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Gesellschaft

Pforzheimer Oberbürgermeister Peter Boch lernt nach Ballett nun Tango

Eigentlich wollte Peter Boch Profitänzer werden. Doch gesundheitliche Probleme stoppten ihn. Die Liebe zum Tanz ist aber geblieben.

Peter Boch (CDU), Oberbürgermeister von Pforzheim, in einem Ballett–Probenraum im Stadttheater.
Peter Boch (CDU), Oberbürgermeister von Pforzheim, in einem Ballett–Probenraum im Stadttheater. Foto: Uli Deck/dpa

Als Peter Boch im Alter von vier Jahren mit seiner Kindergartenfreundin zum Ballettunterricht ging und mit einem Anmeldeformular zurückkam, war seine Mutter erst mal verdutzt. „Ich hab’ damals tatsächlich in langer Unterhose zum ersten Mal im Ballettsaal gestanden und da mitgemacht“, erzählt der heutige Pforzheimer Oberbürgermeister.

Sein Opa, selbst Ringer und Boxer, habe damals gesagt: „Wenn der Junge Ballett machen will, dann zahle ich das von meiner Rente.“ Die Frage sei nie gewesen, ob ein Junge das machen darf. „Ich bin eigentlich immer unterstützt worden.“

Der heutige Pforzheimer Oberbürgermeister Peter Boch (CDU) als junger Balletttänzer (undatierte Aufnahme).
Der heutige Pforzheimer Oberbürgermeister Peter Boch (CDU) als junger Balletttänzer (undatierte Aufnahme). Foto: Peter Boch/dpa

Mit elf Jahren zog der gebürtige Lauchringer allein nach Stuttgart ins Ballettinternat John-Cranko-Schule. Das Ziel: Profitänzer werden. Doch wegen Wassereinlagerungen in der Hüfte musste er die Karriere ein halbes Jahr vor dem Ballettdiplom abbrechen und wurde Polizist.

„Als kleiner Bub wollte ich auch Polizist werden“, sagt Boch. „Ich glaube, das ist von vielen Jungs ein Traum.“ Einfacher Beamter sollte es aber nicht sein: „Für mich war klar, ich möchte bei der Polizei unbedingt mal etwas tun, das nicht selbstverständlich ist.“

Peter Boch wurde Personenschützer von Ministerpräsident Günther Oettinger

So wurde Boch Personenschützer im Kommando Ministerpräsident Baden-Württemberg, der damals Günther Oettinger (CDU) war. Durch diesen Job kam er in Kontakt mit der Politik, was ihn in die Kommunalpolitik und letztlich ins Pforzheimer Rathaus führte.

Der heutige Pforzheimer Oberbürgermeister Peter Boch (CDU) im Polizeidienst (undatierte Aufnahme).
Der heutige Pforzheimer Oberbürgermeister Peter Boch (CDU) im Polizeidienst (undatierte Aufnahme). Foto: Matthias Müller/Peter Boch/dpa

Balletttänzer und Bodyguard – zwei Extreme, die ganz unterschiedliche Rollenbilder und Bilder von Männlichkeit erzeugen. Und die auf den ersten Blick nicht recht zusammenpassen mögen.

Doch in beiden Fällen gehe es auch um Wettbewerb, darum, aus der Gruppe herauszustechen, sagt Diana Lengersdorf. Die Professorin für Geschlechtersoziologie an der Uni Bielefeld hat zur Neujustierung von Männlichkeiten geforscht und sieht in Wettbewerb nach wie vor etwas typisch Männliches: „Männlichkeit wird sehr stark unter Männern ausgehandelt.“

Nachdenken über Männlichkeit

Allerdings habe sich im Vergleich zu den 1990er Jahren etwas Gravierendes geändert, sagt Lengersdorf. Inzwischen werde über Männlichkeit allgemein und auch die eigene Männlichkeit nachgedacht. „Früher wurde die Frage nach Männlichkeit zurückgewiesen.“

Immer mehr Menschen lehnten heutzutage stereotype Männlichkeitsbilder ab. Die Geschlechterordnung sei im Umbruch, weiche auf. Zentrale Motoren seien dabei der Wandel von Vaterschaft und Erwerbsarbeit.

