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Rechtsextremistische Kleinpartei

Volksverhetzung: Anklage gegen „Rechte“ wegen Aktion vor Synagoge in Pforzheim?

Es geht um Volksverhetzung vor einer Synagoge im EU-Wahlkampf. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Karlsruhe ihre Ermittlungen gegen Aktivisten von „Die Rechte“ abgeschlossen.

Anhänger von Die Rechte marschieren mit Wahlplakaten und Fahnen:  Im Europawahlkampf 2019 war die Partei „Die Rechte“ in der Goldstadt unter anderem mit einer Demonstration aktiv.
Im Europawahlkampf 2019 war die Partei „Die Rechte“ in der Goldstadt unter anderem mit einer Demonstration aktiv. Foto: str

Ein Zwischenfall vor der Pforzheimer Synagoge im Europawahlkampf 2019 hat für zwei damalige „Rechte“-Aktivisten ein juristisches Nachspiel. Nach Informationen dieser Redaktion wirft ihnen die Staatsanwaltschaft Karlsruhe Volksverhetzung vor. Gegen zwei weitere Personen wurden Verfahren demnach eingestellt.

Die Strafverfolgungsbehörde hatte zuvor umfangreiche Ermittlungen gegen vier damalige Wahlkampfhelfer der Partei geführt, die vom Verfassungsschutz als „rechtsextremistisch“ eingestuft wird. Dabei kam es auch zu Wohnungsdurchsuchungen in Karlsruhe, dem Enzkreis und dem Landkreis Rastatt, wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft im Januar 2021 erklärte.

Es geht um eine Aktion im Mai 2019, die teilweise durch Handyaufnahmen dokumentiert ist. Aktivisten der „Rechten“ fuhren in einem mit Lautsprechern bestückten Kleintransporter auch an der Synagoge vorbei. Unter anderem soll „Raus aus Deutschland“ skandiert worden sein.

Agitation vor der Synagoge: Rechte Aktivisten fahren im Mai 2019 im Kleinbus mit Lautsprechern den umstrittenen Plakaten durch Pforzheim.
Agitation vor der Synagoge: Rechte Aktivisten fahren im Mai 2019 im Kleinbus mit Lautsprechern den umstrittenen Plakaten durch Pforzheim. Foto: ff (privat)

„Die Rechte“ wähnte indes „Falschmeldungen durch die Presse“. Man habe lediglich genehmigte „Radiospots unserer Partei“ abgespielt. Einer der Spots enthielt Worte der Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck, damals Spitzenkandidatin.

Die Abteilung Staatsschutz der Staatsanwaltschaft Karlsruhe nahm Ermittlungen „von Amts wegen“ auf. Nach BNN-Informationen sind diese inzwischen abgeschlossen. Bei zwei der Aktivisten sehen sie demnach einen „hinreichenden Tatverdacht“. Hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben?

Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft wollte die BNN-Informationen am Mittwoch nicht kommentieren und verwies auf allgemeine Fristen. Christian Worch, Bundesvorsitzender der „Rechten“, erklärte auf Anfrage: Er sei bereits von einem der Beschuldigten informiert worden. „Wir sind natürlich gerne dazu bereit, die Betroffenen juristisch zu unterstützen“, so der Parteichef.

Verwandtes Verfahren zu provokanten Wahlplakaten

In einem verwandten Verfahren ging es um provozierende EU-Wahlplakate der Partei. Slogans wie „Israel ist unser Unglück“ und „Wir hängen nicht nur Plakate“ sorgten 2019 vielerorts für Empörung. Doch Strafanzeigen blieben meist folgenlos.

Rami Sulimann vor einem Vorhang mit hebräischer Schrift und Davidssternen darauf.
Erfolgreich gegen Hetze: Rami Sulimann ist Vorsitzender der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden und Gemeindevorsteher der Synagoge in Pforzheim. Er geht in mehreren juristischen Verfahren gegen rechtsradikale Hassbotschaften vor. Foto: Stefan Jehle/Archiv

Einen Teilerfolg konnte Rami Suliman erreichen. Der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Pforzheim und sein Anwalt Christoph Mährlein konnten mit einer Klageerzwingung durchsetzen, dass die Staatsanwaltschaft in der Sache ermitteln musste. Doch schließlich wurde das Verfahren eingestellt, weil sich nicht ausfindig machen ließ, wer die Plakate nahe der Synagoge aufgestellt hatte.

Wir haben die Spielräume für rechte Hetzer enger gemacht.
Rami Suliman, jüdische Gemeinde Pforzheim

Gleichwohl stellte das Oberlandesgericht Karlsruhe fest, dass die Wahlplakate durchaus den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen können, je nachdem wo sie platziert werden. Antragsteller Suliman: „Es lohnt sich, zu kämpfen. Wir haben die Spielräume für rechte Hetzer enger gemacht.“

Das zieht man auch auf der Gegenseite in Betracht. „Wir werden den Beschluss des Oberlandesgerichts auswerten und die möglichen Folgen für die künftige Verwendung unserer Plakate genau prüfen“, sagt Bundesvorsitzender Worch, der die Partei 2012 gründete – nachdem sich die Deutsche Volksunion (DVU) ein Jahr zuvor aufgelöst hatte.

Der gelernte Notargehilfe ist im Meinungs-, Versammlungs- und Parteienrecht äußerst beschlagen. Auf sein Konto gehen einige szenetypischen Vorstrafen, aber auch mehrere juristische Siege vor dem Bundesverfassungsgericht. Dass die perfiden Plakate juristisch schwer angreifbar sind und deshalb im ganzen Land für Schlagzeilen sorgten, freut den 65-Jährigen.

Worch lebt in Mecklenburg-Vorpommern. In Baden trat er 2017 in Erscheinung: als Bürgermeisterkandidat in Au am Rhein (Landkreis Rastatt). Experten beschreiben ihn als langjährigen Kader der Neonazi-Szene. Er selbst behauptet: „Wir bekennen uns zum Sozialen Nationalismus, aber wohlgemerkt im Sinne von Walther Rathenau.“

Bei der Bundestagswahl habe ich AfD gewählt.
Christian Worch, Bundesvorsitzender „Die Rechte“

Hintergrund: Der Liberale Rathenau (DDP), ein deutscher Jude, wurde 1922 als Reichsaußenminister der Weimarer Republik von Rechtsextremisten ermordet.

Ein großes politisches Ziel, sagt Parteichef Worch, sei ein Verbotsverfahren. Vor dem Bundesverfassungsgericht könne er dann exemplarisch darlegen, warum viele rechtsradikale Organisationen keineswegs verfassungswidrig seien. Auch sonst denkt Worch über seine Partei hinaus. Er sagt: „Bei der Bundestagswahl habe ich AfD gewählt.“ Seine eigene Partei war ja nicht angetreten.

Prozess gegen Holocaust-Leugnerin Haverbeck im März

Derweil sorgt die ehemalige EU-Spitzenkandidatin für Aufmerksamkeit: Ab 18. März muss sich Ursula Haverbeck vor dem Berliner Landgericht verantworten, bestätigt eine Sprecherin der Behörde.

Die inzwischen 93-Jährige ist eine Galionsfigur der Holocaustleugner-Szene. Zum Zeitpunkt der Europawahl verbüßte sie eine Freiheitsstrafe, wurde 2020 entlassen. Wenig später soll sie auf einem Youtube-Kanal erneut den Holocaust bestritten haben und wurde dafür in erster Instanz zu einer Haftstrafe von einem Jahr verurteilt. Bewährung schloss das Gericht aus – wegen etlicher Vorstrafen.

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