
Wann geht ein Künstler in den Ruhestand? Ein Lebenskünstler nie. Aber auch der Pforzheimer Grafiker, Künstler und Verleger Axel Hertenstein hält sich nicht ans übliche Renteneintrittsalter.
Der 84-Jährige hat aber schon einiges abgeworfen auf seinem Weg. Zuletzt 2017 das Haus in der Vogesenallee mit der großen Handdruck-Presse im Keller, nebst Atelier. Und die dortigen Ausstellungsräume im Erdgeschoss, die sich vor Weihnachten immer zum Treffpunkt seiner Fans und Freunde entwickelten.
Die Druckpresse und sein Schatz an bibliophilen Werken aus Jahrzehnten kreativen Schaffens lagern nun bei seinem Sammlerfreund Gerhard Odenwald. Kaufinteressenten können sich dort Zutritt verschaffen nach Absprache mit Hertenstein unter Telefon (0 72 31) 2 70 84.
Pforzheimer Künstler Hertenstein zeichnet nur noch Kleinformate
Der Rückzug ins Wohnhaus in der Mathystraße 36 und auch das Alter bringen Veränderungen mit sich: Hertenstein beschränkt sich jetzt auf Zeichnungen und kleine Formate. Aber das täglich.
„Es macht mir immer noch Spaß“, sagt er. Schließlich kann er dabei mit seinem Humor, der im Zeichenstift steckt, seine Lieblinge weiter zum Leben erwecken: Fantasiefiguren aus dem Tierreich, Meerwesen, Naturgeister – skurrile Fabelwesen, die sich mit Blei- und Buntstift, aber auch Tusche und Aquarell entfalten. An diesem Dienstag wird er wohl von seinem täglichen „Arbeitseinsatz“ absehen und eher Sektkorken knallen lassen: Dann wird Axel Hertenstein 85 Jahre alt.
Der in Mühlhausen an der Enz aufgewachsene Hertenstein entwickelte sein frühes Talent an der Karlsruher Akademie der bildenden Künste, wo als Semesterarbeit sein Erstlingswerk als Buchgestalter entstand, mit Illustrationen zu Gedichten von Else Lasker-Schüler. Die Leidenschaft für handwerkliche, perfekte Buchkunst begleitet ihn dann sein Leben lang.
Mit dem Bezug zur humanistischen Buchdruck-Kunst sieht er sich in der Tradition des Pforzheimer Buchdruckers und Reuchlin-Verlegers, Thomas Anshelm. Hertenstein gründete 1967 die Harlekin-Presse, die später in Hertenstein-Presse umbenannt wurde. Bekannte Lyriker gerieten bei ihm zwischen zwei Buchdeckel. Herrlich illustriert, wie etwa die „Andalusische Katze“ von Hilde Domin. Oder später Christoph Meckel, Literaturpreisträger des Landes Baden-Württemberg.
Hertensteins Werke wurden schon in Kanada gezeigt
Als aufregendste seiner zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen gilt Hertenstein die erste im Mannheimer Kunstverein 1964. Im kanadischen Toronto zeigte 1976 das Goethe-Institut seine Arbeiten. Zu seinem 80. Geburtstag schließlich war die große retrospektive Ausstellung „Mein Metier ist das Büchermachen“ in der Pforzheim Galerie zu sehen.
Ein Ausschnitt aus seinem Lebenswerk von 160 literarischen Büchern aus fünf Schaffensjahrzehnten. Ergänzt durch Linolschnitte, Gemälde, Mappen, Collagen und hölzernen Figuren seiner geliebten Fabelwesen. 1999 erhielt Hertenstein den renommierten V. O. Stomps-Preis der Stadt Mainz verliehen, der ihm den Ruf des „Epikur der Farben und Formen“ verschaffte. Bücher und Grafiken von Hertenstein befinden sich unter anderen in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart, im Schiller Nationalmuseum in Marbach und in der Nationalbibliothek Berlin.
Aktuell ist ein Querschnitt von Hertensteins Werken als Jahresausstellung im Verwaltungsgebäude der Baugenossenschaft Arlinger, Hohlohstraße 6, zu sehen. Die Finissage ist am 4. Dezember um 14 Uhr. Bis dahin, hofft Hertenstein, wird auch ein umfangreicher Katalog seiner wichtigsten Arbeiten fertiggestellt sein.