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Zifferblattfabrik zieht nach Glashütte

Die letzte Zifferblattfabrik in Pforzheim schließt

Nach 99 Jahren ist in Pforzheim Schluss für die Th. Müller Zifferblattfabrik. Der seit 2012 zur Luxusmarke Glashütte Original gehörende Spezialist für hochwertige Zeitskalierung verlagert die Produktion ins Erzgebirge.

Im ehemaligen Steudle-Gebäude Stuttgarter Straße 24 in Pforzheim hat Glashütte Original die 2012 übernommene, frühere Zifferblatt Th. Müller angesiedelt. Mit Jahresbeginn 2022 ist die Produktion in Glashütte angesiedelt.
Schluss mit Glashütte: Mit dem Abzug der Zifferblattfabrik, wird auch der Name verschwinden in der Stuttgarter Straße von Pforzeim. Die Swatch Group insgesamt aber bleibt nicht nur, sondern will sogar noch wachsen. Foto: Oliver Linde

Die Pforzheimer Zeit ist zu Ende für die Th. Müller Zifferblattfabrik. Sie gehört bereits seit 2012 als Glashütter Uhrenbetrieb GmbH Zifferblattmanufaktur zur Swatch Group.

Nun, am Vorabend des 100. Geburtstags, verschwinden die Fachleute für Zeitskalierung komplett aus der Goldstadt in Richtung Erzgebirge.

Dunkel wird es deshalb nicht am Standort auf der Wilferdinger Höhe, verspricht Roland von Keith, Geschäftsführer des Glashütter Uhrenbetriebs mit der Marke Glashütte Original: „Im Gegenteil, es werden voraussichtlich weitere Arbeitsplätze in der Uhren- und Schmuckfertigung sowie im Customer Service in Pforzheim geschaffen.“

Für Dienstleister des traditionsreichen Uhrenzulieferers wirkte das bislang anders. Sie spürten die Zeichen für Veränderungen bereits vor einem Jahr, sagen Insider. Ihnen sei gekündigt worden.

Pforzheimer Präzision in der DDR gefragt

Damit war schnell klar in Pforzheim: Die Produktion verschwindet, die mit ihrer Präzision einst das Zeug hatte, den eisernen Vorhang zu überwinden. Th. Müller lieferte seit 1953 Zifferblätter an die VEB Glashütter Uhrenbetriebe – einen Staatsbetrieb der früheren DDR.

Diese grenzüberschreitenden Leistungen beim Stanzen, Schleifen, Guillochieren (mit feinen ornamentalen Mustern versehen) und Polieren waren 2012 auch der Grund für das Engagement der Schweizer Swatch Group, die die Firma Glashütter Uhrenbetrieb im Jahr 2000 kaufte.

„Die Leute sind das Kapital“, sagte deren Geschäftsführer Günter Wiegand, als er die neue Pforzheimer Produktionsstätte der Öffentlichkeit präsentierte. Sein Unternehmen hatte damals 7,5 Millionen in die Zifferblattproduktion investiert.

Wieder ein Stück Uhrenindustrie weniger

Wenn nun die Th. Müller Zifferblattfabrik endgültig nur noch in Geschichtsbüchern zu finden ist, verschwindet mehr als eine Firma, die kommendes Jahr 100 Jahre alt geworden wäre.

Der seit der Übernahme im umgebauten früheren Steudle-Gebäude produzierende Zulieferer ist die letzte rein auf Zifferblätter spezialisierte Firma in Pforzheim.

Auswirkungen auf den allgemeinen Markt hat das keine, wenn nun wieder ein Stück der traditionsreichen, aber kaum noch vorhandenen Uhrenindustrie in Pforzheim wegbricht.

Seitdem die ehemalige Kundschaft aus DDR-Zeiten das Sagen hat, produzierten die früheren Th. Müller-Mitarbeiter ohnehin nur noch exklusiv für die Luxusmarke Glashütte Original aus dem Erzgebirge.

Keine Angaben zu Mitarbeitern und Stückzahlen

2012, als mit dem Betrieb 48 Mitarbeiter zum Glashütter Uhrenbetrieb wechselten, ging es um Zifferblätter für rund 10.000 mechanische Uhren pro Jahr. Heute wird die Produktion auf mehr als das Doppelte geschätzt.

Die Verantwortlichen im Erzgebirge schweigen, wenn es um derartige Zahlen geht. Weder zur Größe der Belegschaft in Pforzheim noch zum Anteil derer, die ins Erzgebirge ziehen, um dort die Nachfrage nach Zifferblättern bedienen, gibt es Auskunft.

Mehr „Made in Glashütte“

Fachleute sehen die Veränderung vor dem Hintergrund des angestrebten „Made in Glashütte“. Eine Bundesverordnung soll regeln, dass Glashütte drin ist, wo Glashütte drauf steht.

Der Bundesrat hat den neuen Markenschutz bereits 2019 befürwortet. Nach dem, was bislang dazu bekannt ist, würde es dafür reichen, die Zifferblätter in Glashütte zu montieren. Es wäre also kein Problem, wenn sie weiter aus Pforzheim kämen.

„Das Know-how soll am Produktionsstandort zusammengeführt werden. Die Covid-Krise hat gezeigt, dass es sich immer mehr lohnt, lokal zu produzieren, denn nur so können Probleme in der Lieferkette vermieden werden“, erläutert von Keith.

Der Swatch Group sei aber sehr daran gelegen, beide Standorte auch in Zukunft zu erhalten und zu fördern. „Aus diesem Grund wurden und werden im Rahmen der Umstrukturierung und des Umzugs der Pforzheimer Zifferblattmanufaktur keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gekündigt.“

Wachstum bei der Swatch-Reparaturwerkstatt in Pforzheim

Eine Art vorgezogenes Personalwachstum in der Reparaturwerkstatt der Swatch Group ist die Folge.

Denn die endgültige Entscheidung für eine Vergrößerung im Dienste eines markenübergreifenden Arbeitens in Pforzheim fiel nach Angaben von von Keith erst vergangene Woche. Den Platz dafür machen die Zifferblatt-Spezialisten jetzt frei in der Stuttgarter Straße.

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