Digital, nachhaltig, bunt und aus Pforzheim: Die Begegnung mit Marion und Jochen Raff wird für Oberbürgermeister Peter Boch (CDU) zu einer Entdeckungsreise in den eher verborgenen Strukturen der Goldstadt.
Der Rathauschef ist gemeinsam mit dem Spitzenpersonal von Wirtschaft und Stadtmarketing, Direktor Oliver Reitz und Wirtschaftsförderer Markus Epple, bei einem typischen OEM-Unternehmen zu Gast.
„Wir sind ein Handelshaus und produzieren für nationale und internationale Marken“, erläutert Jochen Raff, was sich hinter dem Kürzel für Original Equipment Manufacturer verbirgt. Ihre Para-Uhrenfabrik in der Durlacher Straße ist „eher so die Firma im Hintergrund“, ergänzt die Chefin während sie den Tisch mit der ganzen Vielfalt der Zeitmesser füllt, die das Pforzheimer Traditionshaus zu bieten hat.
Die ganze Breite einer gut sortierten Uhrenabteilung im Warenhaus ist ausgebreitet. Kinderuhren liegen neben modischen Herrenuhren mit Metall-, Leder- oder Plastikarmband und dem „Brot- und Butter-Produkt“, dem traditionellen, einfachen Zeitanzeiger mit schlichten Ziffern für Mann und Frau.
Para-Uhrenfabrik in Pforzheim: Zeitmesser für Joop und Regent
Para oder Raff steht auf keinem der Stücke, die preislich zwischen 40 und 500 Euro liegen und auch beim Juwelier-Einzelhandel zu finden sind. Sie kommen von Joop, können aus dem Hause Regent sein, tragen aber auch Firmennamen in die Welt, die gar nichts mit Uhren zu tun haben. Unternehmen wie Para produzieren und vertreiben ebenso Uhren, die sich Produktdesigner von Autofirmen ausdenken, wie Zeitmesser für Produktlinien von Modemarken. Hinzu kommen Gehäuse, Zeiger oder Kronen, die an Branchenkollegen geliefert werden.
Die Uhrenindustrie ist traditionell hoch vernetzt. Echtes Made in Germany gibt es selten, bei Para eigentlich nie. Anders als andere, machen die Raffs aber kein Geheimnis daraus, wo ihre Uhrgläser, Lünetten und Zifferblätter herkommen.
Wir sind ein Handelshaus und produzieren für nationale und internationale Marken.Jochen Raff, Para-Uhren
Partner aus dem chinesischen Shenzhen liefern den Stoff für ihre Zeitmesser nach Maß. Den entscheidenden Anteil Pforzheim bringen Uhrmacherinnen und Uhrmacher dazu, die die ganzen Kleinteile in der Durlacher Straße für die Kundschaft zu Uhren zusammensetzen. Sie arbeiten nach Entwürfen, die Marion Raff größtenteils im engen Kontakt mit dem Kunden erarbeitet hat.
Uhrengehäuse aus dem Plastikabfall der Meere
„Entwicklung und Produktionsdesign sind unsere eigentlichen Stärken“, erklärt sie denn auch, was für ihre Abnehmer einen entscheidenden Unterschied bringt zur Konkurrenz. Sie bekommen ebenso die Digitaluhr nach eigenen Vorstellungen wie die Raffs dabei sind, wenn es gilt mit buntem Ocean-Plastic zu punkten. Das Nachhaltigkeitsprodukt sei in Zusammenarbeit mit einer Schweizer Firma entwickelt worden, die Plastikabfall aus Meeren zu Granulat und dann weiter zu Uhrgehäusen verarbeitet.
Entwicklung und Produktionsdesign sind unsere eigentlichen Stärken.Marion Raff, Para-Uhren
Der Handel mit dem Zeitgeistprodukt fällt in eine Phase weltweiter Verwerfungen. Die Raffs manchen keinen Hehl daraus, dass sie mit Sorge auf die schwindende Kaufkraft blicken. „Hinzu kommen internationale Lieferprobleme. Vor allem „Schikanen bei der Zollabfertigung“ und Corona-Hürden beim Kontakt zwischen dem Büro in Hongkong und den Produktionspartnern in Festland-China verlangsamten die Prozesse.
Firmenchef gibt Quarzuhren auch im Zeitalter der Smartwatches eine Zukunft
„Der schwache Euro macht das Geschäft auch nicht einfacher“, ergänzt Jochen Raff. Bei der Frage, ob die Quarzuhren von Para auch vor dem Hintergrund des „starken Trends zu Smartwatches“ eine Zukunft haben, zögert der 60-Jährige aber nicht einen Moment: „Ja.“ Sonst, so schiebt er nach, würde er jetzt nicht die fünfte Generation einarbeiten.
Tochter Ann-Kathrin Raff sitzt ihm seit kurzem im Büro gegenüber. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Einkauf und Logistik an der Hochschule Pforzheim macht die 25-Jährige die ersten Schritte im internationalen Familiengeschäft.
Das Unternehmen steht noch heute da, wo es 1910 gegründet wurde. In dem nach der Pforzheimer Bombennacht 1945 noch einmal groß aufgebauten Haus belegt es mit zwölf Mitarbeitern allerdings nur noch einen kleinen Bereich. Dort, wo in der Spitze einmal 149 Leute Uhrgehäuse und auch eigene Markenuhren herstellten, gehen heute andere Firmen ihren Geschäften nach.