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Tag nach Tornado auf Super-8

Pforzheimer hat Spuren der Zerstörung gefilmt

In einer kleinen Spule eines Super-8-Films steckt ein bedeutendes Stück Wettergeschichte: Der Pforzheimer Volker Wittel hat Volker Wittel hat den Tag nach dem Tornado im Juli 1968 festgehalten. Der Hobbyfilmer fuhr mit seiner Frau Gudrun durch die Stadt und filmte die Aufräumarbeiten. Das filmische Zeitdokument brachte er in die Redaktion des Pforzheimer Kurier für die Serie "Zurückgespult".

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Einen Tag im Schloßberg-Kindergarten hat Volker Wittel gefilmt. In einer zweiten Rolle hat er dokumentiert, wie es in Pforzheim nach dem Tornado ausgesehen hat. Foto: Weiss Foto: Weiss

In einer kleinen Spule eines Super-8-Films steckt ein bedeutendes Stück Wettergeschichte. Jenen 10. Juli des Jahres 1968, da sich ein Tornado seinen zerstörerischen Weg durch Pforzheim bahnte, hat Volker Wittel zwar nicht festgehalten. Aber sein filmisches Zeitdokument erzählt davon, wie es in der Goldstadt am Tag danach aussah, als die Pforzheimer versuchten, wieder Ordnung in ihre verwüstete Stadt zu bringen. Wittel hat ihn für die Aktion „Zurückgespult“ zum Pforzheimer Kurier gebracht.

Tochter lag zu Hause in ihrem Bettchen

An den besagten Tag erinnert sich der gebürtige Geislinger noch genau. „Meine Frau Gudrun und ich wollten nur schnell bei meinem Schwager in Eisingen etwas erledigen.“ Die einjährige Tochter lag zu Hause in ihrem Bettchen. „Wir wollten sie nicht wecken“, meint der heute 76-Jährige. Doch über Eisingen brach ein schweres Unwetter los mit großen Hagelkörnern, und die Wittels konnten erst danach wieder nach Pforzheim zurück. Sie wunderten sich über Äste auf der Westlichen, wo sie damals wohnten. Am anderen Morgen ging das Wundern weiter – über die schweren Fahrzeuge, die durch die Stadt donnerten. Ein Manöver der Franzosen?

Dann hörten wir im Radio, was geschehen war

„Dann hörten wir im Radio, was am Vorabend geschehen war.“ Dem Ehepaar Wittel fuhr nachträglich der Schrecken in die Glieder, weil sie ihr Töchterchen alleine gelassen hatten. Der Hobbyfilmer wollte die Spuren der Verwüstung festhalten. Das Ehepaar besaß einen VW, bei dem man das Dach aufkurbeln konnte.

Gudrun fuhr, und Volker Wittel filmte aus dem Dach heraus. Mit schlechtem Gewissen. „Wir waren ja Schaulustige, die Menschen bei der Aufräumarbeit filmten.“ Die beiden ernteten manch böse Blicke. „Zu Recht“, meint Wittel. Aber es musste einfach sein. Sie fuhren alle Strecken ab: die Bleichstraße, den Stadtgarten, den alten Buckenberg hoch. Sie filmten Häuser, in die man hineingucken konnte, wie in ein Puppenhaus, weil die Außenwände zerstört waren. „Im Brötzinger Tal hatte der Tornado aus einem Büro die Fenster geschlagen. Bis Heilbronn wehte es die Dokumente“, erinnert sich Gudrun Wittel.

Dokumente wurden bis Heilbronn geweht

„Eine Bekannte sagte, es war, als ob eine große schwarze Kugel durch Pforzheim gerollt wäre.“

Das Ehepaar Wittel leitete gemeinsam zwei physiotherapeutische Praxen, in Dobel und in Pforzheim. Viel Freizeit blieb da nicht. Die Leidenschaft fürs Filmen kam für Volker Wittel mit der Geburt der Kinder Anke und Kai. Die Streifen wurden ausschließlich im Familien- und Bekanntenkreis gezeigt.

In einem Sommer, Anfang der 70er Jahre, filmte Wittel im Schloßberg-Kindergarten, den Tochter und Sohn damals besuchten. Auf diesem zweiten Film, der dem Pforzheimer Kurier nun vorliegt, hat er den ganzen Tagesablauf im Kindergarten festgehalten: Die Kinder, wie sie mit ihren Erzieherinnen Gymnastik machen, wie sie auf dem Hof spielen. „Abends kamen die Muttis und holten ihre Kinder ab. Für sie wäre es sicher interessant, den Film wieder zu sehen“, meint Wittel. Auf der Filmrolle ist auch ein Sommerfest des Kindergartens zu sehen. Den Streifen führte Wittel damals Eltern und Erzieherinnen vor.

Stierkampf zur Abschreckung

20 bis 30 Filme hat Wittel gedreht. „Es sind alles Stummfilme.“ Einer zeigt seine Tochter in den vier Jahreszeiten. So manche Familienurlaube hat der Hobbyfilmer verewigt: Jenen, der auf einer Sennerhütte in Österreich entstand. „Da sind wir in den Sommerferien mit Pferd und Anhänger vom Bauernhaus hochgefahren.“ Es gibt ein winterliches Pendant dazu mit Schnee, der sich vor der Hütte türmt. Ein Relikt aus einem lange zurückliegenden Spanienurlaub ist ein Film über einen Stierkampf mit dem bekannten Torero „El Cordobés“. „Zur Abschreckung, ich wollte zeigen, wie grausam das ist“, erzählt Wittel.

In den vergangenen Jahren scheint die Leidenschaft zum Filmen ein wenig erlahmt. Die Kinder sind erwachsen. Sohn Kai lebt in Japan. Von einem Besuch der Eltern dort zeugt ein weiterer Film im Fundus. Es wäre schon schön, die ganzen Erinnerungen als DVD zu besitzen, findet Wittel. Die Super-8-Filme über den Kindergarten und den Tornado bekommt er jedenfalls bald in dieser Form.

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