ist das Hans Neuweiler als künftiger Vorstandschef. Dass Scholl manches Pöstchen zu vergeben hat, wird besonders die Neue im Vorstand merken. Bis Kerstin Gatzlaff in die Pforzheimer Gepflogenheiten beim Kreditgeschäft, den Firmenkunden und einiges mehr eingearbeitet ist, wird sich auch Scholl überlegt haben, welches sogenannte Ehrenamt er an sie weitergibt.

Mitarbeiter und Gebäude müssen für jeden möglichen Zustand gerüstet sein.
Stephan Scholl, Sparkassenchef

Es ist gut möglich, dass „die fast symbiotische Beziehung über 25 Jahre zu seiner Assistentin Heike Kozik“ bei diesen Entscheidungen im Hintergrund steht. Sie werde er am meisten vermissen, sagt Scholl, der keinen Hehl daraus macht, dass er mit dem Kleinklein des täglichen Daseins von der Terminvereinbarung bis zu handwerklichen Verrichtungen nicht viel am Hut hat.

Bedeutungsverlust gehört auch zu den Themen, mit denen er nicht viel anfangen kann. „Ich bin lieber Richelieu als Ludwig der XIV.“, macht er deutlich. Scholl sieht sich bei den strategischen Weichenstellungen, in den Vordergrund treten überlässt er anderen.

„Ich werde als Bürger der Stadt natürlich wach und kritisch bleiben“, kündigt er an. Mit seinem Engagement beim Pforzheimer Hochschulrat, im Kulturhaus Osterfeld, im Zentrum für Präzisionstechnik sowie bei der Ornamenta hat er viel Gelegenheit dazu, dies auch zu tun.

Abschied mit Musik

Ansonsten, so scheint es, macht sich Scholl keine Illusionen. „Ich weiß, dass sich 80 Prozent der Menschen vermutlich nicht mehr melden – das sind berufsbedingte Freundschaften.“ Von seinem engeren Umfeld hat er sich Zeit gewünscht, als er Anfang November den 65. Geburtstag feierte. Das Ergebnis ist: „Ich kann nächstes Jahr locker zwei Aktivitäten pro Woche machen.“

Dass es gut ist, wenn Musik dabei ist, wissen die meisten seiner 1.860 Mitarbeiter. Sie haben ihm selbstgetextete Lieder gesungen. Scholl hat sie als Stick auf seinem Schreibtisch liegen. Die Sparkassler können sicher sein, dass ihr Werk nicht nur ankommt, sondern auch den Ruhestand ebenso überdauert wird wie der Schatz an silbernen Preziosen in den Glasvitrinen.

Ihrem Ex-Chef ist jedes Stück wichtig. In seiner letzten Woche steht deshalb nichts anders als einpacken, einpacken, einpacken auf seinem Terminplan.

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