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Gericht hat entschieden

Schlappe für Stadt Pforzheim: Ex-Stadtwerke-Chefs sollen Geld bekommen

Die erste Entscheidung der Außenstelle Pforzheim des Karlsruher Landgerichts ist gefallen: Pforzheims Ex-Stadtwerke-Chef Roger Heidt (CDU) und sein Co-Geschäftsführer Thomas Engelhard sollen laut Gericht zunächst mehrer Gehälter ausbezahlt bekommen. Das Verfahren könnte aber noch lange dauern.

Pforzheim Stadtwerke heidt
KLAGE VOR GERICHT: Roger Heidt, der im Januar abberufene Chef der Stadtwerke Pforzheim und frühere Erste Bürgermeister von Pforzheim, klagt vor Gericht gegen seine Abberufung. Foto: Ehmann (Archiv)
Schlappe für Stadt Pforzheim: Pforzheims Ex-Stadtwerke-Chef Roger Heidt (CDU) und sein Co-Geschäftsführer Thomas Engelhard haben im Rechtstreit um ihre fristlose Kündigung einen ersten Sieg vor Gericht errungen. Die Ex-Chefs sollen von den Stadtwerken zunächst jeweils mehr als 40.000 Euro bekommen. Das Verfahren könnte insgesamt aber noch lange dauern.

In einer Entscheidung im vorgelagerten Urkunde-Verfahren ging es zunächst um die Gehälter von Februar bis April. Laut dem Vorsitzenden Richter Bernd Kantlehner konnten die Stadtwerke nicht beweisen, dass Gründe für eine fristlose Kündigung des ehemaligen Ersten Bürgermeisters und seines Co-Geschäftsführer vorlagen.

Stadtwerke Pforzheim prüfen weitere rechtliche Schritte

Heidt soll laut Gericht für drei Monate rund 47.000 Euro bekommen, Engelhard 41.000 Euro. Die Entscheidung steht unter dem Vorbehalt, dass in einem eventuellen Nachverfahren die fristlose Kündigung womöglich doch für rechtens erklärt wird. Laut Gericht ist es wahrscheinlich, dass die Stadtwerke Pforzheim gegen die Entscheidung Rechtsmittel einlegen. Zudem liegen weitere Gehaltsforderungen von Mai bis August vor, die ebenfalls bald verhandelt werden sollen. Unabhängig der aktuellen Verhandlung über Gehälter ist die Frage nach einer möglichen Abfindung. Diese müsste zwischen den Parteien gesondert verhandelt werden.

Bürgermeister Büscher verteidigt Entlassung

In einer Stellungnahme teilte die Stadtverwaltung Pforzheim am Dienstagnachmittag mit, dass die Stadtwerke nun weitere rechtliche Schritte prüfen. Das Urteil des Landgerichts habe bei den Gesellschaftern "für Unverständnis" gesorgt, so hieß es. Ein Sprecher betonte: "In dem Urkundenprozess ging es lediglich um Urkunden, wie den Arbeitsvertrag oder beispielsweise die Kündigung. Es handelt sich hierbei um ein sogenanntes Vorbehaltsurteil. Die Urteile stehen daher unter dem Vorbehalt einer Überprüfung in einem umfassenden Nachverfahren." Der Nachprozess finde "voraussichtlich erst im ersten Quartal 2020 statt", vermutet die Stadtverwaltung.

Ich bin nach wie vor von der Richtigkeit und Rechtmässigkeit des einstimmig gefassten Beschlusses des Aufsichtrats überzeugt

„Ich bin nach wie vor von der Richtigkeit und Rechtmässigkeit des einstimmig gefassten Beschlusses des Aufsichtrats bezüglich der Abberufung der ehemaligen Geschäftsführer überzeugt“, so der Aufsichtsratsvorsitzende und Erster Bürgermeister Dirk Büscher. Nach Vorliegen der Entscheidungsgründe wird man sich mit der Prüfung von Rechtsmitteln gegen das Urteil sowie dem Weg des Nachverfahrens befassen.

Verkündungstermin ohne Kläger

Bei Verkündungstermin am Dienstagmorgen waren die Betroffenen nicht persönlich vor Gericht erschienen. Anders am am ersten Verhandlungstag im September. Damals hatten Heidt, Engelhard und ihre Anwälte klargemacht, dass die beiden Manager sich zu Unrecht geschasst sehen in  der Affäre um waghalsige Geschäfte, verlorene Millionen und einem Haifischbecken voller politischer Interessen.

Abberufen: Vorsitzender Richter Bernd Kantlehner, hier flankiert von zwei ehrenamtlichen Richtern, ist nicht mehr für Pforzheim zuständig. Seine Nachfolge war Mitte Januar noch ungeklärt.
Abberufen: Vorsitzender Richter Bernd Kantlehner, hier flankiert von zwei ehrenamtlichen Richtern, ist nicht mehr für Pforzheim zuständig. Seine Nachfolge ist noch ungeklärt. Foto: Daniel Streib

Grundlage der aktuellen Entscheidung der Auswärtigen Handelskammer in Pforzheim ist die Tatsache, dass die Stadt Pforzheim keine Beweise vorlegen konnte, dass die fristlose Kündigung rechtens war. Konkret bedeutet das offenbar, dass der Aufsichtsrat unter Leitung von Bürgermeister Dirk Büscher nicht nachweisen konnte, dass sie erst relativ spät - also innerhalb der geltenden Kündigungsfristen von zusätzlichen Verlusten im Telesales-Bereich erfuhren.

Schwere Vorwürfe vor Gericht

Silja Maul von der Mannheimer Kanzlei „Dr. Maul, Janson-Cermak, Eska“ erhob damals schwere Vorwürfe: „Hier wurden ehrenwerte Menschen öffentlich geschlachtet.“ Heidt und Engelhard hätten nichts falsch gemacht und stünden nun vor dem Trümmern ihrer Reputation und Existenz. Roger Heidt nickt sachte.

Der 59-jährige ehemalige Erste Bürgermeister der Stadt und frühere Tourismusdirektor des Landes Baden-Württemberg erlebte dieses Jahr einen jähen Absturz, der ein wenig an Stefan Mappus erinnert, den glücklosen Ministerpräsidenten aus Pforzheim, seinen Freund aus gemeinsamen Zeiten bei der Jungen Union. Zeiten, in denen CDU-Mehrheiten im Südwesten noch gottgegeben schienen.

Affäre um Millionenverluste

Die „Stadtwerke-Affäre“ um vermeintlich plötzliche Millionenverluste geht demnach juristisch weiter. Sie hatte für einen politischen Eklat gesorgt – auch deshalb, weil eine bereits fest im notorisch klammen Stadthaushalt eingeplante Gewinnausschüttung von rund sechs Millionen Euro vom Aufsichtsrat kurzfristig gekappt wurde. Die Folge: OB Peter Bochs Haushaltsplan war plötzlich Makulatur. Büscher und Boch ließen ihren Parteifreund fallen.

Das gestörte Vertrauensverhältnis mache eine weitere Zusammenarbeit unmöglich, so hieß es aus dem Rathaus bei der Kündigung Anfang 2019. Heidt und Engelhard hätten Informationen über Verluste im schon länger kriselnden und nun völlig aus dem Ruder gelaufenen Telesales-Segment erst verheimlicht und später durch Bilanztricks vertuschen wollen, so wurde kolportiert.

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