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Zerreißprobe für Familien

Pforzheimer Frauenhaus stellt sich wegen Corona auf mehr Fälle ein

Wird der Partner gewalttätig, suchen die Opfer oft Rat und Hilfe im Pforzheimer Frauenhaus. Während Corona kam es bisher nicht zu einem Anstieg der Fälle – doch aufgrund der Lockerungen könnte sich das ändern.

Wenn Beziehungen zerbrechen: Wird der Partner gewalttätig, suchen die Opfer oft Rat und Hilfe im Frauenhaus. Während Corona kam es bisher nicht zu einem Anstieg der Fälle – doch aufgrund der Lockerungen könnte sich das ändern.
Wenn Beziehungen zerbrechen: Wird der Partner gewalttätig, suchen die Opfer oft Rat und Hilfe im Frauenhaus. Während Corona kam es bisher nicht zu einem Anstieg der Fälle – doch aufgrund der Lockerungen könnte sich das ändern. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Von Susanne Roth

Es war alles schon unter Dach und Fach. Und dann sagte die schwangere Frau doch ab. Wie alt sie ist, welche Nationalität sie hat – keine Ahnung. Tanja Göldner weiß nur, dass die etwa 30- bis 40-jährige Frau eigentlich mit ihrem kleinen Sohn vor ihrem gewalttätigen Mann flüchten wollte. Es war alles organisiert, ein Platz in einem Frauenhaus in einer anderen Stadt organisiert.

„Da ist zu viel Zeit verstrichen. Viele verlässt dann der Mut“, sagt Göldner. Natürlich sei man dann enttäuscht. Es sei auch „nicht ohne“, plötzlich als Alleinerziehende von vorne anzufangen.

Am Schlimmsten ist es für eine Beraterin, wenn die Frauen weinen
Tanja Göldner, Frauenhaus-Leiterin

Aber es ist nicht das erste Mal, dass Tanja Göldner, die das Ökumenische Frauenhaus in Pforzheim seit 2007 und seit 1. Juli auch die darin neu integrierte Fachstelle gegen häusliche Gewalt leitet, so etwas erlebt. „Am Schlimmsten ist es für eine Beraterin, wenn die Frauen weinen und einfach wieder auflegen.“

20 Prozent der Frauen, die Rat und Hilfe suchen, gehen wieder zu ihren gewalttätigen Männern zurück. Im vergangenen Jahr waren es laut Göldner sogar 30 Prozent.

Seit 2007 leitet Tanja Göldner das Ökumenische Frauenhaus in Pforzheim. Sie unterstützt Opfer von häuslicher Gewalt.
Seit 2007 leitet Tanja Göldner das Ökumenische Frauenhaus in Pforzheim. Sie unterstützt Opfer von häuslicher Gewalt. Foto: Susanne Roth

Und in Corona-Zeiten? Man könnte vermuten, dass die Drähte mit Ausbruch der Pandemie glühten. Das Gegenteil ist der Fall: „Die Männer wurden arbeitslos oder waren in Kurzarbeit. Die Frauen hatten ja gar keine Gelegenheit, unbemerkt mit uns zu sprechen“, sagt Göldner. Sie und ihr Team – insgesamt sieben Frauen und ein Hausmeister – stellen sich aber schon auf eine Welle ein. „Das kommt sicher noch“, ist sie überzeugt.

Denn mit der Lockerung dringt auch wieder mehr nach außen und bleibt nicht mehr verborgen hinter der Wohnungstür. „Kinder suchen sich Ansprechpartner in der Schule. Die Frauen haben wieder Gelegenheit, Kontakt mit uns aufzunehmen.“

Frauenhaus existiert seit 40 Jahren

Nach den Sommer- und Winterferien sei der Bedarf an Hilfe ebenfalls groß. Dann würden einige merken, dass die Ferien doch nicht alles kitten könnten.

Das Frauenhaus in Pforzheim existiert als Einrichtung bereits seit 40 Jahren. Mal war es ein Haus, dann drei, dann zwei. 2013 wurden beide Häuser zusammengelegt. Der Aufenthaltsort der dort mit ihren Kindern untergebrachten Frauen – von 26 Plätzen sind elf für Frauen, der Rest für die Kinder – ist geheim.

Die Frauen wohnen in Dreier-Wohngemeinschaften auf vier Etagen. Das Ökumenische Frauenhaus Pforzheim und die Fachstelle gegen häusliche Gewalt Pforzheim/Enzkreis ist eine gGmbH und wird von der Diakonie, der Katholischen Gesamtkirchengemeinde getragen.

Gewaltspirale betrifft auch Männer

Die Gewaltspirale, die durch Eskalation nach oben drehen kann, betrifft aber auch Männer, wie Tanja Göldner weiß. Das ist allerdings nicht nur ein Problem der anderen Kulturen, unter den 42 hilfesuchenden Frauen im vergangenen Jahr waren auch 13 deutsche. Der Macho und das devote Frauchen ist ein typisches Muster.

Bei den hilfesuchenden Männern geht es laut Göldner oft um Homosexuelle „Wir sind aber generell vorsichtig, denn viele Männer versuchen auch, herauszufinden, wo ihre Frauen sind.“ Zudem müsse man oft herausfinden, wo sich Gruppierungen aufhielten, gerade diejenigen aus den arabischen Ländern – aber auch Italiener – seien gut vernetzt.

Hin und wieder habe sie auch schon einen unter Gewalt leidenden Mann am Telefon gehabt. „Aber da können wir dann nicht helfen.“ Sie weiß aber, dass es auch ein paar Männerhäuser in Baden-Württemberg gibt.

Zerreißprobe wegen Corona

Tanja Göldner ist sich bewusst, dass Corona gerade für Familien und schwierige Beziehungen eine Zerreißprobe sein kann. Dass die erste Zeit im Frauenhaus nicht leicht ist, die Frauen sich an Regeln gewöhnen müssen, hat damit aber nichts zu tun. Corona brachte lediglich mit sich, dass die Hilfesuchenden erst 14 Tage in einem Hotelzimmer unter Quarantäne gestellt werden mussten, was die Stadt Pforzheim und der Enzkreis organisiert hätten. „Wir hatten immer genug Plätze.“

Als Nachteil bezeichnet Göldner, dass man viel telefonisch machen musste. „Das ist etwas anderes, als die Frauen direkt gegenüber sitzen zu haben. Da erreicht man sie viel besser.“

Stadt und Enzkreis bezahlen rund 53 Euro pro Person und Tag. Viel zu wenig, wie Göldner findet. Man sei von Sponsoren abhängig und habe ein schwieriges Jahr zu bewältigen.

Wirklich helfen kann ich nur zwischen 8 und 16 Uhr
Tanja Göldner, Frauenhaus-Leiterin

Wenn sie einen Wunsch frei hätte, würde sie sich wünschen, dass jede Frau einen Platz im Frauenhaus bekommt, die darauf angewiesen ist. Denn es sind viele Dinge abzuklären. Dass sie eine verzweifelte Frau erst einmal fragen müsse, wie viel sie verdiene, hält sie für ungünstig.

„Ich muss einen riesen Katalog abfragen. Studentinnen mit Bafög bekommen zum Beispiel gar keinen Platz“, sagt Göldner. Das Team sei zwar rund um die Uhr und auch am Wochenende telefonisch erreichbar, „aber wirklich helfen kann ich nur zwischen 8 und 16 Uhr“. Zu den Zeiten, wenn die Ämter geöffnet haben.

Mehr Infos

Einzelheiten zum Frauenhaus gibt es unter www.frauenhaus-pforzheim.de

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