
Zu einem massiven gewalttätigen Polizeieinsatz gegen einen betrunkenen 25-jährigen Mann aus Portugal ist es am Samstagnachmittag in der Pforzheimer Nordstadt in der Nähe des Hauptbahnhofes gekommen. So legt es ein knapp 30-sekündiges Video nahe, das derzeit im Internet verbreitet wird.
Wer es aufgenommen hat, ist bisher nicht bekannt.
Zu sehen ist unter anderem ein Polizist, der einen am Boden liegenden und fixierten Mann zweimal brutal mit der Faust auf den Kopf schlägt.
Parallelen zum Fall George Floyd
Ein Sprecher der Polizei bestätigte den Einsatz, bei dem es zu „massiven Widerstandshandlungen“ gekommen sei und bei dem „Zwang angewendet“ wurde. „Ob dies angemessen war, muss jetzt im Rahmen der Ermittlungen geklärt werden“, erklärte der Sprecher weiter und versicherte: „Zu dem Fall wird ermittelt.“
Den Sicherheitskräften ist das Videomaterial bekannt und die Brisanz darum klar. „Es ist uns bewusst, dass das vor dem amerikanischen Hintergrund betrachtet wird“, so der Polizeisprecher.
Am 25. Mai 2020 war in Minneapolis der Afroamerikaner George Floyd durch massive Polizeigewalt getötet worden. Das hatte zu heftigen Protesten und Unruhen in den USA geführt.
Videosequenz zeigt Schläge
Die Videosequenzen, die den BNN vorliegen, wurden zuerst im sozialen Netzwerk Instagram von einer Person veröffentlicht, die vieles aus und über Pforzheim postet. Das Video ist geschnitten, unklar ist, wer es aufgenommen hat. Weil die Quellenlage nicht klar ist, verlinken wir das Video hier nicht.
Eine Sequenz ist direkt aus der Nähe, eine von weiter entfernt aus einer anderen Position gefilmt.
Ein uniformierter Polizist kniet in der Nähe des Halses auf dem Oberkörper eines Mannes, eine Polizistin ist hinter ihrem Kollegen und hilft ihm. Der Polizist drückt dessen Arm nach hinten, brüllt „aufhören, hör jetzt auf“. Der bullig wirkende Mann mit dem kahlen Kopf, der da in Tarnkleidung auf dem Boden liegt, scheint Schmerzen zu haben und zu jammern.
Dann schlägt der Polizist dem auf dem Boden fixierten Mann zweimal brutal mit der rechten Faust auf den Kopf und schreit „lass mich los, Arschloch“.
In der zweiten Sequenz drängen sich fünf Beamte um den am Boden liegenden Mann, einer kommt noch hinzu. Es sieht so aus, als ob ein kniender Polizist mit der linken Faust mehrfach auf den am Boden liegenden Mann einschlägt.
Pforzheimer Polizei muss jetzt Antworten auf viele Fragen finden
Nach Informationen von Dirk Wagner, Pressesprecher im Polizeipräsidium Pforzheim, hatten Passanten am Samstagnachmittag gegen 16.25 Uhr in der Pforzheimer Nordstadt einen Betrunkenen gemeldet, „der versuchte, Fahrzeuge anzuhalten und Passanten anpöbelte“.
Nach derzeitigem Stand der Erkenntnisse, so Wagner weiter, sollte der alkoholisierte Mann durch eine herbeigerufene Polizeistreife einer Kontrolle unterzogen werden.
Dabei sei der aggressiv auftretende 25-Jährige, der keinen festen Wohnsitz in Pforzheim hat und sich offenbar nur vorübergehend in Deutschland aufhält, auf die Beamten zugekommen und habe „mit seinen Armen direkt vor den Gesichtern der Beamten herumgefuchtelt“. Der Mann sei mehrfach aufgefordert worden, dies zu unterlassen.
Der Mann versuchte, die Beamten zu verletzen.Dirk Wagner, Pressesprecher Polizeipräsidium Pforzheim
Versuche den Mann zu beruhigen, scheiterten, so Wagner weiter. Daraufhin hätten die Beamten vor Ort entschieden, den Mann in Gewahrsam zu nehmen. Dagegen wehrte er sich allerdings, wurde zu Boden geworfen und fixiert, so der Sprecher der Beamten.
Dabei soll, sagt Wagner, der Mann zunächst die Beamten angegriffen haben: „Er versuchte, diese zu verletzen“. Nachdem ihm Handschellen angelegt werden konnten, sei er zu einem Polizeirevier gefahren worden.
Festgenommener Mann hatte über zwei Promille
Auch dort habe er „massiven Widerstand“ geleistet und musste die Nacht im Polizeigewahrsam verbringen. „Ein Alkoholtest ergab einen Wert von über 2,2 Promille“, erklärte Dirk Wagner.
Bei dem Einsatz wurde sowohl der Festgenommene als auch ein Beamter verletzt. Gegen den Portugiesen, der nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft wieder auf freien Fuß gesetzt wurde, sei unter anderem ein Ermittlungsverfahren wegen des tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte eingeleitet worden, so Pressesprecher Wagner.
Im Rahmen des Verfahrens werde dabei auch „die Rechtmäßigkeit des Vorgehens der einschreitenden Beamten“ geprüft. „Die Polizei ist in einem ständigen Spannungsfeld, wenn Zwangsmaßnahmen gegen Personen durchgeführt werden müssen“, meint Wagner. „Vor allem dann, wenn diese alkoholisiert und äußerst aggressiv sind und dabei die Beamten körperlich angehen.“ Dabei könne es erforderlich sein, wie im vorliegenden Fall, Widerstand mit körperlicher Gewalt zu brechen.
Die Polizei in Pforzheim, die am Montag einen neutralen Ermittler einsetzen will, um den Ereignissen auf den Grund zu gehen, sucht noch Zeugen für den Vorfall.