Skip to main content

Meinung

von Philip Sandrock

Pforzheimer Gedenktag

Stille ist ein falsches Symbol, wenn am Wartberg Rechtsextreme zum Fackelzug aufmarschieren

Der Gedenktag am 23. Februar will in Pforzheim eine Mahnung und ein Friedenssymbol sein. Dass er ausgerechnet in diesen Tagen unter Quasi-Lockdown-Bedingungen stattfand, findet unser Autor bizarr.

Lichtermeer auf Marktplatz
Video-Ansprache statt Lichtermeer: Die Friedenslichter, die Pforzheimer in vergangenen Jahren am 23. Februar entzündeten, gab es diesmal wieder nicht. Foto: Stadt Pforzheim

Der 23. Februar 1945 – es war der Tag des Schreckens, an dem fast 18.000 Pforzheimer bei einem verheerenden Luftangriff in wenigen Minuten ihr Leben verloren. Weite Teile des Stadtgebiets lagen danach in Trümmern. Pforzheim ist an diesem Tag gestorben. Auch 77 Jahre später sind dieses Trauma und seine Narben noch in der Stadt zu spüren.

Seit fast 20 Jahren ist der 23. Februar nun Gedenktag. Er will eine Mahnung sein, ein Friedenssymbol. Nie wieder Krieg! Es kann in diesen Tagen in dieser Stadt gar nicht laut genug gerufen werden. Aber es passiert nicht: Wegen der Pandemie fand fast alles ohne Publikum statt oder wurde ganz abgesagt. Statt des Lichtermeers am Abend gab es eine aufgezeichnete Videoansprache.

Stille kann ein Symbol sein. Aber nicht, wenn am Wartberg Rechtsextreme zum Fackelzug aufmarschieren. Dann müssen Demokraten und ihre gewählten Vertreter Flagge zeigen. Sie dürfen sich nicht wegducken. Wie es geht, zeigte Dresden. Dort bildeten Tausende zum Gedenktag am 13. Februar eine Menschenkette. Aufgerufen dazu hatte unter anderem Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert, der mahnende Worte zum Ukraine-Konflikt und deutliche Worte gegen rechts fand.

Und in Pforzheim? Verlinkt der Rathauschef ein Video aus der Konserve, das man so in jedem Jahr wieder aus der Schublade holen könnte.

Der symbolkräftigste Ort ist vor dem Rathaus

Die Infektionszahlen sinken, überall wird gelockert. Schon zum Jahreswechsel gingen Experten davon aus, dass sich die Corona-Lage Mitte Februar entspannt. Veranstaltungen im Freien waren schon im Januar zulässig. Warum ausgerechnet das Lichtermeer pandemiebedingt nicht möglich sein sollte, erschließt sich da nicht.

Während in der Innenstadt das Leben zurückkehrt, die Eiscafés voll sind und die Menschen wieder durch die Straßen flanieren, wirkt es fast bizarr, dass man im Rathaus der Auffassung ist, man müsse den Gedenktag unter Quasi-Lockdown-Bedingungen begehen.

In seiner Ansprache fordert Boch die Pforzheimer auf, das Gedenken weiterzuentwickeln, damit es nicht in veralteten Mustern erstarrt. Das ist eine gute Idee und ist auch richtig.

Doch der symbolischste Ort für das Gedenken liegt direkt vor Bochs Büro: Der Marktplatz war das Angriffsziel, das die Bomber am 23. Februar 1945 markiert hatten. Er war das Epizentrum der Katastrophe. Deshalb sind das Lichtermeer und ein gemeinsames Gedenken an diesem Ort in seiner Symbolkraft durch nichts zu ersetzen – schon gar nicht durch ein Web-Video.

nach oben Zurück zum Seitenanfang