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Oberlandesgericht Karlsruhe

Teure Tarife für Neukunden: Stadtwerke Pforzheim verlieren erneut vor Gericht

Bestandskundentarife zu Lasten von Neukunden sind kein Geschäftsmodell für Energieversorger wie die Stadtwerke Pforzheim. Dieser kartellrechtlichen Einschätzung beim Landgericht Mannheim folgte jetzt auch das Oberlandesgericht in Karlsruhe.

Fahnen der Stadtwerke Pforzheim flattern im Wind
Stürmische Zeiten: Für die Stadtwerke Pforzheim brachte der Rechtsstreit mit dem Ökokonkurrenten Lichtblick um „Splittarife“ nicht das erhoffte Urteil. Foto: D.Streib

Pforzheims Stadtwerke (SWP) stehen nicht gut da mit ihrem Vorgehen bei Neukunden. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat mit Urteil vom 10. August dem Unternehmen untersagt, diesen in der Grund- und Ersatzversorgung höhere Preise zu berechnen als Bestandskunden. Damit bestätigt der sechste Zivilsenat weitgehend die Rechtsposition des Unternehmens Lichtblick und eine entsprechende Unterlassungsverfügung in erster Instanz beim Landgericht Mannheim.

Das Urteil ist ein Nachspiel zur Preisfindung der SWP kurz vor Weihnachten. Unter dem Eindruck von etwa 1.000 Neukunden in der Grundversorgung für Strom entwickelten die Verantwortlichen am Sandweg Tarife, die sich im Bereich der „Mondpreise“ bewegten, die der Präsident des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt, später ausmachte.

Die von andereren Oberlandesgerichten abweichende Entscheidung hat keine praktische Relevanz mehr.
Tobias Kloster, Stadtwerke

Neukunden, die wegen Verwerfungen am Strommarkt plötzlich ohne Versorger dastanden, sahen sich am 22. Dezember zunächst mit 107,66 Cent je Kilowattstunde konfrontiert. In einem zweiten Schritt bekamen sie als Ausweg aus der Grundversorgung Strom zu 55 Cent und Gas zu 24 Cent angeboten. Bestandskunden zahlten zu diesem Zeitpunkt 31,98 Cent pro Kilowattstunde Strom und 13,86 Cent für den Kubikmeter Gas.

Ein Aufschrei der Empörung ließ nicht lange auf sich warten. Er bezog sich auch auf „Splittarife“ bei anderen Energieversorgern. Die SWP hatten aber als einziges Unternehmen in Baden-Württemberg den Ökostromanbieter Lichtblick gegen sich. Für die Firma mit Sitz in Hamburg sind mehrere Tarife für die gleiche Leistung eine Mischkalkulation, die am Markt einen Wettbewerb mit Kampfpreisen ermöglicht. Außerdem kritisiert Lichtblick eine durch die Grundversorgung gestützte marktbeherrschende Stellung.

Weniger Wettbewerb durch Zweiklassengesellschaft?

Ob eine Zweiklassengesellschaft bei Strom- und Gaspreisen womöglich den Wettbewerb verzerrt, prüfte neben dem Landgericht in Mannheim auch die Landeskartellbehörde in Stuttgart. Sie verzichtete letztlich auf einen Entscheid in der Sache und stellte das Verfahren Anfang Juni ein, weil es keine Doppelstrukturen mehr gab. Die SWP waren zum einheitlichen Strompreis für alle zurückgekehrt, nachdem das Landgericht Mannheim im März mit einer einstweiligen Verfügung auf Unterlassung reagiert hatte.

Akzeptiert war damit allerdings gar nichts. Die SWP vertraten unverändert die Meinung, mit ihren Sonderpreisen für Neukunden „besonders schützenswerten Bestandskunden“ weiter günstige Tarife anbieten zu können und gingen in Berufung.

Den angeführten Schutz „gegen das risikoreiche und kurzfristig angelegte Geschäftsmodell einiger Energiediscounter“, konnte jetzt offensichtlich auch das Oberlandesgericht Karlsruhe nicht erkennen. Es urteilt, dass „Splittarife“ wie die inzwischen aufgegebenen Goldstadtstrom Classic I, II, III „unzulässig sind“ Dies, so erläutert Sprecher Hermann Spital weiter, ist wirtschaftlich betrachtet inzwischen allerdings ohne Bedeutung. Seit dem 29. Juli gebe es deutschlandweit eine neue Rechtslage, die „Splittarife“ faktisch unmöglich mache.

„Ein wichtiges Signal für fairen Wettbewerb und Verbraucherschutz.“
Markus Adam, Lichtblick

Nichts Grundsätzliches zum Urteil sagen wollen die SWP. Sie verweisen auf die fehlende schriftliche Begründung des Oberlandesgerichts. Außerdem habe die „von anderen Oberlandesgerichten abweichende Entscheidung“ keine praktische Relevanz mehr, weil die Neuregelung zur Ersatzversorgung im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) in Kraft getreten ist, teilt Sprecher Tobias Kloster weiter mit. Dadurch sei die diesem Verfahren zugrunde liegende Notwendigkeit der Flexibilisierung der Ersatzversorgung vom Gesetzgeber ausdrücklich anerkannt worden, interpretieren die SWP weiter.

„Die Entscheidung ist ein wichtiges Signal für fairen Wettbewerb und Verbraucherschutz“, erklärt dagegen Lichtblick-Jurist Markus Adam. Die Grundversorgung sei kein Selbstbedienungsladen zu Lasten der Kundinnen und Kunden.

Rechtsmittel können die SWP nicht einlegen gegen das Urteil. Es steht beiden Unternehmen allerdings frei, in Mannheim das Hauptsacheverfahren zur einstweiligen Verfügung aufzurufen.

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