Heute nehmen Väter Elternzeit. Es gibt Transmänner und queere Männer, Männerbeauftragte, Männerhilfetelefone und Kurse, in denen Männer den Umgang mit ihren Gefühlen lernen. Vor Jahrzehnten kaum vorstellbar.

Doch gerade bei wichtigen Ereignissen wie der Geburt eines Kindes hole das klassische Bild des Mannes als Ernährer der Familie viele wieder ein: „Unsere Männlichkeitsvorstellung ist sehr kapitalistisch geprägt“, so Lengersdorf.

Eine Studie des Bundesfamilienministeriums kam ebenfalls zu dem Ergebnis, dass rationale, ökonomische Erwägungen in so einer Situation oft dazu führten, dass eine gleichgestellte Vision schlagartig in ein traditionelles Rollenmodell kippe und Männer sich um die Existenzsicherung der Familie sorgten. Die Rede ist von einer „Art Magnetismus des traditionellen Männerleitbilds“.

Weiter schreiben die Autoren: „Wir sind vermutlich Zeitzeugen und Akteure einer erheblichen Umwälzung im Selbstverständnis sowie im Lebens-/Arbeits-/Familienstil von Männern.“ Sie sprechen von höchst unterschiedlichen Männeridentitäten, vom „Mainstream-Mann im Spagat“.

Manche würden Rollenbilder vom Mannsein weiterentwickeln, heißt es in der Auswertung. Neue soziokulturelle Anforderungen etwa in Bezug auf die Gleichstellung von Frauen und Männern spielten dabei eine Rolle.

Andere wollten die Komplexität des neuen Mannseins wieder reduzieren und auf „einfache“ Leitbilder zurückgreifen. Professorin Lengersdorf spricht von einem diffusen Moment: Einerseits verfestige sich heroische Männlichkeit, andererseits verändere sich gerade viel.

Den Jungs fehlten jedoch Vorstellungen, wie sich das Leben jenseits tradierter Muster führen lasse, heißt es in der Studie. „Sie haben ein Gespür für Ungleichheiten im Geschlechterverhältnis, sehen aber keine Lösungsansätze.“

Jungen wie Mädchen folgten bei der Berufswahl traditionellen Geschlechterrollenbildern. Um vom Rollenspagat in ein stabiles Gleichgewicht zu kommen, gebe es bisher kaum Vorbilder.

Das, was ich beim Ballett gelernt habe, konnte ich bei der Polizei auch gut gebrauchen: nämlich Disziplin.
Peter Boch
Pforzheimer Oberbürgermeister

Der Pforzheimer OB Boch findet natürlich, dass seine Berufszweige gut zusammenpassen: „Das, was ich beim Ballett gelernt habe, konnte ich bei der Polizei auch gut gebrauchen: nämlich Disziplin.“

In beiden Berufen gehe es zudem gleichermaßen um die Leidenschaft für das, was man tut, und den Anspruch, richtig gut zu sein in dem, was man macht.

Boch stieß mit Ballettambitionen nicht immer auf Verständnis

Doch als Teenager in der Pubertät bekam er zu spüren, dass nicht alle Mitschüler in der öffentlichen Werkrealschule Verständnis für seine Ballettambitionen hatten.

Der 43-Jährige drückt es diplomatisch aus: „Ich hatte auch schwierige Zeiten.“ Mancher habe den Unmut körperlich ausgedrückt. „Ich bin auch mal die Treppe runtergeflogen“, erinnert er sich. „Sinngemäß ging es um so Themen, ob ich das Klischee bediene, dass ich vielleicht doch nicht auf Mädchen stehen könnte.“

Am Ende habe das erst recht seinen Ehrgeiz bestärkt, sagt Boch. Auch die Klasse sei letztlich stolz auf ihn gewesen, weil er eine Art Alleinstellungsmerkmal war. Und er lernte auf dem Internat Monika kennen – damals „das schönste Mädchen der Welt“, heute seine Ehefrau.

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